20.04.2014 | 1. Korinther 15,19-28 | Heiliges Osterfest
Pfr. Dr. Gottfried Martens

Stellt euch vor, man würde im Heiligen Land die sterblichen Überreste von Jesus finden, gut versteckt, nicht weit entfernt von einem Grab, daneben einen Brief des Apostels Petrus, in dem er zugibt, den Leichnam Jesu in der Nacht nach seinem Begräbnis aus dem Grab geschafft und ein Stück weiter versteckt zu haben. Wie würdet ihr darauf reagieren?

Den Betreibern der Ostermärkte hier in Berlin, den Kaufhäusern und den allermeisten Familien in unserer Stadt wäre diese Nachricht wohl ziemlich egal. Das Ostern, das sie feiern und anbieten, hat mit der Auferstehung von Jesus ohnehin längst nichts mehr zu tun. Es ist ein Frühlingsfest, das man praktischerweise in die Ferien legt, für die das christliche Osterfest früher einmal der Anlass gewesen war. Doch Schokoladenosterhasen den Kopf abbeißen und im Garten bunte Ostereier suchen kann ich auch, wenn der Leichnam Jesu irgendwo ein paar hundert Meter von seinem Grab entfernt verwest sein sollte und die christliche Osterbotschaft nur ein Trick seiner Jünger oder das Ergebnis von irgendwelchen Halluzinationen der Jünger war.

Wenn Jesus in Wirklichkeit gar nicht auferstanden wäre, dann wäre dies, so muss man leider feststellen, auch vielen Pastoren hier in unserer Stadt Berlin ziemlich egal. Sie müssen heute Morgen auf der Kanzel stehen und eine Botschaft verkündigen, die sie letztlich selber nicht glauben, müssen versuchen, die christliche Osterbotschaft auf Schrebergartenformat herunterzuschrumpfen, als Mutmachgeschichte, dass man in seinem Leben die Hoffnung nie aufgeben sollte, ja, dass man sich in seinem Leben nicht alles gefallen lassen sollte. Dass Jesus in Wirklichkeit nicht auferstanden ist, das ist diesen Pastoren ohnehin schon klar – also würde sie auch der Fund der Knochen Jesu nicht daran hindern, trotzdem ihren Job als Pastoren weiter zu betreiben.

Mit Leuten, denen es zumindest einigermaßen egal war, ob Jesus tatsächlich auferstanden ist, hatte auch der Apostel Paulus damals schon in Korinth zu tun: Ihnen ging es nur darum, dass ihr Inneres, ihr Geistiges schon längst auferstanden war, schon längst alles Irdische, Materielle hinter sich gelassen hatte. Dass Jesus tatsächlich leibhaftig auferstanden sein könnte, das passte so gar nicht in ihr Denken: Der sollte doch froh sein, dass er seinen Leib mit seinem Tod endgültig losgeworden war!

Doch der heilige Paulus, der sieht die Dinge hier in unserer Predigtlesung ganz anders. Der sagt nicht: Ist ja nicht so wichtig, ob Jesus wirklich auferstanden ist; wir können auch so immer noch genügend Spaß miteinander in der Kirche haben! Im Gegenteil: Ganz drastisch formuliert er es hier zu Beginn unserer Predigtlesung: „Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus, so sind wir die elendesten unter allen Menschen.“ Wenn Jesus nicht auferstanden wäre, dann hätte er, Paulus, es sich ersparen können, quer durch das ganze Mittelmeergebiet zu reisen, sich dafür anfeinden, auspeitschen, ins Gefängnis werfen zu lassen. Wenn Jesus nicht auferstanden wäre, dann wären all diejenigen unter uns saudumm, die im Iran oder in Afghanistan für den Glauben an diesen auferstandenen Christus ihr Leben, ihre Freiheit riskiert haben, ja, schließlich alles aufgegeben hatten, was sie besaßen. Ja, wozu das alles, wenn Jesus in Wirklichkeit mausetot wäre und bliebe? Ja, wenn Jesus nicht auferstanden wäre, dann würde ich sofort von der Kanzel heruntersteigen, würde die Kerzen hier am Altar ausblasen und euch nach Hause schicken, würde euch sagen, dass ihr auch nicht mehr hierher zurückzukommen braucht. Auch wenn das persische Mittagessen immer wieder sehr lecker ist – dafür allein brauchen wir uns hier am Sonntag nun wirklich nicht zu treffen.

