Neues Testament Teil II: Apostelgeschichte und die "großen" Paulusbriefe.

Neues Testament Teil II: Apostelgeschichte und die "großen" Paulusbriefe.

 

Nachdem im Neuen Testament zunächst in den vier Evangelien das Leben Jesu bis zu seiner Auferstehung geschildert wird, berichtet das Neue Testament im weiteren von den Anfängen der Kirche und dem Leben der ersten Christen. Dies geschieht zunächst in der Form eines Berichtes, der Apostelgeschichte, und im weiteren, in der Form von Briefen, die die Apostel und andere an ihre Gemeinden im ersten Jahrhundert geschrieben haben. Sowohl die Apostelgeschichte als auch die Briefe vermitteln uns so einen sehr lebendigen Eindruck von der Ausbreitung des Evangeliums in den ersten Jahrzehnten nach der Auferstehung Christi und vom Leben der ersten christlichen Gemeinden. Zugleich sind die Briefe auch Dokumente der ursprünglichen apostolischen Verkündigung, die auch für die Verkündigung der Kirche heute verbindlicher Maßstab bleibt.
 

1. Die Apostelgeschichte
 Die Apostelgeschichte stammt vom gleichen Verfasser wie das Lukasevangelium und ist dessen Fortsetzung; wie dieses ist sie einem gewissen Theophilus gewidmet. Die Apostelgeschichte berichtet zunächst von der Himmelfahrt Christi, der Nachwahl des Matthias als zwölften Apostel nach dem Selbstmord des Judas und dem Kommen des heiligen Geistes am Pfingsttag, der die Apostel dazu veranlasst, vor den zu diesem Fest nach Jerusalem gereisten jüdischen Pilgern zu predigen. Auf die Predigt des Petrus hin lassen sich 3000 Menschen taufen und bilden die erste christliche Gemeinde, zu deren Wesensmerkmalen das Hören auf die Lehre der Apostel, die Gemeinschaft, das Brotbrechen (= die Feier des heiligen Abendmahls) und das Gebet zählen (Apg 2,42). Die Verkündigung der Auferstehung Christi und die Heilung eines Gelähmten durch Petrus und Johannes bringen die Apostel in Konflikte mit dem Hohen Rat, dem es schließlich nicht gelingt, die Apostel zum Verstummen zu bringen. Die Antworten der Apostel haben bis heute ihre grundlegende Bedeutung behalten: „In keinem andern ist das Heil, auch ist kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, durch den wir sollen selig werden.“ (Apg 4,12) und: „Wir können’s ja nicht lassen, von dem zu reden, was wir gesehen und gehört haben.“ (Apg 4,20) Die Apostelgeschichte verschweigt auch Probleme in der ersten Gemeinde nicht: Ein Ehepaar, Hananias und Saphira, hinterzieht der Gemeinde Geld und stirbt daraufhin (Apg 5); bald darauf kommt es zu Konflikten zwischen dem hebräisch- und dem griechischsprachigen Teil der Gemeinde, der durch die Ordination von Amtsträgern für den griechischsprachigen Gemeindeteil durch die Apostel gelöst wird (Apg 6). Einer dieser Amtsträger ist Stephanus, der mit seiner Predigt von Christus den Zorn des Hohen Rates auf sich zieht und schließlich in einem Akt von Lynchjustiz gesteinigt wird – er ist der erste Märtyrer der christlichen Kirche (Apg 6 und 7). Im weiteren berichtet die Apostelgeschichte über die Ausbreitung der Botschaft über die Grenzen Judäas hinaus: Philippus, ebenfalls einer der in Apg 6 eingesetzten Amtsträger predigt das Evangelium in Samarien und sodann auch dem Finanzminister der äthiopischen