01.01.2014 | Apostelgeschichte 4,-12 | Tag der Beschneidung und Namengebung Jesu
Pfr. Dr. Gottfried Martens
Würdet ihr auf die Idee kommen, euren Sohn Kermit oder Tiglat-Pileser zu nennen – oder eure Tochter Borussia oder sie mit dem Namen einer bekannten Unterwäschemarke ins Leben zu schicken? Ja, es gibt allen Ernstes solch durchgeknallte Eltern, die meinen, sie müssten bei der Namensgebung für ihre Kinder ungeheuer originell wirken und auch mit dem Namen deutlich machen, was für ein einmaliges Exemplar ihr Kind wohl ist. Dass das arme Kind dann die Verrücktheit seiner Eltern ein ganzes Leben lang aushalten muss, haben diese wohl nicht unbedingt im Blick, wenn sie ihr Kind beim Standesamt anmelden – wobei manche mutige Standesbeamte immerhin so manchen höheren Blödsinn im letzten Augenblick noch verhindern konnten.
Von einer Namensgebung berichtet auch das Heilige Evangelium dieses Tages. Doch auch wenn der Name des Kindes heute hier in Deutschland nur sehr selten einem Kind verliehen wird, war diese Namensgebung damals alles andere als spektakulär oder originell. „Jesus“, auf Hebräisch „Jehoschua“, war damals durchaus ein gebräuchlicher Jungenname. Er erinnerte nicht nur an den Nachfolger des Mose, Josua, sondern brachte auch eine Hoffnung der Eltern zum Ausdruck: „Jehoschua“, „Jesus“ – das bedeutet ja so viel wie „Helfer, Retter“, und genau darauf warteten die Menschen damals zur Zeit der Geburt dieses einen ganz besonderen Jesus so sehnsüchtig: Dass er endlich kommen würde, der eine Helfer und Retter, den Gott seinem Volk doch schon so lange angekündigt hatte. Wie gesagt: Jesus war damals kein fürchterlich origineller Name, und wenn in den kommenden Jahren Archäologen im Heiligen Land mal wieder auf irgendein Grab oder ein Knochensammelgefäß mit der Aufschrift „Jesus“ stoßen werden und dies als große Sensation verkauft werden wird, dann können wir uns als Christen getrost zurücklehnen, weil wir wissen: Jesusse gab es damals eine ganze Reihe. Im Übrigen hatten sich ja auch Maria und Joseph diesen Namen gar nicht selber ausgedacht. Für diesen Namen zeichnete allein der wahre Vater des Kindes verantwortlich: Gott selber. Der hatte Maria schon den Namen des Kindes durch seinen Boten ausrichten lassen, als sie selber noch gar keine Ahnung davon hatte, dass sie schwanger sein könnte. Doch bald darauf erfuhr sie, wie recht der Engel mit seinen Worten gehabt hatte, und so war es für Maria und Joseph auch keine Frage, dass sie nun nach der Geburt des Kindes ihm auch den Namen gaben, den Gott selber für ihn vorgesehen hatte.
Und bei diesem einen Jesus war dieser Name nun ja auch nicht bloß eine Erinnerung an längst vergangene Zeiten, war dieser Name eben auch nicht bloß ein frommer Wunsch, sondern dieser Name war Programm, brachte ganz genau zum Ausdruck, wer der Träger dieses Namens in Wirklichkeit war. Der Name – kein Ausdruck der Selbstverwirklichung der Eltern, kein modisches Accessoire, sondern gefüllt mit Inhalt, mit Heil, mit Leben.
Und genau darum geht es nun auch in der Predigtlesung des heutigen Festtags. Da ist auch wieder von diesem Namen „Jesus“ die Rede, und allen Beteiligten in dieser Geschichte ist klar: Das ist nicht bloß irgendein Wort, dieser Name ist eben nicht Schall und Rauch, sondern wo dieser Name genannt wird, wo in diesem Namen gehandelt wird, da passiert etwas.