Doch Schluss jetzt – wir brauchen uns keine Gedanken darüber zu machen, was wäre, wenn. Der, dessen Worte wir eben in der Predigtlesung vernommen haben, ist selber ein Augen- und Ohrenzeuge dafür, dass man die Knochen von Jesus nie irgendwo finden wird, ob nun innerhalb oder außerhalb eines Grabes. Der Paulus hat sich nun wirklich nicht gewünscht, dass Jesus auferstanden ist oder dass die Leute behaupten, dass Jesus auferstanden ist. Alles tat er, um diese Botschaft zum Schweigen zu bringen – bis ihm der auferstandene Christus selber begegnete und ihn erkennen ließ: Du bist blind gewesen für die wichtigste Wahrheit deines Lebens, für die wichtigste Geschichte der Menschheit überhaupt: Er, Jesus Christus, ist auferstanden, hat den Tod besiegt, ist nicht im Grab verwest, sondern hat Grab, Tod, Verwesung endgültig hinter sich gelassen.

Nein, Paulus stellt hier nicht eine steile theologische These auf, sondern er berichtet von dem, was er selber erfahren hat, nein, nicht er allein, sondern so viele andere auch, die ihn, Christus, nach seiner Auferstehung gesehen haben, gehört haben, angefasst haben: „Nun aber ist Christus auferstanden!“ Jawohl, der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden!

Doch wenn es bei der Auferstehung Jesu tatsächlich nur um ihn, Jesus, persönlich gegangen wäre, wenn seine Auferstehung nur sein persönliches Privatvergnügen gewesen wäre, dann bräuchten wir heute Morgen hier auch nicht zusammenzukommen, dann hätten wir uns auch all die Taufen zu Beginn dieses Gottesdienstes sparen können; dann sollten wir uns lieber den Magen mit Schokoladenostereiern vollstopfen und uns überlegen, wie wir uns in den paar Jahren, die uns hier auf der Erde bleiben, noch am besten amüsieren können.

Doch die Auferstehung Jesu war eben nicht sein Privatvergnügen, so betont es der Apostel Paulus hier: Er ist auferstanden „als Erstling unter denen, die entschlafen sind“, schreibt Paulus hier. Ja, das wurde dem Paulus sofort klar, als er den auferstandenen Christus damals sah: Da hat Christus etwas in Bewegung gesetzt, das dich und mich, das letztlich alle Menschen betrifft. Denn so unterschiedlich wir auch sein mögen: Wir haben ein Problem alle miteinander gemeinsam. Und dieses Problem ist unser Tod, der unserm Leben unerbittlich ein Ende setzt und gegen den wir einfach nicht ankommen. Als „Feind“ bezeichnet Paulus hier den Tod, und damit trifft er den Nagel auf den Kopf. Wir machen uns etwas vor, wenn wir behaupten, unser Tod sei ja etwas ganz Natürliches, etwas, was nun einmal zum Leben mit dazugehört. Sobald wir mit dem Sterben und Tod geliebter Menschen, sobald wir mit unserem eigenen Tod, mit unserem eigenen Lebensende konfrontiert werden, merken wir, dass wir uns mit solchen Behauptungen etwas in die Tasche lügen. Ja, elend ist unser Leben, wenn wir tatsächlich keine Hoffnung haben, die über den Tod hinausreicht. Wir mögen das noch so verdrängen, mögen noch so viel Anderes in unser Leben hineinzupacken versuchen – wenn mit dem Tod alles aus ist, dann machen wir uns etwas vor, wenn wir versuchen, unserem Leben irgendeinen tieferen Sinn zu geben.

