15.12.2013 | Offenbarung 3,1-6 | Dritter Sonntag im Advent
Pfr. Dr. Gottfried Martens

Mensch, bei euch ist ja was los – 15 Taufen in einem Gottesdienst! Und das nicht bloß einmal, sondern praktisch jeden Monat, da steppt der Bär! Ja, ihr seid eine so richtig lebendige Gemeinde!

Ja, Schwestern und Brüder, geben wir es ruhig zu: Wenn Leute so über unsere Gemeinde sprechen, dann freut uns das, ja mehr noch: Solch eine Beschreibung entspricht eben auch unserer eigenen Wahrnehmung. Und so erlebe ich es immer wieder hier bei uns, wie diejenigen, die schon zur Gemeinde gehören, gleich wieder die nächsten einladen: Kommt zu uns, kommt in unsere Gemeinde, da ist es richtig gut, da herrscht so richtig Leben!

Die christliche Gemeinde in Sardes hatte damals auch einen guten Ruf, galt als lebendige Gemeinde, als Vorzeigegemeinde mit einem blühenden Gemeindeleben. So sahen es die anderen, die die Gemeinde kannten, so sah sich wohl auch die Gemeinde selber. Doch dann bekommt diese lebendige Gemeinde eines Tages Post, nein, nicht von irgendeinem Nörgler, dem man nichts recht machen kann, sondern von keinem Geringeren als von dem erhöhten Herrn Jesus Christus selber. Und der scheint sich in seinem Brief an die Gemeinde in Sardes zunächst einmal in die Schar der Gratulanten einzureihen: Du hast den Namen, dass du lebst! Jawohl! Doch dann fährt Christus unvermittelt fort: „und bist tot!“ Was – wir, diese lebendige, aktive Gemeinde, wir sollen tot sein, in Tiefschlaf verfallen sein, aus dem wir selber gar nicht mehr aufwachen? Ja, wenn es irgendjemand wäre, der das behauptet, dann könnten wir uns aufregen, könnten uns dagegen zur Wehr setzen – aber wenn es Christus selber sagt, dann herrscht Alarmstufe Rot, dann bleibt uns nichts Anderes übrig, als uns mit dieser Behauptung auseinanderzusetzen.

Brüder und Schwestern: Um ein Missverständnis gleich auszuschließen: Wenn Jesus an die Gemeinde in Sardes schreibt, sie sei tot, dann heißt das nicht, dass er behauptet, dass auch unsere Gemeinde hier in Steglitz tot sei. Aber auch wir tun gut daran, uns gründlich damit auseinanderzusetzen, wie Jesus denn dazu kommt, ein solches Urteil zu fällen, tun gut daran, dann auch zu überlegen, inwiefern dieses Urteil auch auf uns hier in Steglitz zutreffen könnte.

Normalerweise macht es ja wenig Sinn, dass man zu jemandem sagt: Du bist tot! Denn wenn jemand tot ist, kann er eben nicht mehr vernehmen, dass jemand zu ihm sagt: Du bist tot! Wenn er das noch hören könnte, wäre er ja gerade nicht tot. Doch wenn Jesus zu jemandem sagt: Du bist tot!, dann macht das sehr wohl Sinn, denn Jesus ist dazu in der Lage, auch Menschen, ja auch christliche Gemeinden mit seiner Anrede wieder ins Leben zu bringen, die schon längst gestorben sind. Eingeschlafen war die christliche Gemeinde in Sardes damals, mitten in ihrem regen Gemeindeleben, denn sie schaute nicht mehr nach vorne, blickte nicht mehr auf ihn, den wiederkommenden Herrn, hatte sich offenbar längst eingerichtet in ihrer alltäglichen Betriebsamkeit.

Ist das auch eine Gefahr für uns? Richten wir alles, was wir in unserer Gemeinde planen, bedenken und tun, immer wieder danach aus, dass unser Herr kommt, dass er jederzeit wiederkommen kann? Ist das der Grund, weshalb wir sonntags zum Gottesdienst kommen, ist das der Grund, weshalb wir uns taufen lassen, ist das der Grund, weshalb wir auch andere mit zum Gottesdienst, zur Gemeinde bringen? Oder reicht unser Blick nur bis zum bevorstehenden Interview, bis zum Gerichtstermin, bis zu dem Tag, an dem wir endlich die Aufenthaltserlaubnis in den Händen halten, bis zu dem Tag, an dem wir endlich selber Geld verdienen können? Reicht unser Blick nur bis zum bevorstehenden Weihnachtsfest, denken wir nur darüber nach, was wir bis dahin noch alles organisiert und geschafft haben müssen? Reicht unser Blick als Gemeinde nur bis zu den bevorstehenden organisatorischen Veränderungen, denken wir nur darüber nach, wie wir den Ansturm hier in der Gemeinde weiter noch bewältigen können – und verlieren dabei den aus dem Blick, um dessentwillen wir uns doch hier versammeln?

Ja, Schwestern und Brüder, wir haben den Weckruf unseres Herrn nicht weniger nötig als die Christen in Sardes damals, wir haben es ebenso nötig, dass wir immer wieder wachgerüttelt werden von unserem Herrn, damit wir ja nicht meinen, es ginge hier bei uns in der Gemeinde nur um ein nettes Zusammensein. Ja, wir haben ihn nötig, diesen Weckruf, ganz gleich, ob wir schon seit 80 Jahren Christen sind oder heute erst getauft werden, ganz gleich, ob wir in unserem Leben schon 50mal Weihnachten gefeiert haben oder dieses Jahr zum ersten Mal in unserem Leben ein christliches Weihnachtsfest miterleben: Ja, Christus kommt – bist du bereit?

Und wie bereiten wir uns nun auf das Kommen unseres Herrn vor, auf die letzte entscheidende Begegnung unseres Lebens? Eben nicht so, dass wir voller Angst zitternd in der Ecke sitzen und warten, was da wohl über uns kommen mag. Sondern so bereiten wir uns auf das Kommen unseres Herrn vor, dass wir uns immer wieder neu daran erinnern, wie Christus uns zu sich gerufen hat, womit er uns beschenkt hat. Ja, täglich neu sollen und dürfen wir uns an unsere Taufe erinnern, daran, dass Christus uns darin doch schon das ewige Leben geschenkt hat, uns dort in das Buch des Lebens eingetragen hat, uns umhüllt hat mit dem weißen Kleid seiner Liebe und Gerechtigkeit.

Freu dich darum täglich neu über deine Taufe, ganz gleich, ob sie nun erst heute stattgefunden hat oder schon vor 70 Jahren, lass dich durch sie immer wieder erinnern, wer der Herr deines Lebens ist, was wirklich wichtig ist: nicht der Aufenthalt in Deutschland, nicht das Geld, das du verdienst, nicht das nette Zusammensein mit Freunden. Wirklich wichtig ist allein, dass du mit Christus zusammenbleibst, dass du ihm begegnest, ja, auch heute wieder hier in seinem Heiligen Mahl. Es ist derselbe Herr, den du einmal mit eigenen Augen sehen wirst, der heute schon zu dir kommt, der dich auch heute wieder umkehren lässt, dass du wieder in die richtige Richtung schaust, nach vorne, auf das Ziel deines Lebens. Ja, Gott geb’s, dass wir dieses Ziel in unserer Gemeinde niemals verschlafen, dass wir in der Vorfreude leben auf die Begegnung mit Jesus, dem lebendigen Herrn. Dann sind und bleiben wir in der Tat – eine lebendige Gemeinde! Amen.