18.01.2012 | St. Markus 2,18-22 | Mittwoch n.d. 2. Sonntag nach Epiphanias
„Warum feiern wir unsere Gottesdienste immer noch nach diesen uralten liturgischen Formen? Die passen doch gar nicht mehr in unsere heutige Zeit, die passen doch auch nicht zu der frohen Botschaft, die wir verkündigen. Man darf doch nicht neuen Wein in alte Schläuche füllen!“ – In dieser und ähnlicher Weise findet das Bild von dem neuen Wein und den alten Schläuchen in den letzten Jahren immer wieder Verwendung als Argument in der Diskussion um die Einführung neuer Gottesdienstformen. Müssen auch wir uns diesen Vorwurf gefallen lassen, in unseren Gottesdiensten neuen Wein in alte Schläuche füllen zu wollen, überholte Traditionen zu pflegen, die zu dem Neuen, was Christus gebracht hat, eigentlich gar nicht mehr passen?
Es lohnt sich jedenfalls, die Verse unserer heutigen Predigtlesung noch einmal etwas genauer anzuschauen. Dann stellen wir schnell fest: Es geht in diesen Versen tatsächlich um das Thema „Gottesdienst“, darum wie rechter Gottesdienst aussehen soll.
Für viele Zeitgenossen Jesu war die Antwort auf diese Frage klar: Zum rechten Gottesdienst, zum rechten Dienst für Gott, zählte auf jeden Fall auch das regelmäßige Fasten als Zeichen der Bußfertigkeit, als Ausdruck der Sehnsucht nach dem Kommen des Messias. Diejenigen, die dabei nicht mitmachten, die klinkten sich nach der Meinung derer, die fasteten, aus der Solidarität des Gottesvolkes aus, hinderten Gott gleichsam daran, seinen Messias zu seinem Volk zu senden.
Und nun weiß St. Markus hier in der Tat von Ungewöhnlichem zu berichten: Jesus und seine Jünger beteiligten sich nicht an dem Fasten, wie es in ihrer Umgebung üblich war, kannten keine festen Fastentage oder Fastenzeiten, die sie einhielten. Das fiel auf, und so ist es kein Wunder, dass Jesus darauf angesprochen wird, weshalb er es offenbar vorzieht, mit Zöllnern und ähnlichem Gesindel fröhliche Partys zu feiern und kräftig zu essen und zu trinken, statt seine Jünger zum rechten Gottesdienst, zum Fasten anzuleiten.
Die Antwort Jesu musste diejenigen, die ein wenig genauer hinhörten, tief durchatmen lassen: Er behauptet, dass sich seine Jünger gerade auf einer Hochzeitsfeier befinden und darum natürlich nicht fasten können, wenn der Bräutigam bei ihnen ist. Dass damit nicht bloß die Hochzeit zu Kana gemeint war, nicht bloß eine Feier, die gerade im Gang war und in wenigen Tagen beendet sein würde, war allen Beteiligten klar. Nein, Jesus redet hier von einem anderen Hochzeitsfest, gebraucht ein Bild, das seine Zuhörer sehr wohl verstanden: Die kommende Heilszeit, wenn der Messias gekommen sein würde, wurde damals mit einem großen Hochzeitsfest verglichen, mit dem Schönsten und Fröhlichsten, was man sich damals überhaupt vorstellen konnte. Und nun sagt Jesus hier allen Ernstes: Die Hochzeit hat begonnen – der Bräutigam ist da. Ja, wer könnte dieser Bräutigam, wer könnte dieser so lang ersehnte Messias anders sein als er selber, Jesus? Der alte Gottesdienst ist in der Tat überholt; keiner braucht mehr zu fasten, um Gott anzuflehen, endlich den verheißenen Messias zu schicken. Die Zeit ist vorbei. Er ist da, der Messias, er steht vor euch, sagt Jesus. Und darum fasten meine Jünger nicht. Sie haben allen Grund zur Freude, den Messias bei sich zu haben, haben allen Grund zum Feiern. Doch Jesus blickt zugleich voraus: Es werden Tage kommen, an denen der Bräutigam von ihnen genommen wird; dann werden sie fasten, an jenem Tag, an jenem Karfreitag, den Jesus vom Beginn seiner Tätigkeit an klar als Ziel seines Weges vor Augen hat. Doch dieses Fasten seiner Jünger, das Jesus hier ankündigt, wird eben ein ganz anderes Fasten sein als das bisherige, keines, das Gott noch einmal neu dazu bewegen soll, den Messias zu schicken. Sondern dieses Fasten wird künftig ganz geprägt sein vom Glauben an ihn, Jesus, den Christus, wird bezogen sein auf sein Leiden und Sterben, auf das, was er nicht nur für seine Jünger, sondern für sein ganzes Volk, ja für alle Menschen getan hat. Mit ihm, Christus, beginnt in der Tat etwas ganz Neues, was auch neue Formen des Gottesdienstes nötig macht, weil die alten Formen für dieses Neue nicht mehr ausreichen. Und so gebraucht Jesus hier das Bild von dem neuen Tuch auf dem alten Lappen und von dem neuen Wein, der noch kräftig am Weitergären ist und alte, poröse Weinschläuche zerreißen würde.