Königin, der sich auf der Rückfahrt von einer Pilgerreise nach Jerusalem befand und sich auf die Predigt des Philippus hin taufen lässt (Apg 8). Ein entscheidender Wendepunkt in der Geschichte der Urkirche wird dann in Apg 9 beschrieben: Der auferstandene Christus erscheint vor Damaskus dem gefährlichsten Christenverfolger Saulus, mit römischem Namen Paulus, und ruft ihn in seinen Dienst. Nach anfänglicher Skepsis wird Paulus von den Aposteln und den ersten Gemeinden angenommen und widmet sich fortan mit großer Kraft der Ausbreitung des Evangeliums. Dabei wirkt er zunächst in Antiochien, einer im heutigen türkisch-syrischen Grenzgebiet gelegenen Stadt, die damals zu den größten Städten des römischen Reiches zählte. Dort gab die Umgebung den Christen zum ersten Mal den Namen „Christen“ (Apg 11,26). Ein weiterer Wendepunkt in der Geschichte der Urkirche folgt sodann in Apg 10: Auf einen Traum hin predigt Petrus im Haus des römischen (= heidnischen) Hauptmanns Kornelius und tauft ihn schließlich; damit überschreitet die erste Kirche endgültig die Grenzen des jüdischen Volkes in ihrer Mission hin zur Völkerwelt. Nach der Tötung des Apostels Jakobus und der Schilderung der Verhaftung und Befreiung des Petrus in Jerusalem konzentriert sich der Bericht der Apostelgeschichte ab Kapitel 13 ganz auf Paulus und sein Wirken: Paulus beginnt eine erste Missionsreise, die ihn von Antiochien aus über Zypern in das Gebiet der heutigen Südtürkei führt. Die Mission des Paulus unter den Nichtjuden führte dann bald zu einem innerchristlichen Konflikt über die Frage, ob Nichtjuden erst einmal Juden werden, d.h. die jüdischen Gesetze einhalten und sich damit auch beschneiden lassen müssten, bevor sie Christen werden könnten. Auf einer Apostelversammlung in Jerusalem wird dies zugunsten der Position des Paulus entschieden: Eine Beschneidung für Nichtjuden, die Christen werden, ist nicht nötig; doch sollen diese so genannten „Heidenchristen“ in Gemeinden, in denen sie mit Judenchristen zusammenleben, mit ihrem Verhalten Rücksicht nehmen (Apg 15). Anschließend bricht Paulus zu einer zweiten Missionsreise auf, die ihn über Kleinasien nach Griechenland (Philippi, Thessalonich, Athen und Korinth) führt, wo er in einer Reihe von Städten Gemeinden gründet. Auf einer dritten Missionsreise kommt Paulus nach Ephesus in der heutigen Westtürkei, wo er länger wirkt, und besucht anschließend noch einmal Griechenland, bevor er von Milet bei Ephesus aus wieder nach Jerusalem zurückkehrt. Dort in Jerusalem wird Paulus verhaftet und nach seiner Berufung auf sein jüdisches Bürgerrecht hin zunächst in Cäsarea gefangen gehalten. Schließlich appelliert Paulus an den römischen Kaiser und wird über Malta, wo er Schiffbruch erleidet, schließlich nach Rom, in die Hauptstadt, überführt: Damit erfüllt sich endgültig die Ankündigung Christi am Beginn der Apostelgeschichte: „Ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an das Ende der Erde.“ (Apg 1,8) Paulus bleibt in Rom unter Hausarrest; über sein Ende wird nichts berichtet. Vielmehr schließt die Apostelgeschichte mit den Worten: „Er predigte das Reich Gottes und lehrte von dem Herrn Jesus Christus mit allem Freimut ungehindert.“ (Apg 28,31)
 

