24.11.2013 | St. Markus 13,31-37 | Ewigkeitssonntag
Pfr. Dr. Gottfried Martens


Stell dir vor, du hast am nächsten Morgen deine Gerichtsverhandlung. Es geht darum, ob du hier in Deutschland als Asylbewerber oder Flüchtling anerkannt oder wieder in deine Heimat abgeschoben wirst. Um halb neun Uhr morgens sollst du im Gerichtsgebäude sein. Doch dann wachst du am nächsten Morgen erst um neun Uhr auf: Das Telefon klingelt, Freunde, die im Gerichtssaal auf dich warten, fragen nach dir. Du springst auf, versuchst noch, ins Verwaltungsgericht zu kommen; aber als du dort ankommst, ist das Urteil schon verkündigt: Deine Klage ist abgelehnt worden, denn, so erklärte der Richter, wenn dem Kläger diese Verhandlung so wenig bedeutet, dass er nicht zu ihr erscheint, dann glaube ich auch nicht, dass er es mit seinen Behauptungen, er sei ein Christ, wirklich ernst meint. Was für ein Albtraum – den wichtigsten Termin im Leben zu verschlafen!

Doch der wichtigste Termin in deinem Leben ist in Wirklichkeit gar nicht solch eine Gerichtsverhandlung. Es gibt einen Termin in deinem Leben, der ist noch viel wichtiger: Stell dir vor, du hast längst den Paragraphen 60.1 bekommen, bist längst als Flüchtling anerkannt, hast deinen Pass in der Hand, darfst fahren, wohin du willst, darfst endlich arbeiten, hast auch eine gute Arbeitsstelle gefunden, hast eine schöne Wohnung, hast eigentlich alles, was du dir für dein Leben erhofft hast. Nur für eines hast du in deinem Leben keine Zeit mehr: Ihm, Christus, zu begegnen, seiner Einladung zu folgen. Doch das scheint ja auch gar nicht mehr so wichtig zu sein, wenn du alles Andere in deinem Leben hast, was du dir immer schon gewünscht hattest. Und dann stell dir vor, dass mit einem Mal dein Herr Jesus Christus vor dir steht, in seiner ganzen Herrlichkeit. Stell dir vor, er ist mit einem Mal da, ist mit einem Mal wiedergekommen und blickt dich an. Und du musst ihm sagen: Tut mir leid, Jesus, mit dir habe ich nun wirklich nicht mehr gerechnet. Als ich dich damals brauchte, damals beim Bundesamt, damals, bei der Gerichtsverhandlung, da hast du mir ja auch wirklich sehr geholfen. Aber jetzt warst du mir einfach nicht mehr so wichtig: Du weißt schon, Geld verdienen, sonntags ausschlafen, die Wohnung schön einrichten, sich mit Freunden treffen – das war jetzt einfach wichtiger, als dir zu begegnen. Oder stell dir vielleicht sogar vor, du musst ihm dann sagen: Damit habe ich, ehrlich gesagt, überhaupt nicht gerechnet, dass ich dir jemals begegnen würde. Ich habe gedacht, das ist ein guter Trick, zu behaupten, dass ich an dich glaube. Aber ich habe doch nicht im Traum damit gerechnet, dass du mich danach noch einmal fragen würdest!

Schwestern und Brüder: Sind das nun alles nur Gedankenspiele, die ich euch da gerade präsentiert habe? In mancher Hinsicht sicher ja: Dass jemand sein eigenes Gerichtsverfahren verschläft, habe ich noch nicht erlebt. Da sind diejenigen, die es betrifft, sicher viel zu aufgeregt, werden morgens schon ganz früh aufstehen, weil sie diesen Termin keinesfalls verpassen wollen. Aber dass Jesus Christus wiederkommt, dass er einmal vor uns Menschen stehen wird und uns von einer Sekunde auf die andere vor Augen stehen wird, was in unserem Leben wirklich wichtig ist und was nicht, das ist nicht bloß ein Gedankenspiel, das ist sicherer als alles andere, womit du in deinem Leben rechnen kannst, das ist sicherer sogar noch als dein Tod.
Nein, die Frage ist nicht, ob Jesus Christus wirklich wiederkommt. Jawohl, er kommt, ganz gewiss. Die Frage ist einzig und allein, wann er wiederkommt. Und das weiß keiner von uns. Das wussten die Engel Gottes damals nicht, das wusste, es ist kaum zu fassen, selbst er, Jesus Christus, der Sohn Gottes, noch nicht, solange er noch nicht auferstanden war, solange er noch das Geschick der Menschen hier auf Erden ganz teilen musste. Es hat immer wieder irgendwelche christlichen Sekten gegeben, wie etwa die Zeugen Jehovas, die versucht haben, den Termin der Wiederkunft Christi auszurechnen. Sie haben sich alle geirrt – ja, mehr noch, sie haben damit gezeigt, dass sie die Botschaft von der Wiederkunft des Herrn eigentlich nicht so richtig ernst nehmen. Denn wenn ich zum Beispiel behaupten würde: Jesus Christus kommt am 1. April 2015 wieder – dann würde ich ja behaupten: Ihr habt jetzt erst noch mal anderthalb Jahre Zeit, in denen ihr sicher sein könnt, dass der Herr noch nicht wiederkommt. Doch es gibt eben keinen Tag, an dem wir sicher sein könnten, dass Christus nicht wiederkommt. Jeden Tag, ohne Ausnahme, sollen und dürfen wir mit seinem Kommen rechnen.

