15.04.2012 | St. Johannes 20,19-29 | Quasimodogeniti

Liebe Konfirmanden, es ist noch gar nicht so lange her, da hatten die meisten von euch kaum eine Ahnung davon, worum es eigentlich beim Heiligen Abendmahl geht. Ihr hattet gesehen, dass da gegen Ende des Gottesdienstes jeden Sonntag viele Leute nach vorne gehen und dort irgend so ein Stück weißes Brot zu essen bekommen und aus einem Kelch trinken. Und das fandet ihr vielleicht auch ganz interessant. Aber was da in Wirklichkeit hier am Altar passiert und was das auch für euch, für euer Leben bedeutet, davon ahnten viele von euch kaum etwas.

Nun habe ich in den vergangenen Wochen und Monaten, ja auch jetzt noch einmal auf eurer Konfirmandenfreizeit, versucht, euch das nahezubringen, worum es im Heiligen Abendmahl in Wirklichkeit geht, dass wir da nicht einfach bloß Brot essen und ein bisschen Wein trinken, sondern dass wir hier am Altar keinen Geringeren als Christus, den auferstandenen Herrn der Welt, mit seinem Leib und Blut empfangen, berühren, in uns aufnehmen. Ja, ich habe versucht, euch das nahezubringen, wie wichtig das für euer weiteres Leben als Christen ist, dass ihr künftig auf diese Weise Christus immer wieder begegnet und mit ihm verbunden werdet. Ich hoffe, dass von all dem, was ich euch da erzählt habe, nicht nur etwas in eurem Kopf, sondern viel mehr noch in eurem Herzen hängengeblieben ist und auch weiter hängenbleiben wird. Aber ich weiß zugleich: Noch ist und bleibt das Heilige Mahl für euch etwas ganz Neues und vielleicht auch Fremdes für euch, etwas, was ihr nun im Weiteren in eurem Leben erst noch so richtig entdecken müsst und dürft. Und so will ich euch heute, am Tag eurer Erstkommunion, noch einmal auf eurem Weg zum Heiligen Abendmahl helfen, will noch einmal versuchen, euch deutlich zu machen, was auch jetzt gleich wieder in unserer Mitte geschieht. Und genau dafür kann euch das Heilige Evangelium dieses heutigen Sonntags noch einmal in ganz besonderer Weise die Augen öffnen. Es erzählt
- von einer verschlossenen Tür
- von einem verschlafenen Sonntag
- von einem verwandelten Apostel

I.
Sie hatten die Tür ganz fest abgeschlossen, die Jünger Jesu, an diesem übernächsten Tag nach der Kreuzigung ihres Herrn. Niemand, wirklich niemand sollte bei ihnen reinkommen, denn sie hatten Angst, dass sie die nächsten sein würden, die verhaftet würden. Die Tür war zu – doch mit einem Mal steht nun doch Jesus mitten bei ihnen im Raum. Das ging doch gar nicht; das war doch völlig ausgeschlossen – der konnte doch gar nicht rein! Und doch war er drin, und die Jünger können sich gleich darauf davon überzeugen, dass er nicht bloß ein Geist, ein Phantom, ein Gespenst ist, dass man ihn anpacken kann, dass er leibhaftig auferstanden und gegenwärtig ist. Tür zu – und Jesus da. Offenbar kann Jesus etwas, was über unseren Verstand hinausgeht, hat er ganz andere Möglichkeiten, als wir zunächst denken mögen. Und als das die Jünger so richtig zu checken beginnen, da kriegen die sich vor Freude gar nicht mehr ein: Jesus ist bei uns; der lebt, der ist stärker als der Tod. Wir brauchen uns nicht mehr zu fürchten!

Und genau darum geht es nun auch bei jeder Feier des Heiligen Abendmahls, bei eurer Erstkommunion heute und in jedem weiteren Gottesdienst, in dem wir das das Heilige Mahl halten: Unser Verstand sagt: Geht doch gar nicht, dass Jesus kommt, dass er mit seinem Leib und Blut in jeder Hostie, in jedem Schluck Wein gegenwärtig sein soll. Wie soll er das denn machen? Nein, wenn wir das Heilige Abendmahl feiern, dann bleiben wir unter uns, denken an Jesus und an das, was er gemacht hat – aber er selber kann natürlich nicht hier unter uns sein! Aber er kann’s eben doch, tritt jetzt gleich wieder in unsere Mitte, wenn wir sein Mahl feiern, ja, lässt Wirklichkeit werden, was er in seinem Wort sagt: Das ist mein Leib, das ist mein Blut. Leibhaftig ist er am Ostermorgen auferstanden, leibhaftig kommt er nun heute auch zu uns, er, der durch seine Auferstehung nicht mehr an Raum und Zeit gebunden ist, für den Türen kein Hindernis sind, 2000 Jahre Zeitabstand auch nicht – und seine gleichzeitige Gegenwart an verschiedenen Orten auch nicht.