2. Die Briefe
2.1. Der Römerbrief
Schon bevor Paulus in Jerusalem verhaftet wurde, hatte er vor, die Christen in Rom zu besuchen, die bereits vor seinem Wirken dort lebten und in verschiedenen Hausgemeinden organisiert waren. Um sich den Christen dort vorzustellen, schreibt Paulus ihnen im Frühjahr 56 aus Korinth einen Brief, in dem er ihnen einen grundlegenden Überblick über seine Verkündigung gibt. Besonderes Gewicht legt er dabei darauf, dass die Kirche, die durch die Verkündigung des Evangeliums entsteht, eine Kirche aus Juden und Heiden ist, deren Einheit in dem Glauben an den einen Gott begründet ist, der in Jesus Christus das Heil für Juden und Heiden geschaffen hat. Programmatisch formuliert der Apostel gleich zu Beginn: „Ich schäme mich des Evangeliums nicht; denn es ist eine Kraft Gottes, die selig macht alle, die daran glauben, die Juden zuerst und ebenso die Griechen. Denn darin wird offenbart die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, welche kommt aus Glauben in Glauben; wie geschrieben steht: Der Gerechte wird aus Glauben leben.“ (Röm 1,16+17) „Gerechtigkeit Gottes“ meint also Gottes Heil schaffendes Handeln in Jesus Christus, dem der Mensch nur durch Glauben entsprechen kann – also nicht dadurch, dass er selber etwas tut, sondern dass er sich dieses Heil von Gott schenken lässt. Paulus beschreibt sodann zunächst, dass alle Menschen aufgrund ihres Handelns unter dem Zorn Gottes stehen und kein Mensch durch das Halten der Gebote Gottes vor Gott bestehen kann. Doch Gott tut, was wir Menschen nicht vermögen: „Denn es ist hier kein Unterschied: sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten, und werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen ist. … So halten wir nun dafür, dass der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben.“ (Röm 3,22-24.28) Dadurch leben wir nun im Frieden mit Gott, „der die Gottlosen gerecht macht“ (Röm 4,5), und haben durch Christus das Leben. Dies bedeutet nicht, dass wir weiterleben könnten, als seien wir keine Christen: In der Taufe sind wir mit Christus gestorben und leben nun ein neues Leben in der Kraft des Geistes Gottes. Noch bedeutet dieses neue Leben einen Kampf mit dem „anderen Gesetz in meinen Gliedern, das widerstreitet dem Gesetz in meinem Gemüt“ (Röm 7,23); dennoch gilt auch jetzt schon für die Getauften: „So gibt es nun keine Verdammnis für die, die in Christus Jesus sind.“ (Röm 8,1) Dies gilt gerade auch dann, wenn unsere Lebenserfahrung dem widerspricht: „Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, denen, die nach seinem Ratschluss berufen sind.“ (Röm 8,28) Von daher darf ein Christ getröstet sprechen: „Ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn.“ (Röm 8,38+39) Im Folgenden beschäftigt sich Paulus dann mit einem großen Einwand: Wenn Gott seine rettende Gerechtigkeit für Juden und Heiden offenbart, warum lehnen dann so viele aus dem jüdischen Volk diese rettende Botschaft ab? Leidenschaftlich ringt Paulus mit dieser Frage: „Ich selber wünschte, verflucht und von Christus getrennt zu sein für meine Brüder, die meine Stammverwandten sind nach dem Fleisch“ (Röm 9,3). Auch Israel kann nur durch den Glauben an Christus gerettet werden, denn: „Christus ist des Gesetzes Ende; wer an den glaubt, der ist gerecht.“ Und doch kann Paulus am Ende der Kapitel 9-11 davon sprechen, dass einmal „ganz Israel gerettet“ werden wird (Röm 11,26): „Denn Gott hat alle eingeschlossen in den Unglauben, damit er sich aller erbarme.“ (Röm 11,32) In den Kapiteln 12-15 redet Paulus dann vom Leben der Christen in der Gemeinde und in ihrem Verhältnis zur staatlichen Obrigkeit. In der Gemeinde ist es ihm ein besonderes Anliegen, dass die „Starken“ in der Gemeinde auf die Schwachen im Glauben Rücksicht nehmen: „Darum nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob.“ (Röm 15,7) Das 16. Kapitel des Römerbriefes besteht aus langen Grußlisten und zeigt, wie intensiv die Kontakte unter den Christen auch über große Distanzen schon in den allerersten Jahren des Christentums waren.
 