Jesus Christus kommt wieder – wenn das geschehen wird, dann wird davon nicht irgendwo auf Seite 5 der Tageszeitung berichtet werden. Sondern wenn Jesus Christus wiederkommt, dann wird alles anders werden, ja, so sagt es Christus hier selber, dann werden Himmel und Erde vergehen. All das, was dir jetzt noch so wichtig erscheinen mag, wird dann überhaupt keine Rolle mehr spielen: Dein Geld, dein Besitz, deine Titel, dein Aufenthalt in Deutschland, deine Wohnung, dein Schulabschluss, deine Zeugnisse, deine Rentenansprüche, deine Versicherungen – all das wird einmal vergehen, davon wird nichts mehr übrigbleiben.

Nur eines hat Bestand, wenn alles einmal in deinem Leben, wenn alles einmal in dieser Welt vergehen wird: Das Wort des Herrn, das er auch zu dir gesprochen hat. Wenn diese Welt einmal vergehen wird, wenn dein Leben einmal an sein Ende kommen wird, dann wird immer noch gelten, was Jesus Christus dir in deiner Taufe versprochen hat. Wenn diese Welt einmal vergehen wird, wenn dein Leben einmal an sein Ende kommen wird, dann wird immer noch gelten, was Jesus Christus dir gesagt hat: Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der hat das ewige Leben, und ich werde ihn am Jüngsten Tage auferwecken.  Ja, wenn alles einmal in dieser Welt vergehen wird, wenn deine letzte Stunde hier auf Erden anbricht, dann wird dieser eine Satz immer noch über deinem Leben stehen bleiben: Dir sind deine Sünden vergeben!

Denke daran, wenn du deine Termine planst, denke daran, wenn du dir überlegst, was in deinem Leben wirklich wichtig ist und was du erst einmal zur Seite packen kannst. Du kannst nicht so planen, dass du sagst: Jesus ist für mich erst wieder in drei oder fünf Jahren dran, wenn ich wieder mehr Zeit habe. Du weißt nicht, wie viel Zeit dir bleibt! Wache! – So ruft es Jesus auch dir zu! Verpenn doch bloß nicht dein Leben, lebe jeden Tag deines Lebens so, dass er dein letzter sein könnte, dass du mir, deinem Herrn, jederzeit begegnen könntest! Lass dich nicht einlullen davon, dass so wenige Menschen heute noch mit meinem Kommen rechnen, frage dich jeden Tag neu: Kann ich das, was ich gerade tue, vor dem wiederkommenden Herrn verantworten?

Wachet! – Ja, den besten Wachmacher bekommst du jetzt gleich wieder geschenkt, hier am Altar: Den Leib und das Blut Jesu Christi. Es ist derselbe Herr, der dir jetzt schon hier in den Gestalten von Brot und Wein begegnet und den du einmal als den Herrn der ganzen Welt, des ganzen Universums mit deinen eigenen Augen sehen wirst. Jeder Gang zum Heiligen Abendmahl ist eine Generalprobe für das große Kommen des Herrn, soll dein Herz wieder neu mit großer Vorfreude auf diesen Tag erfüllen. Nein, du brauchst dich vor dem Kommen deines Herrn doch nicht zu fürchten! Er kommt doch, weil er mit dir feiern will, weil er dir teilgeben will an einer neuen Welt, an einem neuen Himmel und einer neuen Erde, wo es einmal keinen Tod, keinen Abschied, keine Schmerzen, keine Tränen, keine Abschiebung, keine Folter, keine Duldung mehr geben wird. Wem das aufgegangen ist, der wird täglich um das Kommen des Herrn bitten, wird sich danach sehnen, dass es bald schon soweit sein möge, dass wir uns am besten schon um die Weihnachtsgeschenke dieses Jahres gar nicht mehr zu kümmern brauchen, weil ein viel größeres Fest anbricht, das einmal kein Ende mehr kennen wird. Noch ist es nicht soweit. Noch warten wir, noch gibt Gott uns Zeit, auch noch andere Menschen zu Jesus Christus einzuladen. Nutzen wir auch dazu die Zeit, verschlafen wir sie nicht! Du wirst Jesus begegnen; die Frage ist nur noch, wann, ob vor oder nach deinem Tod, ob morgen oder vielleicht erst in einigen Jahren. Ja, das macht uns zugleich auch gelassen. Was uns jetzt oft so sehr bewegt, ist nicht das Wichtigste im Leben, auch nicht dein Interview, deine Gerichtsverhandlung, dein Aufenthalt. Wichtig ist allein, dass Jesus kommt. Mensch, was werden wir dann feiern! Amen.