22.02.2015 | St. Matthäus 4,1-11 | Invokavit
Pfr. Dr. Gottfried Martens
Es ist nicht unbedingt jedermanns Geschmack, sich im Fernsehen Kämpfe von Boxern oder Catchern anzuschauen. Manche stößt es eher ab, wenn sie sich anschauen sollten, wie da zwei Menschen aufeinander losgehen und sich unter den Augen eines johlenden Publikums bekämpfen.
Doch selbst wenn ihr es ansonsten nicht gerne mögt, euch Kämpfe irgendwelcher Art anzuschauen: Den Kampf, um den es heute in dieser Predigt geht, müsst ihr euch unbedingt angucken. Da dürft ihr nicht wegschauen, denn hier geht es nicht bloß um ein mehr oder weniger billiges Vergnügen, um ein bisschen Spaß und Show. Hier geht es um nicht weniger als um das Geschick der ganzen Welt, geht es um nicht weniger als auch um deine und meine Rettung. Ja, von dem Ausgang dieses Kampfes hängt alles, wirklich alles ab, deine Zukunft, dein Leben.
Da herrscht Alarmstufe Rot in der Hölle: Jesus, der Sohn Gottes, hat sich auf den Weg gemacht, für die Menschen am Kreuz zu sterben. Das wäre der Mega-GAU für den Teufel schlechthin, und so versucht er alles, um Jesus an diesem Weg zu hindern. Klug, wie er zu sein scheint, versucht er, Jesus gerade dann zu einem Kampf zu nötigen, als der besonders schwach zu sein scheint: nach 40 Tagen Fasten. Geschickt geht er vor, spricht Jesus auf seinen Hunger an, versucht, ihn dazu zu bewegen, sich nicht länger auf seinen Weg ans Kreuz vorzubereiten, sondern stattdessen die Vorteile auszunutzen, die man sich als Sohn Gottes so verschaffen kann, inklusive kulinarischer Selbstbedienung selbst mitten in der Wüste. Doch die Taktik des Teufels geht nicht auf: Das Fasten hat Jesus nicht schwächer, sondern stärker gemacht: Und so erkennt er, was wichtiger für ihn, was wichtiger für einen jeden Menschen ist als allein die Befriedigung seiner leiblichen Bedürfnisse: aus Gottes Wort zu leben, sich von ihm stärken, an ihm sein Leben ausrichten zu lassen. Die erste Runde geht klar an Jesus.
Dann kommt die zweite Runde: Der Teufel versucht auf die nächste Weise, Jesus dazu zu bewegen, seinen Weg ans Kreuz nicht weiterzugehen: Wozu soll er sich denn noch kreuzigen lassen, wenn er auf ganz andere Weise große Menschenmassen sammeln, große Begeisterung bei den Menschen für ihn, für seine Person erzeugen kann: Ein freier Flug von der obersten Ecke der Tempelmauer nach unten, den Zuschauern stockt der Atem – und im letzten Augenblick kommen ein paar Engel angeflogen und fangen ihn auf. Die Leute würden ihm zujubeln noch und noch, würden ihm zu Füßen fallen und ihn anbeten. Wozu da noch dieser lästige, schmerzliche Weg ans Kreuz? Und der Teufel begnügt sich ja nicht nur mit ganz vernünftigen, einleuchtenden Argumenten – er hat ja noch ein viel besseres auf Lager: Die Bibel, Gottes Wort. Da muss Jesus doch mitmachen, wenn der Teufel die Bibel zitiert, wenn er mit Nachdruck feststellt: „Es steht geschrieben“. „Das Wort sie sollen lassen stahn“, so haben wir es eben auch wieder gesungen. War der Teufel also vielleicht doch ein ganz guter Lutheraner? Doch so naiv ist Jesus nicht, dass er glaubt, jedes Zitat aus der Bibel sei sofort eine Handlungsanweisung auch für ihn. Aber er weiß auch: Gegen solch einen Missbrauch der Heiligen Schrift kann man sich nur so wehren, dass man seinerseits die Heilige Schrift zitiert, sie recht gebraucht, den Missbrauch als Missbrauch entlarvt – und in der Tat: So endet auch die zweite Runde mit einem eindeutigen Punktsieg für Jesus: Wieder gelingt es dem Teufel nicht, Jesus von seinem Weg ans Kreuz abzuhalten.