2.2. Der 1. Korintherbrief
Paulus hatte in Korinth in den Jahren 50-52 gewirkt und die dort entstandene Gemeinde in ihrer ersten Zeit geleitet. Nachdem er von Korinth weiter gezogen war, hörte er von allen möglichen Problemen, die in der korinthischen Gemeinde im Weiteren aufgebrochen waren. Darauf antwortet er in seinem 1. Brief an die Korinther, der etwa im Jahr 55 entstanden ist:

Zunächst wendet sich Paulus gegen die Gruppenbildung, die in der dortigen Gemeinde entstanden ist: Anhänger des Gemeindeleiters Apollos, der auf Paulus folgte und wohl im Unterschied zu Paulus ein sehr guter Prediger war, wandten sich gegen Anhänger des Paulus und warfen diesem seine wenig mitreißende Art der Verkündigung vor. Dagegen betont Paulus, dass Menschen nicht durch eine besonders ansprechende oder eingängige Art der Verkündigung, sondern im Gegenteil durch die anstößige Predigt von dem gekreuzigten Christus zum Glauben kommen und selig werden: „Denn das Wort vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren werden; uns aber, die wir selig werden, ist’s eine Gotteskraft.“ (1. Kor 1,18) Dieses Wort hat Paulus „in Schwachheit und in Furcht und mit großem Zittern“ (1. Kor 2,3) verkündigt, und doch ist er gerade so der „Baumeister“ der Gemeinde geworden, deren Grund allein Jesus Christus ist (1. Kor 3,10-11). In einem zweiten Hauptteil geht Paulus auf sittliche Missstände in der Gemeinde ein (Unzucht mit der Stiefmutter, Prozessieren von Christen vor heidnischen Gerichten, Verkehr mit Prostituierten) (1. Kor 5-6).In einem dritten Hauptteil befasst sich Paulus mit Fragen der christlichen Lebensführung: mit der Frage von Ehe und Ehelosigkeit und der Frage, wie Christen sich verhalten sollen, wenn ihnen Essen angeboten wird, das zuvor heidnischen Göttern geopfert worden war (1. Kor 7-10). In einem vierten Teil behandelt Paulus Fragen des Gottesdienstes: das Verhalten von Männern und Frauen im Gottesdienst und Missbräuche bei der Feier des Heiligen Abendmahls (reiche Gemeindeglieder trafen sich bereits vor der Mahlfeier, aßen und betranken sich und feierten dann betrunken das Mahl des Herrn, während sie den Sklaven, die später von der Arbeit dazukamen, nicht einmal etwas zum Essen übrig ließen), die Paulus dazu veranlassen, noch einmal grundsätzlich zu entfalten, was die stiftungsgemäße Feier des Heiligen Abendmahls bedeutet, das er deutlich von irgendwelchen mitmenschlichen Gemeinschaftsmahlen unterschieden wissen will (1. Kor 11,17-34). Anschließend geht Paulus darauf ein, wie die Gemeindeglieder im Gottesdienst ihre geistlichen Gaben einbringen können. Dabei betont er, dass für eine Gemeinde nicht die spektakulären Gaben wie etwa das ekstatische Reden in unverständlichen Sprachen, sondern die Gaben die wichtigsten sind, die dem Aufbau der ganzen Gemeinde dienen. Das auch heute in bestimmten kirchlichen Kreisen besonders hochgeschätzte „Zungenreden“ bewertet der Apostel gerade als antimissionarisch und warnt entsprechend davor: „Wenn nun die ganze Gemeinde an einem Ort zusammenkäme und alle redeten in Zungen, es kämen aber Unkundige oder Ungläubige hinein, würden sie nicht sagen, ihr seid von Sinnen? „ (1. Kor 14,23). Dagegen stellt Paulus als die größte Gabe die Liebe heraus und entfaltet dies in seinem berühmten „Hohenlied der Liebe“ in 1. Kor 13. In einem letzten Hauptteil setzt sich Paulus in 1. Kor 15 schließlich mit denen auseinander, die eine zukünftige Auferstehung der Toten leugneten, weil sie meinten, sie seien jetzt schon auferstanden, und die Frage ihrer Leiblichkeit sei ohnehin unwichtig. Dagegen stellt Paulus das älteste erhaltene christliche Glaubensbekenntnis in 1. Kor 15,3-5 und eine ganze Liste von Zeugen, die die leibliche Auferstehung Christi bezeugen können, darunter auch er selber. Von daher gilt: „Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus, so sind wir die elendesten unter allen Menschen. Nun aber ist Christus auferstanden von den Toten als Erstling unter denen, die entschlafen sind.“ (1. Kor 15,19+20) Wie Christus werden auch wir einmal auferstehen und den Sieg über den Tod erringen. Der Brief schließt mit Anweisungen zu einer Kollekte für die Gemeinde in Jerusalem, die sich damals offenbar in großen Geldnöten befand, und geht zum Schluss über in die Liturgie zur Vorbereitung auf das Heilige Abendmahl.
 

