18.02.2015 | St. Matthäus 6,16-21 | Aschermittwoch
Pfr. Dr. Gottfried Martens
Zu den fünf Säulen des Islam, die zu beachten ein jeder Muslim gehalten ist, gehört auch das Fasten: Im Monat Ramadan, dem neunten Monat des islamischen Mondkalenders, darf ein frommer Muslim vom Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang keine Speise und keinen Trank zu sich nehmen, nicht rauchen und sich auch ansonsten bestimmten leiblichen Vergnügungen nicht hingeben. In Gesellschaften, in denen der Islam die Mehrheitsreligion ist – sei es nun ein Land oder auch nur ein Asylbewerberheim – wird die Einhaltung dieser Regel des Islam streng kontrolliert; Verstöße werden entsprechend sanktioniert. Viele von denen, die zu unserer Gemeinde gehören, können davon so einiges aus ihrer eigenen Erfahrung berichten.
Heute beginnt für uns Christen die Fastenzeit. Gewiss, sie liegt nicht parallel zum Fastenmonat Ramadan – aber ist das Fasten vielleicht doch eine Brücke, die den Islam und das Christentum miteinander verbindet, ja, können wir vielleicht in einigen Jahren, wenn der Ramadan in derselben Zeit wie die christliche Fastenzeit liegt, das Fasten gemeinsam miteinander halten?
Nein, das können wir nicht, so macht es uns Christus, unser Herr, im Heiligen Evangelium des heutigen Aschermittwochs deutlich. Das Fasten ist eben keine Brücke zwischen Islam und Christentum, sondern das christliche Fasten hat mit dem islamischen Fasten herzlich wenig zu tun, wenn man einmal davon absieht, dass Mohammad seine Idee, das Fasten als religiöse Pflicht einzuführen, aus seiner Kenntnis der christlichen Praxis übernommen haben dürfte.
Warum ist das christliche Fasten etwas ganz Anderes als die Einhaltung des Ramadan? Christus gibt darauf hier im Heiligen Evangelium gleich mehrere ganz wichtige Antworten:
Zunächst einmal erklärt Christus hier das Fasten nicht zu einer religiösen Pflicht, geschweige denn, dass er irgendwelche Gesetze zur praktischen Gestaltung des Fastens für Christen einführen würde. „Wenn ihr fastet ...“ – so beginnt Jesus seine Rede hier. Wenn ihr fastet – ja, Jesus setzt schon voraus, dass auch seine Jünger, dass auch die, die an ihn glauben, fasten. Aber er befiehlt es nicht, sagt nicht, worin dieses Fasten denn nun genau bestehen soll. Wenn du fastest – ja, du hast die Freiheit, nicht zu fasten, ganz klar. Aber wenn Christus das Fasten ausdrücklich thematisiert, dann tun wir gut daran, ernsthaft darüber nachzudenken, wie auch wir das Fasten in unserem Leben als Christen gestalten können.
Ein zweites macht Christus hier deutlich: Das Fasten der Christen sollte nicht irgendeiner sozialen Kontrolle unterliegen: Wenn wir als Christen fasten, dann geht das die anderen erst einmal gar nichts an. Es ist nicht unsere Aufgabe als Christen, zu schauen, ob der Bruder oder die Schwester in der Gemeinde fastet, geschweige denn, dass wir ihm dann die Scharia- Polizei auf den Hals hetzen könnten. Wenn Christen fasten, kann es sehr wohl sein, dass die anderen davon überhaupt nichts mitbekommen. Und das ist dann auch gut so.
Und damit sind wir schon beim Nächsten, was uns Christus hier deutlich macht: Wir fasten als Christen nicht, um damit ein gutes Werk zu tun, geschweige denn uns damit einen Platz im Himmel zu verdienen. Genau darum geht es ja immer wieder im islamischen Fasten, dass man fasten muss, wenn man denn eine Chance haben will, am Ende nicht in der Hölle zu landen. Mit meinem Fasten kann ich mir Pluspunkte verdienen, die ich einmal dringend brauchen werde, auch um die eine oder andere Sünde, die ich im Leben begangen habe, auszugleichen.