Und dann unternimmt der Teufel noch einen dritten Versuch: Wozu muss Jesus noch ans Kreuz gehen, wenn er auch ohne Kreuz Herr der ganzen Welt und all ihrer Reiche werden kann? Eine kurze gymnastische Übung – und er bekommt die Weltherrschaft ganz schmerzfrei. Was ist schon das bisschen Teufelsanbetung gegen die Belohnung, die einen dafür erwartet? Doch Jesus wehrt auch diesen dritten Versuch des Teufels ab, diesmal mit besonderem Nachdruck – und doch mit der immer gleichen Waffe: dem Wort Gottes. Dieses entlarvt die scheinbar so einleuchtende Argumentation des Teufels als das, was sie in Wirklichkeit ist: eben als satanisch.
Ja, eindeutig verliert der Teufel den Kampf mit Jesus hier – und doch ist diese Niederlage nur der Auftakt zu dem eigentlichen Desaster, das der Teufel bald darauf erleidet, als Jesus für die Schuld der ganzen Welt am Kreuz stirbt. Da erst vollendet sich die Niederlage, von der das heutige Evangelium zu berichten weiß: Ja, er, der Teufel, hat es nicht geschafft, Jesus vom Kreuz fernzuhalten.
Doch der Teufel gibt nicht auf: Wenn er es schon nicht geschafft hat, Jesus vom Gang ans Kreuz abzuhalten, will er nun doch wenigstens versuchen, dass dies am Ende möglichst wenig Menschen zugutekommt. Und so führt er genau denselben Kampf, den er einst mit Jesus geführt hat, nun heute mit der Kirche Jesu Christi weiter, immer nur mit dem einen Ziel: Dass die Menschen, die zu ihr gehören, die sie erreichen will, nichts von dem Kreuz Christi erfahren.
Und da hat der Teufel auch heute noch so viele gute Ansatzpunkte: Es gibt doch so viel Not unter den Menschen heutzutage; da muss sich die Kirche doch darauf konzentrieren, den Menschen in der Not zu helfen, Hungernde zu speisen, Flüchtlinge zu unterstützen, sich für Gerechtigkeit einzusetzen. Damit hat sie doch allemal genug zu tun. Wenn man der Bibel ein paar moralische Appelle entnehmen kann, dann ist das gut – aber vom Evangelium brauchen die Leute doch wirklich nicht noch mehr zu erfahren. Und siehe da: Diese Taktik des Teufels ist durchaus effektiv. Immer wieder schafft er es, die Kirche ihre eigentliche Aufgabe vergessen zu lassen, sie nur noch dazu zu bewegen, Aktionen zu veranstalten, die die Wünsche und Bedürfnisse der Menschen befriedigen – ob nun im sozialen oder im kulturellen Bereich. Doch wo die Kirche nicht zuerst und vor allem den gekreuzigten Christus verkündigt, sondern ihn irgendwo in eine Ecke packt, da verzeichnet der Teufel Geländegewinne, Punktgewinne in dem Kampf, von dem die Kirche mitunter gar vergessen mag, dass sie sich überhaupt in ihm befindet.
Und dann hat der Teufel gleich noch eine zweite wunderbare Taktik auf Lager: Er versucht, den Menschen in der Kirche einzureden, nur das Sensationelle, nur das Spektakuläre, nur große Gefühle, nur große Erfolge würden im Leben eines Christen, im Leben der Kirche zählen. Ja, er versucht, ihnen einzureden, dass etwas in ihrem Leben falsch läuft, wenn sie nicht immer Erfolg haben, wenn sie sich nicht immer glücklich fühlen. Und siehe da, auch mit dieser Taktik verzeichnet der Teufel Erfolge, lässt Menschen nicht mehr hinhören auf das so wenig sensationelle Wort vom Kreuz, lässt sie nach Größerem, nach Besserem suchen als nach der Botschaft, dass er, Christus, für uns am Kreuz gestorben ist. Ja, was für Punktgewinne verzeichnet er da auch heute, wenn er Menschen dazu verführt zu glauben, man könne an seinem Ergehen im Leben ablesen, ob es sich lohnt, Christ zu sein!