Da hatte der Petrus am Eingang zum Tempel einen Gelähmten geheilt und dies zum Anlass genommen, anschließend dem umstehenden Volk die Botschaft vom Tod und der Auferstehung Jesu zu predigen und die Zuhörer zur Umkehr und zum Glauben an Jesus zu rufen. Das gefiel den führenden religiösen Autoritäten in Jerusalem gar nicht, und so wurden Petrus und Johannes verhaftet und am nächsten Tag zum Verhör vor den Hohen Rat geführt. Und dort wird ihnen eine ganz bezeichnende Frage gestellt: „In welchem Namen habt ihr das getan?“ Die Heilung wird nicht bestritten; es wird nur gefragt, in welcher Vollmacht die Apostel diese Heilung vollbringen konnten. Und diese Steilvorlage lässt sich der Petrus natürlich nicht entgehen, hält auch vor dem Hohen Rat eine kurze Predigt, in der er die Frage des Hohen Rates beantwortet: „Im Namen Jesu Christi von Nazareth, den ihr gekreuzigt habt, den Gott von den Toten auferweckt hat; durch ihn steht dieser hier gesund vor euch.“ Und dann fährt Petrus gleich fort: „In keinem anderen ist das Heil, auch ist kein andrer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, durch den wir sollen selig werden.“
Immer wieder geht es hier also um den Namen Jesus, um eben diesen Namen, den Maria und Joseph ihm bei seiner Beschneidung gegeben haben und der offenbar eine ungeheure Macht und Kraft hat. Durch die Anrufung dieses Namens wurde der Gelähmte gesund; durch die Anrufung dieses Namens, ja dieses Namens allein werden Menschen gerettet, werden Menschen selig. Und das sagt nicht bloß Petrus; genau dasselbe schreibt auch der Apostel Paulus und zitiert dabei wie Petrus in seiner Pfingstpredigt auch den Propheten Joel: Wer den Namen des Herrn anrufen wird, soll gerettet werden. Ja, genau das geschieht ja ganz konkret in jeder Taufe, dass Menschen den Namen Jesu anrufen, Jesus als ihren Herrn bekennen und dann durch diesen Namen gerettet werden, wenn die Taufe vollzogen wird im Namen dieses Herrn, im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Merkst du also, wie direkt das Heilige Evangelium dieses Tages, wie direkt auch die Predigtlesung dieses Tages mit dir, mit deinem Leben zu tun hat? Auch dein Leben ist in der Taufe mit diesem einen Namen verbunden worden, der eben nicht nur ein bloßer Name ist, sondern in dem dein Herr und Retter selber gegenwärtig ist, immer wieder bereit zu handeln, wo dieser Name genannt wird. Im Namen dieses Herrn feiern wir all unsere Gottesdienste hier in der Kirche und dürfen gewiss sein: Der Herr, dessen Namen wir hier anrufen und verehren, der ist selber hier in unserer Mitte.
Im Namen dieses Herrn beginnen wir, Gott geb’s, auch jeden Tag, rufen ihn an, wenn wir erwacht sind, beginnen den Tag im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und dürfen gewiss sein: Er, unser Herr, geht mit uns durch diesen Tag. Und wenn wir in unserem Leben gar nicht mehr weiter wissen, dann tun wir gut daran, immer wieder neu diesen Namen Jesus Christus anzurufen und auszurufen. Wo dies geschieht, da lässt er uns nicht allein, unser Herr, geht mit uns mit, wie schwer der Weg auch sein mag, der vor uns liegt.
Nein, natürlich ist dieser Name keine Zauberformel, kein Trick, mit dem wir all unsere Wünsche erfüllt bekommen. Jesus erfüllt, was er versprochen hat, wenn Menschen sich in seinem Namen darauf berufen. Und das eine hat er uns in der Tat versprochen: Wer seinen Namen anrufen wird in der Not, der wird gerettet werden, der wird selig werden. Gott geb’s, dass uns darum dieser eine Name niemals aus dem Kopf geht, dass wir ihn immer wieder im Herzen tragen und uns auch nicht schämen, ihn im Gespräch mit anderen auszusprechen. Ja, Gott geb’s, dass wir in diesem Namen auch einmal unser Leben beschließen und selig werden. Der Hohe Rat wusste es damals, und ihr wisst es auch, um welchen Namen es geht: um den einen, in dem all unser Heil beschlossen liegt: JESUS. Amen.