Wie ganz anders sieht dagegen christliches Fasten aus: Es ist, so zeigt es uns Christus hier, ein fröhliches Fasten, ein Fasten, bei dem wir uns so verhalten sollen wie einer, der zu einem fröhlichen Fest geht. Ja, das christliche Fasten ist ein fröhliches Fasten, weil es uns immer wieder neu daran erinnert, dass wir nichts tun müssen, um in den Himmel zu kommen, weil es uns immer wieder daran erinnert, dass Christus, unser Herr, auf weit mehr verzichtet hat als auf Rauchen und als auf Schokolade, dass er sein Leben für uns am Kreuz in den Tod gegeben hat, damit wir bei Gott keine Pluspunkte mehr sammeln müssen, damit unser ganzes Leben als Christen ein Fest der Freiheit sein darf, ein Fest ohne Angst davor, in der Hölle zu landen, wenn wir nicht genügend für Gott tun.
Nein, wir brauchen beim Fasten nicht auf Lohn zu schielen, so macht es uns Christus hier sehr eindrücklich deutlich. Es geht beim Fasten nicht darum, was uns dieses Fasten bringt. Gewiss, das Fasten kann den einen oder anderen Kollateralvorteil mit sich bringen, wenn es mir etwa in dieser Zeit endlich gelingt, mit dem Rauchen aufzuhören, oder wenn ich in dieser Zeit das eine oder andere überflüssige Pfund loswerde. Aber wenn ich faste nur um meinetwillen, um des Vorteils willen, den ich davon habe, wenn ich nur faste um meiner Selbsterfahrung willen, dann habe ich, mit Christus zu sprechen, meinen Lohn schon dahin, dann hat mir das Fasten zwar auch was gebracht, aber dann habe ich doch aus dem Auge verloren, worum es im Fasten eigentlich geht: nämlich um mein Verhältnis zu Gott, um meine Freude darüber, ihn als Vater zu haben, der mich bedingungslos liebt.
Fasten hat also zunächst und vor allem mit meinem Herzen zu tun, so betont es Christus hier. Es geht darum, dass wir die Fastenzeit zum Anlass nehmen, unser Herz wieder neu ganz auf Christus auszurichten, uns wieder neu darauf zu besinnen, was eigentlich der Schatz unseres Lebens ist, was die Nummer eins in unserem Leben, an der unser Herz hängt. Und da spricht Christus nun nicht unbedingt als erstes das Thema „Schokolade“ oder „Zigaretten“ an, sondern das Thema „Geld“ und „Besitz“. Wie sehr unser Herz daran hängt, wird schon allein daran deutlich, wie empfindlich Menschen auch in einer christlichen Gemeinde darauf reagieren, wenn dieses Thema in der Kirche angesprochen wird. Das möchten viele nicht hören, möchten nicht darauf angesprochen werden, dass zum christlichen Glauben eben auch dies gehört, ganz bewusst loszulassen, woran unser Herz sich allzu schnell klammern könnte. Ja, so fragt uns Christus hier, geben wir in unserem Leben nur das ab, was wir ohnehin übrig haben, oder geben wir tatsächlich auch von dem ab, woran unser Herz hängt? Ist uns das überhaupt bewusst, dass auch und gerade unser Umgang mit Geld und Besitz sehr direkt mit unserem Glauben zu tun hat, damit, welche Bedeutung Christus für uns in unserem Leben hat? Nein, es geht nicht nur um die Kollekte des heutigen Abends, auch wenn wir bei der sicher auch schon mal das Loslassen einüben können. Es geht schon um die Ausrichtung unseres ganzen Lebens. Es geht dann auch darum, was wir von dem loslassen, was uns daran hindert, der Einladung unseres Herrn zum Gottesdienst zu folgen, was wir auch ansonsten von dem loslassen, was uns zu unfreien Menschen macht, was wir loslassen an schlechten Gewohnheiten, ja, auch an Unversöhnlichkeit.
Nein, das schaffen wir nicht aus eigener Kraft, das wird immer wieder nur so gelingen können, dass wir uns an unsere Heilige Taufe erinnern, an den Schatz, der uns dort geschenkt worden ist: Was sind alle Schätze nütze, da ich einen Schatz besitze, der mir alles Heil gebracht und mich ewig selig macht. Fastenzeit ist Zeit des Taufgedenkens; darum beten wir in dieser Zeit sonntags auch immer wieder das Taufbekenntnis der Kirche als Glaubensbekenntnis. Gott geb’s, dass wir alle miteinander in diesen kommenden Wochen immer wieder die Erfahrung machen, was für eine Kraft unsere Heilige Taufe in sich birgt. Ja, Gott geb’s, dass unser Fasten darum immer wieder zuerst und vor allem hier am Altar beginnt, dort, wo wir ganz gewiss an einem Punkt nicht fasten sollten: beim Empfang des Leibes und Blutes unseres Herrn. Amen.