Und was heißt das nun für uns heute, für unser Fasten, für unsere Gottesdienste? Sollen wir nun fasten oder nicht, und wie sollen unsere Gottesdienste aussehen, wenn sie eben nicht neuen Wein in alte Schläuche füllen sollen?
Die richtige Antwort auf diese Frage hängt wesentlich davon ab, wie wir die Tage verstehen, an denen der Bräutigam von seinen Jüngern genommen wird: Dauern diese Tage noch weiter an, leben wir in einer Zeit, in der der Bräutigam nun nicht mehr da ist, in der das Hochzeitsfest vorbei ist? Sollen wir fasten im Gedenken an das, was einmal war und nun nicht mehr ist?
O nein, das meint Jesus gerade nicht. Sondern das Hochzeitsfest geht weiter, seit Jesus mit seinen Jüngern nach seiner Auferstehung wieder zu Tisch gesessen hat, sie wieder neu, in noch viel beglückenderer Weise seine Gegenwart hat erfahren lassen. Und genau das ist es, was unsere Gottesdienste bis heute prägen soll: Die Freude über die Gegenwart des Bräutigams, des auferstandenen Herrn, das Festmahl, bei dem wir seine Gegenwart leibhaftig erfahren dürfen. Das Heilige Mahl, es ist das ganz Neue, was es vorher nicht gab, was in der Tat in den neuen Bund hineingehört. Und in diesem neuen Bund geht es eben nicht zuerst und vor allem um das, was wir für Gott tun sollen, sondern es geht um das, was er, Christus, für uns getan hat. Das wird uns ausgeteilt, das wird uns geschenkt, wenn wir den Leib und das Blut des Messias, des Christus, des Bräutigams, im Heiligen Mahl empfangen.
Das Neue, was unsere Gottesdienste ausmacht, sind also nicht neue Melodien oder gar irgendwelche neuen Mätzchen zur Unterhaltung des Gottesdienstpublikums. Sondern neu ist unser Gottesdienst, weil er geprägt ist von der Freude über die Gegenwart des Bräutigams, weil sein Hochzeitsmahl das Zentrum dieses Gottesdienstes bildet. Ein Gottesdienst, aus dem das Heilige Mahl ausgespart würde, würde in der Tat auf das verzichten, was unseren Gottesdienst ganz neu macht, einzigartig, ja, so fröhlich. Gewiss, wir üben auch das Sakramentsfasten, einmal im Jahr, an dem Tag, an dem wir daran denken, dass der Bräutigam von uns genommen wurde, am Karfreitag. Da denken wir in besonderer Weise daran, dass es nicht selbstverständlich ist, dass wir den Bräutigam in unserer Mitte haben, bedenken, was er für uns am Kreuz erlitten hat, warten sehnsüchtig darauf, ihm in der Osternacht wieder neu im Sakrament als dem Auferstandenen zu begegnen.
Altmodisch wären also unsere Gottesdienste, wenn wir in ihnen auf die Feier des Heiligen Mahles abgesehen vom Karfreitag verzichten würden. Altmodisch wären sie, wenn sie den Eindruck erwecken würden, hier wären wir unter uns, hier ginge es nur um unsere religiösen Gefühle. Altmodisch wären sie, wenn es in ihnen wesentlich um das Thema ginge, was wir denn als Christen tun müssten. Dann bliebe das Neue außen vor: Dass der Bräutigam da ist, dass er der Gastgeber dieses Gottesdienstes ist, dass wir hier versammelt sind, um uns von ihm beschenken zu lassen. Dem soll alles dienen, was hier in unserem Gottesdienst geschieht, ja, darauf soll auch unser Leben als Christen im Alltag bezogen sein. Hauptsache, dies eine ist klar: Die Hochzeit hat begonnen, der Bräutigam ist da. Jesus ist kommen, Grund ewiger Freude. Amen.