17.05.2012 | Offenbarung 1,4-8 | Christi Himmelfahrt

„Ich soll Sie schön grüßen – von Möbel Hübner“: Seit Jahren werden mir diese Grüße des Möbelhauses im Radio oder von BVG-Bussen übermittelt. Ehrlich gesagt, hält sich meine Begeisterung über diese freundlichen Grüße eher in Grenzen. In Wirklichkeit kennt mich Möbel Hübner ja gar nicht; er grüßt mich nicht, weil wir alte Bekannte wären, sondern einzig und allein, um mich in seine Verkaufsräume zu locken, damit ich dort bei ihm mein Geld loswerde. Und so nehme ich die schönen Grüße von Möbel Hübner auch kaum zur Kenntnis: Soll er doch ruhig weitergrüßen; ich brauche keine Möbel!

In der Predigtlesung des heutigen Festtags richtet uns auch einer Grüße von jemand aus. Instinktiv mögen wir mit diesen Grüßen auch erst einmal so ähnlich umgehen wie mit den Grüßen von Möbel Hübner: Lass ihn reden, der kennt mich ja doch nicht, der will nur was von mir! Bloß nicht drauf reagieren, sonst werde ich den nachher gar nicht mehr los! Doch das wäre ein großer Fehler, wenn wir so mit diesen Grüßen umgehen würden; im Gegenteil: Es lohnt sich, genauer darauf zu achten, wer uns da grüßt und was der uns eigentlich mitzuteilen hat.

„Von dem, der da ist und der da war und der da kommt“ richtet der Seher Johannes hier Gnade und Friede aus. Es ist klar: Das kann nicht Möbel Hübner sein, das kann überhaupt kein Mensch und keine menschliche Einrichtung sein, das kann nur Gott allein sein, der der Herr ist über die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft. Gott lässt uns einen Gruß ausrichten? Wie sollen wir uns das denn bloß vorstellen? Johannes selber macht es uns gleich darauf klar: Dieser Gott, der uns seine Grüße ausrichtet, der hat sich uns sehr konkret zu erkennen gegeben in Jesus Christus, seinem Sohn. Die Grüße von Gott, sie werden uns also durch Jesus Christus ausgerichtet.

Nun könnte einer auf die Idee kommen und sagen: Ach ja, ist ja klar: Heute feiern wir ja das Fest der Himmelfahrt Christi. Da hat Jesus sich ja von seinen Jüngern verabschiedet – und nun lässt er uns als letzten Abschiedsgruß noch einmal eine Nachricht aus dem Jenseits zukommen, bevor er endgültig irgendwo in den Tiefen des Weltalls verschwindet. Doch die Worte unserer heutigen Predigtlesung sind eben gerade kein Abschiedsgruß, sie sind das genaue Gegenteil: Sie kündigen an, dass der, der uns grüßt, uns bald schon persönlich gegenübertreten wird, dass wir den bald schon zu sehen bekommen. Möbel Hübner sitzt weiterhin in der Genthiner Straße und wartet darauf, dass ich bei ihm vorbeischaue. Der Herr Christus sitzt nicht irgendwo auf einer Wolke und wartet darauf, dass wir uns für ihn interessieren, wenn wir mal nichts Besseres zu tun haben. Sondern der kommt und möchte, dass wir auf sein Kommen vorbereitet sind. Und eben darum schickt er uns diesen Gruß, damit wir nicht aus allen Wolken fallen, wenn er mit einem Mal vor uns stehen wird.

Doch der Gruß, den uns Christus hier schickt, ist gerade kein Drohbrief. Im Gegenteil: Er enthält wunderbare Nachrichten, die zu beachten für uns selber gut, wichtig und heilsam ist.

Da stellt sich Christus hier zunächst einmal vor als „der Erstgeborene von den Toten“. Das verweist natürlich zurück auf Ostern, als Christus den Tod besiegt und sein Grab verlassen hat, auferstanden ist zu einem neuen Leben, das endgültig nicht mehr vom Tod bedroht sein wird. Solch ein entscheidend wichtiges Ereignis ist Ostern, dass wir es nun 40 Tage lang in unseren Gottesdiensten immer und immer wieder gefeiert haben; es ist die wichtigste Botschaft der Weltgeschichte überhaupt, dass der Tod nicht mehr das letzte Wort hat, dass es da einen gibt, der stärker ist als der Tod.

Ja, das ist die beste und wichtigste Nachricht überhaupt auch für dein Leben. Denn Jesus bezeichnet sich hier als der „Erstgeborene“ von den Toten. Das heißt: Da kommen nach ihm noch viele andere, die diesen Weg, den er gegangen ist, auch gehen werden. Er hat die Macht des Todes gebrochen, und nun profitieren die, die nach ihm kommen, auch davon. Und zu denen gehörst du auch, seit dem Tag deiner Heiligen Taufe. Da bist du auch von den Toten geboren worden zu einem neuen Leben. Ja, ich weiß: So fürchterlich viel sehen kann man davon im Augenblick noch nicht. Wir mögen in unserem Leben oft genug eher die gegenteilige Erfahrung machen: Mir läuft die Zeit weg, ich verpasse Dinge, die ich nie mehr nachholen kann, ich werde älter, meine Kräfte schwinden, ja, ich erlebe es vielleicht in meiner eigenen Umgebung, wie schnell das Leben eines Menschen zu Ende gehen kann, oft genug auch scheinbar viel zu früh. Was soll ich hier in der Kirche herumsitzen und meine Zeit vertun, wenn ich diese Zeit doch viel sinnvoller nutzen kann, so vieles machen kann und muss, was doch viel dringender scheint, als ein Gottesdienstbesuch mehr oder weniger?

