05.01.2014 | 2. Korinther 4,3-6 | Epiphanias
Pfr. Dr. Gottfried Martens

Es ist eine wirklich unglaubliche Geschichte: Menschen in Persien sehen am Himmel eine besondere Sternenkonstellation, lassen sich durch sie dazu bewegen, einen Weg über fast 2000 Kilometer auf sich zu nehmen, nur um sich diesen König anzuschauen, dessen Geburt sie schon am Himmel angekündigt fanden. Und dann finden sie diesen neugeborenen König, nein, nicht in einem Palast, sondern in einem Stall in einem kleinen Dorf in Judäa – und ziehen nicht enttäuscht gleich wieder ab, sondern fallen vor diesem kleinen Kind nieder und beten es an, beschenken es mit ihren Schätzen. Wie kann so etwas denn sein, wie ist so etwas denn möglich?
Es ist eine wirklich unglaubliche Geschichte: Menschen in Persien, denen man über viele hundert Jahre immer nur erzählt hatte, Jesus sei ein Prophet, mehr nicht, und Gott habe gar keinen Sohn, machen sich auf den Weg zu diesem Jesus, riskieren dafür nicht selten schon in ihrem Heimatland ihr Leben, kommen schließlich bei ihm, Jesus, an, fallen vor ihm nieder, beten ihn an, ja auch heute wieder hier bei uns in der Kirche, machen auch uns mit ihrem Kommen zu einer ganz reichen Gemeinde, nicht unbedingt finanziell, aber sehr wohl mit den Gaben, die sie mitbringen. Das kann doch eigentlich gar nicht sein, das ist doch eigentlich gar nicht möglich!
Eben darum, wie das möglich ist, dass Menschen, die doch eigentlich gar keinen Zugang zu Christus haben, schließlich doch den Weg zu ihm finden und an ihn glauben, geht es auch in der Predigtlesung des heutigen Tages. Nein, natürlich spricht der Apostel Paulus hier nicht direkt und nicht nur über Perser, aber was er sagt, gilt eben auch für uns, gilt für Korinther, für Deutsche, Iraner und Afghanen gleichermaßen.

Die erste Voraussetzung dafür, dass Menschen an ihn, Christus, glauben konnten und können, ist zunächst einmal, dass Gottes Sohn Mensch geworden ist. Wäre Gottes Sohn nicht Mensch geworden, dann hätten wir keine Ahnung von Gott, hätten wir keine Ahnung von seiner Liebe, hätten wir keine Ahnung von dem Licht, mit dem Gott unser Leben ganz hell machen will. Wäre Gottes Sohn nicht Mensch geworden, dann wäre es in unserem Leben einfach dunkel geblieben – und wir hätten diese Dunkelheit noch nicht einmal bemerkt, wären nicht auf die Idee gekommen, dass es in unserem Leben auch viel heller werden kann. Doch genau das feiern wir nun in diesen Wochen des Christfestes, genau das feiern wir nun auch heute am Epiphaniasfest, dass Gott sich uns zu erkennen gegeben hat, nein, nicht bloß in einer Stimme vom Himmel, sondern in der Tat als Mensch, als kleines Kind. Genau das feiern wir in diesen Wochen, dass wir Gottes Herrlichkeit schauen dürfen, ohne zu vergehen, ja ohne auch nur eine Sonnenbrille tragen zu müssen. Das feiern wir, dass wir Gottes Herrlichkeit erkennen können und dürfen in einem Baby in einer Futterkrippe, in einem Baby, in dessen Angesicht wir Gottes eigenes Angesicht wahrnehmen dürfen. So dicht kommt Gott an uns heran, so klein wird er für uns – ja, das ist wirklich eine unglaubliche Botschaft. Doch wen diese Botschaft erreicht, wem sie die Augen öffnet für die Wirklichkeit Gottes und für die Wirklichkeit seines Lebens, der wird sich vor Freude kaum noch einkriegen können, der wird dann sogar dazu bereit sein, auf ganz viel in seinem Leben zu verzichten, nur um diesem Gott in der Krippe ganz nahe kommen zu können.

Ja, Gott hat sich uns zu erkennen gegeben; aber dennoch war es nicht so, dass seine Erscheinung damals sofort allen Menschen eingeleuchtet hätte oder heute den Menschen unmittelbar einleuchtet. Im Gegenteil: Mit unseren menschlichen Augen war ja an diesem Kind in der Krippe gar nichts Besonderes wahrzunehmen. Auf Facebook wurde in diesem Jahr kurz vor Weihnachten ein schönes Bild von einem Fötus mit Heiligenschein gepostet mit der Bemerkung: „He is on his way“, er ist unterwegs. Ja, das Bild erinnerte daran, worum es zu Weihnachten eigentlich geht, wessen Ankunft wir in der Adventszeit doch eigentlich bedenken. Ja, witzig gemacht war dieses Bild – aber in Wirklichkeit hatten eben weder der Fötus im Leib Mariens noch das Baby im Futtertrog einen solchen Heiligenschein oder eine andere Form der Illumination zu bieten. Damit Menschen dennoch in diesem unscheinbaren Kind ihren Herrn erkannten, ihn, das Licht der Welt, bedurfte es nicht weniger als einer neuen Schöpfung, so betont es der Apostel Paulus hier: Wie damals Gott am Anfang der Schöpfung sprach: Es werde Licht – und es wurde Licht!, so lässt Gott auch jetzt immer wieder sein Licht aufgehen in den Herzen von Menschen, die dieses Licht eben nicht schon selber in sich tragen.

