Ich glaube, daß ich für immer mit Christus leben werde.

Ich glaube, daß ich für immer mit Christus leben werde.

 

Die Kirche redet vom Tod. Das macht sie nicht unbedingt beliebt. Denn vom Tod spricht man heute nicht; man verdrängt ihn, soweit es geht, aus dem Alltag, möchte zumeist nicht darüber reden – selbst in einer christlichen Gemeinde. Gestorben wird in Krankenhäusern und Pflegeheimen, dort, wo es möglichst keiner sonst mitbekommt. Doch in Wirklichkeit bestimmt der Tod unser Lebensgefühl auch heute ganz entscheidend mit: Vom „Leben als letzter Gelegenheit“ hat Marianne Gronemeyer in einem tiefgründigen Buch gesprochen und geschildert, wie der heutige Mensch Sicherheit und Beschleunigung zur vordringlichen Aufgabe der Weltverbesserung macht: „Sicherheit, um dem Einzelleben wenigstens seine durchschnittliche Lebensspanne zu garantieren, und Beschleunigung, um die unerträgliche Kluft zwischen den unendlichen Möglichkeiten, die die Welt da draußen bereithält, und der kläglichen Zeit, die dem Einzelnen zu deren Ausschöpfung zur Verfügung steht, wenigstens zu verringern. Der Mensch gerät in Panik. Neben den Tod tritt ein beinah noch ärgerer Widersacher des Lebens: die Angst, etwas zu versäumen.“ Was haben wir als Christen zum Tod zu sagen?
 

1. Der Tod ist etwas Unnatürliches
Eine Möglichkeit des Menschen, mit dem unausweichlichen Schicksal des Todes umzugehen, ist die, ihn zu etwas „ganz Natürlichem“ zu erklären. Der Tod gehört nun mal zum Leben mit dazu; das Sterben des Einzelnen ist ein Teil des ewigen „Stirb und werde“, das unsere Welt bestimmt, und von daher sollten wir ihn als etwas ganz Normales annehmen. Gerade im Bereich der Esoterik tauchen solche Gedanken immer wieder auf und scheinen ja auch einen gewissen Trost zu vermitteln. Doch wenn wir selber ganz konkret mit dem Tod eines Menschen und auch mit unserem eigenen Tod konfrontiert werden, spüren wir es ganz genau: Der Tod ist nicht einfach bloß etwas „ganz Natürliches“; er ist nicht gut und normal. Er zertrennt menschliche Gemeinschaft, er verletzt, er widerspricht ganz und gar unserem menschlichen Verlangen nach Leben, und er läßt sich von daher auch nicht schönreden. Daß Menschen sterben müssen, zeigt vielmehr, daß unsere Welt nicht gut ist, nicht so ist, wie sie von Gott ursprünglich einmal gewollt war. Der Tod ist Konsequenz und Ausdruck unseres zerbrochenen Verhältnisses zu Gott, oder, wie es Paulus im Römerbrief formuliert: „Der Tod ist der Sünde Sold.“ Das heißt nicht, daß man das Sterbealter eines Menschen in irgendeine Beziehung zu seinen konkreten Sünden setzen könnte. Wohl aber ahnen wir: Der Tod ist und bleibt das entscheidende Problem unseres Lebens – ein Problem, das nicht wir bewältigen können, sondern das nur Gott selber lösen kann.
 