Doch nun feiern wir heute Ostern, haben allen Grund dazu, Ostern zu feiern, so macht es uns der heilige Paulus hier deutlich. Wir feiern, dass Christus diesen Feind besiegt hat und ihn schließlich auch einmal endgültig vernichten wird. Gewiss, noch gibt es ihn, den Tod, noch bleibt er auch uns nicht erspart. Noch stehen wir an Sterbebetten und Gräbern und mögen uns dabei immer wieder auch sehr hilflos vorkommen. Und doch hat der Tod für uns seinen Schrecken verloren, seit Christus am Ostermorgen sein Grab verlassen hat, seit er in die Mauer des Todes eine Bresche geschlagen hat, die nie mehr geschlossen, nie mehr ausgebessert werden wird. Christus ist schon durch diese Bresche hindurch – und wir, wir werden ihm, dem Erstling, folgen. Ja, alle die werden ihm folgen, die ihm, Christus, angehören, die in ihm sind, in ihm leben, so formuliert es Paulus hier. Genau das und nichts Anderes ist heute Morgen hier in der heiligen Taufe passiert: Da sind acht Menschen mit Christus verbunden worden, gehören ihm an, haben nun Anteil an seinem Leben, haben seine Zusage, dass er auch sie durch die Lücke in der Mauer des Todes ins Leben der Auferstehung ziehen wird. Und was für unsere acht Täuflinge gilt, das gilt für euch alle, die ihr getauft seid, die ihr Christus angehört: Ihr werdet mit Christus in der Welt leben, in der es einmal endgültig keinen Tod, kein Leid, keine Abschiebung mehr geben wird.

Nein, wir feiern heute Morgen hier kein Ostern im Schrebergartenformat – wir feiern das wichtigste Ereignis der Weltgeschichte, ein Ereignis von geradezu kosmischen Dimensionen: Die Auferstehung Jesu war nicht weniger als gleichsam der Urknall für Gottes neue Welt, ein Ereignis, das schließlich einmal Auswirkungen auf das ganze Weltall haben wird.

Und du – du darfst Anteil haben an diesem Ereignis, an diesem Geschehen, darfst diesem auferstandenen Herrn immer wieder ganz nahe kommen, darfst mit ihm verbunden, mit ihm eins werden, dass auch du in ihm lebst und er in dir. Ja, um nicht weniger geht es gleich wieder bei der Feier des Heiligen Mahles. Da kommt er zu dir, nimmt in dir Wohnung, er, der einmal den Tod endgültig vernichten wird. Und wenn du auch jetzt oftmals so verzweifelt in deinem Asylbewerberheim sitzt, weil du nicht weißt, wie es mit dir weitergeht, ob du in ein anderes Land abgeschoben wirst, ob du in diesem Land hier jemals Fuß fassen wirst: Dein Leben hat eine Zukunft, sogar eine ewige Zukunft. Und der, der dir diese ewige Zukunft schenkt, der lässt dich nicht allein. Löse dich nur ja nicht aus der Verbindung mit ihm, feiere Ostern, feiere jeden Sonntag überhaupt nicht ohne ihn, Christus, den Auferstandenen. Er will dir den Blick schenken, der weiter reicht, weit selbst noch über dein Grab hinaus. Denn was am Ostermorgen geschehen ist, wird nie mehr rückgängig gemacht werden können. Vor dir liegt nicht mehr das Dunkel; vor dir liegt das Licht des neuen, des ewigen Lebens, das dein Leben schon jetzt hell macht. Darum fürchte dich nicht – natarß! Denn er, dein Herr, ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden! Halleluja! Amen.