2.3. Der 2. Korintherbrief
Nachdem Paulus seinen ersten Brief an die Korinther geschickt hatte, war er noch einmal persönlich aus Sorge um die Gemeinde zu einem kurzen Besuch nach Korinth gekommen, vermutlich von Ephesus aus. Dieser Besuch muss für Paulus sehr unerfreulich verlaufen sein: Er fand dort sittliche Missstände vor, gegen die die Gemeinde nichts unternehmen wollte; vor allem aber waren in der Zwischenzeit Wandermissionare in der Gemeinde aufgetreten, die die Autorität des Paulus in der Gemeinde untergraben hatten und sich selber als Apostel ausgaben und sich mit Wundertaten, Ekstasen und mitreißenden Reden zu legitimieren versuchten. Während des Aufenthalts des Paulus muss es für ihn zu hässlichen und kränkenden Auseinandersetzungen und Vorwürfen gegen ihn gekommen sein. Vor allem ein Gemeindeglied bestritt in sehr kränkender Weise den Anspruch des Paulus, ein Apostel zu sein, ohne dass der Rest der Gemeinde für Paulus Partei ergriff. Nachdem Paulus schließlich erfolglos Korinth verlassen hatte, schrieb er der Gemeinde einen „Tränenbrief“ (2. Kor 2,4), um sie doch noch zur Umkehr zu bewegen, und ließ der Gemeinde über Titus diesen Brief zukommen. Nach seiner Rückkehr aus Korinth berichtete Titus Paulus, dass der Brief seine Wirkung nicht verfehlt habe und die Gemeinde nun den Worten des Paulus gefolgt sei. Daraufhin verfasst Paulus den uns im Unterschied zum „Tränenbrief“ erhaltenen 2. Korintherbrief, aus dem die Freude und Erleichterung über den Gesinnungswandel der Korinther spricht. Vor allem in den letzten Kapiteln 2. Kor 10-13 schlägt Paulus jedoch wieder einen sehr viel ernsteren Ton an. Hatte er in der Zwischenzeit möglicherweise neue, negative Nachrichten aus Korinth erhalten, oder sind, wie manche Forscher vermuten, die Kapitel 10-13 sogar Teile des oben erwähnten „Tränenbriefs“, die an den ursprünglich kürzeren 2. Korintherbrief angefügt wurden? Wahrscheinlich lässt sich der Stimmungsumschwung in den Kapiteln auch ohne die Annahme, der 2. Korintherbriefe bestehe in Wirklichkeit aus mehreren Briefen, erklären.

Der 2. Korintherbrief ist der persönlichste Brief des Apostels überhaupt; nirgends sonst lässt der Apostel seine Leser so tief in sein Herz und sein eigenes Glaubensleben hineinblicken. Zentrales Thema des Briefes ist sein „Verständnis des Apostelsamtes als eines Leidensdienstes in der Nachfolge Jesu“ (Friedrich Lang). Dies betont Paulus im Gegenüber zu den in die Gemeinde eingedrungenen falschen Aposteln, die verkündigten, man könne und müsse die Wahrheit des Evangeliums an der Ausstrahlung und dem positiven Ergehen derer ablesen, die diese Botschaft verkündigten.