2. Im Tod fällt eine letzte Entscheidung.
In unserer heutigen Zeit übt der Gedanke der Reinkarnation, der Wiederverkörperung der Seele nach dem Tod, auf viele Menschen in unserem Land eine große Faszination aus, und so liegt buddhistisches Gedankengut heute scheinbar voll „im Trend“. In Wirklichkeit handelt es sich dabei jedoch um eine Anpassung buddhistischer Gedanken an unsere westliche Wohlstandsgesellschaft, die dem ursprünglichen Anliegen des Buddhismus völlig zuwiderläuft: Im Buddhismus ist die Reinkarnation etwas Negatives und Leidvolles, wünscht sich ein Buddhist nichts sehnlicher, als nicht mehr wiedergeboren zu werden, nicht mehr als „Ich“ zu existieren, sondern wie ein Tropfen im Meer des Nirwana untergehen zu dürfen. In unserem gesellschaftlichen Kontext wird die Reinkarnation dagegen als etwas Positives wahrgenommen, als eine Möglichkeit, „im nächsten Leben“ wieder gut zu machen, was man im vorherigen versäumt hat, und sich so immer weiter nach oben zu entwickeln und selbst zu verwirklichen. So faszinierend dieser Gedanke auch klingen mag – er widerspricht der christlichen Botschaft ganz und gar und läßt sich mit ihr nicht vereinbaren. Nach christlichem Verständnis müssen nicht wir die Folgen unserer Verfehlungen abarbeiten und uns durch unser Tun nach oben entwickeln – vielmehr empfangen wir schon jetzt die Vergebung Gottes, die in Ordnung bringt, was wir verfehlt haben. Weiterhin setzt dieser Gedanke der Reinkarnation voraus, daß unser Körper nur in einem losen Verhältnis zu unserer Seele steht und letztlich unwichtig, ja vielleicht gar hinderlich sei. Wirklich wichtig sei nur die unsterbliche Seele. Die Heilige Schrift macht hingegen deutlich, daß Körper und Seele untrennbar zusammengehören und daß die Erlösung nicht nur die Seele, sondern auch den Körper mit umfaßt. Dies bringen in besonderer Weise auch die Sakramente zum Ausdruck, in denen Gott ja gerade leiblich an uns handelt: Christus nimmt im Heiligen Mahl leiblich in uns Wohnung und wird gerade darum diesen Leib, in dem er lebt, am Ende einmal auferwecken – gewiß in einer Gestalt, die wir uns jetzt noch gar nicht vorstellen können, aber doch so, daß wir wieder „wir selber“ sein werden. Und der Gedanke der Reinkarnation verharmlost schließlich die Tatsache, daß in unserem Tod eine letzte Entscheidung fällt: Es ist den Menschen bestimmt, „einmal zu sterben, danach aber das Gericht“, heißt es im Hebräerbrief. Jetzt, hier in diesem Leben, fällt die Entscheidung über mein ewiges Geschick; ich habe keinen zweiten Versuch und sollte gerade auch von daher den Gedanken an das Ende meines Lebens nicht verdrängen. Dafür steht für mich zu viel auf dem Spiel.
 

3. Der Tod ist für uns Christen ein Durchgangstor zum Leben.
Daß der Tod für uns Christen ein Durchgangstor zum Leben ist, ist keine selbstverständliche Aussage. Vielmehr dürfen wir allein darum dies behaupten, weil Christus selbst durch seine Auferstehung die Macht des Todes gebrochen und uns in der Heiligen Taufe an diesem Sieg über den Tod Anteil gegeben hat: Wer getauft ist, ist damit hineingeboren in ein neues Leben, das auch der Tod nicht zerstören kann. Von dem Geschenk unserer Taufe her dürfen wir nun allerdings in der Tat ganz zuversichtlich unserem Tod entgegenblicken. Nicht, daß wir den Tod nicht auch immer zugleich als Strafe und als etwas Unnatürliches empfinden würden, nicht daß unser Sterben oft genug auch mit viel Leid verbunden und wahrlich nichts ist, wonach wir uns sehnen würden. Doch gerade wenn wir diese Realität des Todes ganz ernst nehmen, dürfen wir als Christen zugleich auch ganz getrost den Tod als Durchgangstor zum Leben und damit in letzter Konsequenz sogar als etwas Positives wahrnehmen: So sehr hat Christus den Tod entmachtet, daß er uns jetzt sogar zum Guten dienen muß.