Liebe Konfirmanden, ich hoffe, dass euch das heute Morgen und auch danach immer wieder genauso aufgeht, wie den Jüngern Jesu damals auch – und dass ihr euch dann auch vor Freude nicht mehr einkriegt, wenn ihr erkennt, was das für euch bedeutet: Christus kommt zu mir, leibhaftig, er kommt mir so nahe, dass ich ihn mit meinen Lippen berühren kann, dass er in mir lebt. Ich glaube nicht an einen toten Herrn, sondern an einen Herrn, der lebt, der mir vergibt, der mir den Rücken stärkt – und sich für mich ganz klein macht, damit ich mit ihm leben kann. Wie gut, dass ihr, liebe Konfirmanden, das ab heute hier am Altar immer wieder erfahren dürft.

II.
Einer war damals an jenem ersten Ostertag nicht mit dabei, als Jesus kam: der Thomas. Der hatte sich aus der Gemeinschaft der Jünger ausgeklinkt und kam schließlich zu spät, als Jesus sich schon wieder von ihnen verabschiedet hatte. Und als dann die anderen Jünger ihm von der Begegnung mit dem auferstandenen Jesus erzählten, da konnte er es nicht glauben. Eine Erzählung ersetzt eben nicht die Begegnung mit dem auferstandenen Christus selber.

Von Thomas könnt auch ihr eine Menge lernen, liebe Konfirmanden: Der hat das nämlich selber erfahren: Wenn ich nicht mit dabei bin, wo die anderen versammelt sind und Christus, dem auferstandenen Herrn, begegnen, dann verpasse ich eine ganze Menge, ach, was sage ich: Dann verpasse ich das Allerwichtigste im Leben überhaupt. Ja, jeden Sonntag, an dem ich verschlafe, verpasse ich es, dem Herrn der Welt persönlich zu begegnen, verpasse ich die atemberaubendste Erfahrung der Weltgeschichte überhaupt: verbunden zu werden mit dem Sieger über den Tod.

Der Thomas hat am Sonntag darauf noch mal seine Chance bekommen, durfte diese unglaubliche Erfahrung dann doch noch selber machen, dass er, Christus, wirklich lebt, leibhaftig auferstanden ist, durfte ihn anpacken und betasten und merken: Er ist es tatsächlich, mein Herr und mein Gott. Ich bin mir sicher: Der Thomas hat in seinem Leben im Weiteren keine Gelegenheit mehr ausgelassen, mit dem auferstandenen Christus zusammenzukommen. Und ich wünsche euch, liebe Konfirmanden, dass euch die Vorfreude auf die Begegnung mit dem lebendigen Christus sonntags immer wieder neu aus den Betten treibt, dass auch ihr auf diese Begegnung mit ihm im Heiligen Mahl künftig nicht mehr verzichten wollt!

III.
Und damit sind wir schon beim Dritten, was wir dem Heiligen Evangelium dieses Sonntags über das Heilige Abendmahl entnehmen können: Am Ende der Geschichte sehen wir einen völlig verwandelten Apostel. Am Beginn der Geschichte war der Thomas noch ganz skeptisch: Nein, das kann ich nicht glauben, dass Jesus tatsächlich auferstanden sein soll und lebt; nur wenn ich ihn anfassen kann, nur wenn ich mich selber ganz handgreiflich davon überzeugen kann, dass er es ist, kann und will ich es glauben. Doch dann kommt Christus zu ihm, erfüllt ihm seine Bedingung – und Thomas glaubt nicht bloß, dass Jesus auferstanden ist, sondern er fällt vor ihm nieder und glaubt an ihn, Christus, betet ihn an: „Mein Herr und mein Gott!“

Wie gesagt, ihr, liebe Konfirmanden, konntet euch das alles mit dem Abendmahl vor einiger Zeit auch noch nicht so richtig vorstellen, wärt von euch aus sicher nicht auf die Idee gekommen, dass ihr darin dem auferstandenen Christus leibhaftig begegnet. Aber nun lässt Christus euch heute Morgen an sich ran und will auch bei euch nur dies eine: Dass dadurch euer Glaube an ihn geweckt und gestärkt wird, dass ihr in das Bekenntnis des Thomas mit einstimmen könnt: „Mein Herr und mein Gott!“ Ja, das wünsche auch ich euch, dass ihr nicht bloß darum wisst, dass Brot und Wein im Heiligen Mahl Leib und Blut Christi werden, sondern dass auch ihr selber dadurch verwandelt werdet, dass ihr auch vor Christus auf die Knie sinkt, ihn anbetet, wenn ihr ihm hier begegnet, dass Christus eben so immer wichtiger für euer Leben wird.

Nein, ihr bekommt hier im Abendmahl eben nicht bloß einen Keks ab; die Speise, die ihr gleich empfangt, die trägt eine unglaubliche Kraft in sich, eben ihn, den auferstandenen Christus selber. Gott geb’s, dass euch das in eurem Leben immer mehr aufgeht, dass das Heilige Mahl genau diese Kraft in euch entfaltet, dass ihr bei Christus bleibt – nicht nur bis zur Konfirmation, sondern tatsächlich bis an euer Lebensende. Gott geb’s, dass das Heilige Mahl in eurem Leben so immer wieder neu die Steckdose bleibt, an der ihr euren Glauben aufladen könnt – und dass so auch für euch gilt, was Christus damals dem Thomas gesagt hat: Selig sind, die nicht sehen und doch glauben! Amen.