Nein, in keinem Menschen können wir selber von uns aus das Licht des Glaubens anzünden, nicht mit noch so guten Argumenten, nicht mit einem noch so netten Verhalten, nicht mit irgendwelchen Tricks oder Strategien, nicht mit irgendwelchen Methoden. Dass ein Mensch aus dem Iran oder aus Afghanistan den Weg hierher an unseren Altar findet, ist kein größeres Wunder, als wenn ein Mensch mit rein lutherischen Wurzeln bis ins dritte und vierte Glied sich zu Jesus Christus, seinem Herrn und Heiland bekennt. Immer wieder nur staunen können wir über die Schöpfungswunder, die Gott in den Herzen von Menschen vollbringt – ja, über das Schöpfungswunder, das er auch an uns selber vollbracht hat. Dass wir hier sitzen, dass uns das allen Ernstes im wahrsten Sinne des Wortes einleuchtet, dass Jesus Christus, Gottes Sohn, unser Herr und Retter ist, dass wir in ihm Gottes Herrlichkeit erkennen können, das ist ein unfassliches Wunder, das liegt einzig und allein daran, dass Gott auch in unserem Leben sein wirkmächtiges Wort gesprochen hat: „Es werde Licht!“

Eines ist allerdings auch richtig: Wenn Gott sein wirkmächtiges Wort spricht, dann spricht er es immer wieder durch Menschen hindurch, durch ihr Wort. Gott erleuchtet Menschen nicht einfach direkt von oben herab, sondern so, dass diese Menschen durch andere Menschen von ihm, Christus, hören, durch sie mit ihm, Christus, in Kontakt kommen. Das geschieht in der Predigt, im Taufunterricht, in der Bibelstunde; das geschieht aber genauso in Gesprächen, die ihr mit anderen Menschen, mit Mitbewohnern in euren Heimen, mit Freunden und Bekannten führt. Immer wieder ist es derselbe Vorgang: Gott lässt es in unserem Herzen hell werden – und dann können wir gar nicht anders, als von diesem Licht auch anderen Zeugnis abzulegen, leuchtet Christus durch uns hindurch, sodass auch andere die Herrlichkeit Gottes im Angesicht von Jesus Christus und nirgendwo anders wahrnehmen und erkennen.

Ja, durch Menschen, durch ihr Wort wirkt Gott immer wieder den Glauben an Christus. Aber eben darum sollen wir immer wieder auch darauf bedacht sein, dass wir Menschen tatsächlich auch auf Christus weisen und sie nicht an uns, an unsere Person binden, wenn wir zum Glauben an Christus einladen. Und eben darum sollen wir eben auch umgekehrt unseren Glauben niemals an irgendwelchen Menschen festmachen, auch nicht unsere Zugehörigkeit zur Kirche, zur Gemeinde, von irgendwelchen Menschen abhängig machen, so betont es auch Paulus hier:  „Wir predigen nicht uns selbst, denn wir sind nur Knechte um Jesu willen.“ Knechte sind austauschbar – er, Jesus Christus, der Herr, jedoch gewiss nicht. Hauptsache, wir kommen dorthin, wo wir das Wort von Jesus hören, wo Jesus selber an unseren Herzen arbeitet, wo er sein Licht immer heller in uns leuchten lässt. Hauptsache, wir glauben nicht, wir könnten auch ohne dieses Wort, ohne die Begegnung mit ihm, Jesus Christus, im Heiligen Abendmahl in unserem Leben auskommen! Denn sonst wird es bei uns schnell wieder ganz dunkel im Leben.

Der Apostel Paulus stellt es jedenfalls hier ganz nüchtern fest: Es gibt ihn, den Gott dieser Welt, wie er den Teufel hier nennt, es gibt ihn, der uns den Blick auf Jesus Christus immer wieder verdunkeln will, der unseren Blick von Jesus Christus weglenken will hin auf all die vielen Dinge, die in unserem Leben doch scheinbar so viel wichtiger sind als er. Ja, es gibt sie, die Verblendung, dass Menschen allen Ernstes meinen, sie kämen doch ganz gut ohne Jesus Christus, ohne sein Wort aus, ihr Leben sei auch ohne Jesus Christus hell genug, erst recht, wenn sie erst mal ein Papier mit ihrer Aufenthaltserlaubnis in den Händen halten. Ja, solange wir hier auf Erden leben, stehen wir mit unserem Glauben in einem Kampf, den wir selber niemals bestehen können. Bleibt darum in dem Licht, in das Christus euch in eurer Taufe schon getaucht hat, bleibt dran an Christus und seinem Wort, lasst euch auch durch die Schwächen von Menschen, auch durch die Schwächen von Pastoren nicht davon abbringen, auf dieses Wort zu hören! Denn dieses Wort ist nicht bloß Menschenwort; es ist das Wort Gottes und bewirkt, was es sagt. Ja, es bewirkt in der Tat Menschenunmögliches – den Glauben in unseren Herzen, bei Persern, Afghanen und sogar bei Deutschen! Amen.