In den Kapiteln 1-7 blickt Paulus zunächst auf die Ereignisse der vergangenen Zeit nunmehr erleichtert zurück: Er erwähnt die Todesgefahr, in der er sich selber in der Zwischenzeit befunden hat, und versucht, Missverständnisse zu klären, die sich in der Zwischenzeit zwischen ihm und den Korinthern eingestellt hatten. Dabei beschreibt er immer wieder neu das Wesen seines Amtes als Apostel: Es ist ein Amt, durch das der lebendig machende Geist Gottes wirkt: Dies macht die Herrlichkeit seines Amtes aus, das zugleich aber ein Amt ist, das in die Leidensgemeinschaft mit Christus führt und den Apostel sich danach sehnen lässt, endlich „daheim zu sein bei dem Herrn.“ (2. Kor 5,8). Noch einmal setzt Paulus mit einer Beschreibung seines Apostelamts an: Er, Paulus, und die, die mit ihm den Dienst versehen, sind „Botschafter an Christi Statt, denn Gott ermahnt durch uns; so bitten wir nun an Christi Statt: Lasst euch versöhnen mit Gott!“ (2. Kor 5,20) Diese Botschaft bezeugt Paulus gerade auch durch sein Leiden: „als die Sterbenden und siehe, wir leben; als die Gezüchtigten, und doch nicht getötet; als die Traurigen, aber allezeit fröhlich, als die Armen, aber die doch viele reich machen; als die nichts haben,  und doch alles haben.“ (2. Kor 6,9-10).

Auf diesen langen Rückblick folgt ein zwei Kapitel umfassender Kollektenaufruf an die korinthische Gemeinde zugunsten der Gemeinde in Jerusalem (2. Kor 8-9); dieses Thema hatte Paulus ja bereits in seinem ersten Brief angesprochen. In diesem Kollektenaufruf finden sich auch die klassischen Worte des Paulus zu diesem Thema: „Wer da kärglich sät, der wird auch kärglich ernten; und wer da sät im Segen, der wird auch ernten im Segen. ein jeder, wie er’s sich im Herzen vorgenommen hat, nicht mit Unwillen oder aus Zwang; denn einen fröhlichen Geber hat Gott lieb.“ (2. Kor 9,6-7)In den Kapiteln 10-13 schließlich rechnet Paulus noch einmal sehr deutlich mit seinen Gegnern in der Gemeinde in Korinth, besonders den „Überaposteln“, wie er sie nennt, ab. An die Gemeinde richtet er den Vorwurf: „wenn einer zu euch kommt und einen andern Jesus predigt, den wir nicht gepredigt haben, oder ihr einen andern Geist empfangt, den ihr nicht empfangen habt, oder ein anderes Evangelium, das ihr nicht angenommen habt, so ertragt ihr das recht gern!“ (2. Kor 11,4) In diesem Zusammenhang spricht Paulus die tiefe Warnung aus: „Er selbst, der Satan, verstellt sich in einen Engel des Lichts.“ (2. Kor 11,14) Daraufhin folgt der längste und persönlichste „Leidenskatalog“, den Paulus im 2. Korintherbrief auflistet und der ein erschütterndes Zeugnis über die persönlichen Erfahrungen des Paulus in seinem Dienst als Apostel darstellt (2. Kor 11,16-33). Gegenüber dem Anspruch der „Superapostel“, besondere geistliche Erfahrungen gemacht zu haben, erwähnt Paulus ebenfalls Entrückungserfahrungen, die er gemacht hat, derer er sich aber gerade nicht rühmen will. Rühmenswert an ihm ist allein seine – gerade auch körperliche – Schwachheit, die Christus ihm mit den Worten zugemessen hat: „Lass dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.“ (2. Kor 12,9) Der Brief schließt mit der Ankündigung eines weiteren Besuchs des Apostels, von dem Paulus bereits weiß: „Wenn ich noch einmal komme, dann will ich euch nicht schonen.“ (2. Kor 13,2) Dabei geht es jedoch keinesfalls um die persönliche Profilierung des Apostels. Vielmehr beschreibt er so seinen Wunsch und sein Ziel: „Wir bitten aber Gott, dass ihr nichts Böses tut; nicht damit wir als tüchtig angesehen werden, sondern damit ihr das Gute tut und wir wie die Untüchtigen seien.“ (2. Kor 13,7) In der Apostelgeschichte wird erwähnt, dass Paulus von Ephesus aus noch einmal für drei Monate nach Griechenland, vermutlich nach Korinth, zurückgekehrt ist (Apg 20,2+3), von wo aus er dann wohl auch den Römerbrief geschrieben hat. Alle Indizien sprechen dafür, dass dieser Besuch des Paulus erfolgreich verlaufen ist.