Der Tod ist Durchgangstor zum Leben – das heißt: Wir kommen nach unserem Tod nicht bloß in eine „Wartehalle“; wir bleiben nach unserem Tod nicht im Ungewissen. Sondern im Augenblick unseres Todes wird für uns unmittelbar erfahrbar werden, was Christus uns zugesagt hat: „Wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt hat, der hat das ewige Leben und kommt nicht in das Gericht, sondern er ist vom Tode zum Leben hindurchgedrungen.“ (St. Johannes 5,24) In diesem Sinne dürfen wir mit dem Apostel Paulus sprechen: „Ich habe Lust, aus der Welt zu scheiden und bei Christus zu sein“ (Philipper 1,23) und die Zusage Christi auch auf unsere Todesstunde beziehen: „Heute wirst du mit mir im Paradies sein.“ (St. Lukas 23,43)

Ewige Gemeinschaft mit Christus – das ist der Kern der Hoffnung, die wir hinsichtlich unseres Lebens nach dem Tod haben. Im Unterschied zu den heiligen Schriften manch anderer Religionen ist die Bibel sehr zurückhaltend in der Beschreibung dessen, was nach dem Tod auf uns zukommt: Sie beschreibt dieses neue Leben nicht als Schlaraffenland und beschränkt sich im wesentlichen darauf, aufzuzählen, was es dann einmal nicht mehr geben wird: keine Tränen, kein Leid, keinen Schmerz und keinen Tod. Denn zur Beschreibung dessen, was wir einmal erleben werden, fehlen uns jetzt noch jegliche Worte. Was wir positiv sagen dürfen, ist dies: Wir werden Gott schauen dürfen, und dies wird das vollendete Glück unseres Lebens sein.
 

4. Der Tod ist das Ende unserer Zeitlichkeit
Nun legt sich an dieser Stelle immer wieder die Frage nahe: Noch ist der Jüngste Tag doch gar nicht gekommen; noch ist die Auferstehung der Toten doch gar nicht geschehen. Was ist denn nun mit unseren Toten in der „Zwischenzeit“? Die Antwort darauf kann jedenfalls nicht darin bestehen, daß wir sagen, die Auferstehung unseres Leibes sei letztlich ja gar nicht so wichtig; Hauptsache, unsere Seele lebe „irgendwie“ nach dem Tode weiter. Wenn es nur um die Unsterblichkeit unserer Seele ginge, hätte sich Christus Seine Auferstehung auch sparen können. Auch unsere Seele ist nicht von sich aus unsterblich; sie lebt nur darum weiter, weil Gott ihr ein neues Leben schenkt. Doch darüber hinaus gilt für uns: „Leiblichkeit ist das Ende aller Wege Gottes.“ (Friedrich Christoph Oetinger)

Die Antwort auf die Frage nach der „Zwischenzeit“ besteht vielmehr darin, daß die Kategorien von Raum und Zeit in der Welt Gottes eine ganz andere Rolle spielen werden als bei uns. Was uns hier noch zeitlich getrennt erscheint – unser Tod und die Auferstehung am Jüngsten Tag –, das ist aus der Sicht der Welt Gottes schon eins. Von daher erlaubt unser lutherisches Bekenntnis auf der einen Seite ausdrücklich das Gebet für die Toten; andererseits kann es auch davon sprechen, daß die Heiligen und Vollendeten vor dem Thron Gottes jetzt schon Fürbitte für uns leisten. Mit unseren zeitlichen Maßstäben können wir die neue Welt Gottes eben nicht fassen. Und dies gilt erst recht für die Dimension der Ewigkeit: Ewig heißt eben nicht „unendlich lang(weilig)“, sondern beschreibt den Zustand vollkommenen Glücks. Wenn wir bei einem wunderbaren Fest jegliches Gespür für die Zeit verlieren und nach etlichen Stunden ganz überrascht feststellen, wie spät es schon ist, haben wir einen kleinen Vorgeschmack dessen, was uns gleichsam in höchster Potenzierung dann einmal erwartet, wenn wir für immer mit Christus leben werden. Und darum brauchen wir als Christen eben auch keine Angst zu haben, wir könnten in unserem Leben wirklich etwas versäumen.