Und dann kommt der Teufel schließlich mit seiner dritten, mitunter scheinbar besten Waffe: Verbünde dich mit den Mächtigen, versuche als Kirche, deine Macht und deinen Einfluss in der Gesellschaft zu sichern, so gut du kannst. Wenn du nicht groß und mächtig bist als Kirche, dann hast du am Ende nichts zu sagen, dann bist du eigentlich gar keine richtige Kirche. Im Verbund mit denen in der Gesellschaft, die wirklich etwas zu sagen haben, kann man doch christliche Werte viel besser verbreiten. Da muss man schon einmal den einen oder anderen Kompromiss eingehen. Oder glaubt jemand ernsthaft, mit der Botschaft von dem gekreuzigten Christus könnte man heute noch irgendwelche Leute hinter dem Ofen herlocken? Ja, auch diese Taktik des Teufels geht immer wieder auf, erweist sich als sehr effektiv und erfolgreich.
Steht es also im Kampf zwischen Christus und dem Teufel nun nach 2000 Jahre 1:1 unentschieden? O nein, das steht es nicht. Was St. Matthäus uns hier berichtet, ist und bleibt der entscheidende Sieg, den Christus über den Teufel errungen hat, ein Sieg, den der Teufel nicht mehr rückgängig machen kann. Nein, die Kirche kämpft ja nicht allein. Sie hat doch ihn, den Sieger über den Teufel, immer wieder in ihrer Mitte. Und wenn es auch immer wieder vorkommen mag, dass hier und da die Kirche vergisst, wovon sie eigentlich lebt: Das Wort vom Kreuz entfaltet seine Kraft immer wieder, lässt Menschen immer wieder aus dieser Kraft leben, die wir noch nötiger brauchen als das tägliche Brot. Ja, wo die Kirche das Wort vom Kreuz nicht vergisst, wo sie ihn, den gekreuzigten Herrn, verkündigt, aus seinem Wort lebt, da erleidet der Teufel auch heute noch eine Niederlage nach der anderen, kommt nicht dagegen an, was dieses Wort in den Herzen von Menschen zu bewirken vermag.
Und wenn es auch immer wieder vorkommen mag, dass Menschen statt des Wortes vom Kreuz ein weichgespültes Wohlfühlevangelium verkündigt wird und Menschen auf ihre eigenen Gefühle und Erlebnisse statt auf Christus verwiesen werden: Die ganz nüchterne Verkündigung des gekreuzigten Christus kommt eben doch immer wieder an ihr Ziel, wirkt immer wieder Glauben und schenkt Heil und Rettung.
Und auch wenn Kirchen immer wieder in der Gefahr stehen mögen, sich mit den Mächtigen dieser Welt zu verbünden und so ihre Ziele durchzusetzen: Gerade da, wo die Kirche von den Mächtigen verfolgt wird, wo sie schikaniert und unterdrückt wird, wo sie lebt in der Kreuzesnachfolge ihres Herrn, da wächst sie immer weiter. Und gerade da, wo Diener des Satans Christen den Kopf abschneiden, wie unlängst wieder in Libyen geschehen, wird auch das Blut dieser Märtyrer wieder neu zum Samen der Kirche werden, wird der Teufel gerade da am Ende verlieren, wo er im Augenblick im Namen Allahs zu triumphieren scheint.
Nein, der Ausgang des Kampfes ist nicht mehr offen. Schon heute dürfen wir ihn feiern, ihn, Christus, unseren Herrn, der für uns den Kampf gewonnen hat, in dem wir von uns aus keine Chance hätten zu bestehen. Und mag der Teufel noch so um sich schlagen – er ist und bleibt der Verlierer. Vor dem Kreuz Christi muss er am Ende doch kapitulieren – ja, auch im Iran und in Afghanistan. Amen.