Doch genau darum schickt uns Jesus diesen Gruß, damit uns klar wird, was wirklich wichtig ist in unserem Leben, ja, was da eigentlich in unserer Taufe geschehen ist. Da bist du mit Christus, dem Auferstandenen, verbunden worden, da ist sein Leben dein Leben geworden, da bist du eingefügt worden in die Kette derer, die nach ihm, dem Erstgeborenen, auch neu geboren sind, die das Ende ihres Lebens hier auf Erden nicht mehr zu fürchten brauchen.

Und so richte ich dir heute Morgen nun auch diesen Gruß von Jesus Christus, dem Erstgeborenen von den Toten, aus: Es stimmt nicht, dass du keine Zeit hast. Im Gegenteil: Du hast nicht weniger als die Ewigkeit vor dir. Du brauchst nicht so zu leben, als ob dir deine Zeit wegläuft. Du brauchst dich nicht treiben zu lassen von der Angst, nicht genügend in deinem Leben mitzubekommen. Das Allerbeste kommt noch auf dich zu. Hauptsache, du hältst dich an mich, den Erstgeborenen von den Toten! Denn wenn du dein Leben ohne mich führst, dann verlierst du in der Tat Zeit, verlierst du letztlich sogar dein Leben. Verdränge diesen Gruß darum nicht, sondern lebe mit mir. Dann wird dein Leben ganz weit werden!

Schwestern und Brüder: Ich weiß, wie schwer das ist, das ernst zu nehmen und dem zu folgen, was Christus uns hier in seinem Gruß ausrichten lässt. Wir sind in unserem Alltag oft genug umgeben von Menschen, die eine völlig andere Lebenseinstellung und Lebensausrichtung und damit auch ein ganz anderes Zeitempfinden haben. Die können nicht begreifen, dass wir nicht Zeit verlieren, sondern Zeit gewinnen, wenn wir hierher zum Gottesdienst kommen. Die können nicht begreifen, dass es nicht das Wichtigste im Leben ist, Karriere zu machen, Geld zu verdienen und möglichst viel Spaß zu haben in den paar Jahren, die uns doch nur noch bleiben. Und der Druck, den sie mit ihrer Lebenseinstellung auf uns ausüben, der mag so groß sein, dass wir dem scheinbar gar nicht widerstehen können, dass wir uns dem mit unserem Leben auch anpassen müssen: Ich kann doch nicht einfach ganz anders leben als all die anderen! Was denken die denn dann bloß von mir!

Doch, du kannst, so lässt es dir Christus in seinem Gruß an dich ausrichten. Denn er, Christus, ist der Herr über die Könige auf Erden. Als der Johannes damals diesen Gruß den Christen in den kleinen Untergrundgemeinden in Kleinasien ausrichtete, da verstanden die sofort, was damit gemeint war: Da war in Rom ein Kaiser an die Macht gekommen, der von allen verlangte, als Herr und Gott verehrt zu werden. Und wenn man dabei nicht mitmachte, dann hatte das Konsequenzen, dann konnte es sehr wohl sein, dass man das mit seinem Leben bezahlen musste, wenn man den Mut hatte, gegen den Strom zu schwimmen, vor dem Standbild dieses Kaisers nicht niederzufallen. Doch Christus lässt seinen Christen ausrichten: Dieser Kaiser hat nicht alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Die habe allein ich, Christus, der Auferstandene. Der Kaiser mag noch so brutal versuchen, seine Machtansprüche durchzusetzen. Am Ende wird auch er vor mir auf die Knie sinken und mich anbeten müssen. Lasst euch darum von ihm nicht einschüchtern!

Und was Christus damals den Christen schrieb, gilt für uns heute genau so. Wir haben viel weniger zu befürchten, wenn wir uns nicht an das anpassen, was alle anderen machen und für richtig halten. Und was für den Kaiser damals galt, gilt eben auch für die, vor denen wir heute so leicht einknicken mögen: Was all die anderen denken und machen, wird am Ende gar nicht wichtig sein. Herr ist nur einer: Jesus Christus. Der orientiert sich nicht an Mehrheitsmeinungen; der ist nicht von unserer Anerkennung abhängig. Aber sehr wohl sind wir von seinem Urteil über unser Leben abhängig. Was andere Menschen jetzt über uns denken, das wird sich am Ende unseres Lebens einmal als völlig unwichtig herausstellen. Aber was Christus über dich denkt, das allein wird einmal zählen.

Darum hör auf den Gruß deines Herrn Jesus Christus, ja, mehr noch, lass dich von ihm rufen. Er hat auch euch alle miteinander in der Taufe zu Königen und Priestern gemacht, zu Menschen, die sich nicht von der Meinung anderer beherrschen lassen müssen, ja mehr noch: die direkten Zugang zu Gott haben. Der Herr, der dir seine Grüße ausrichten lässt, ist nicht weit weg von dir, schickt dir die Grüße nicht vom anderen Ende der Welt. Sondern er ist heute Morgen hier in unserer Mitte, lädt dich ein, ihm zu begegnen, ihn leibhaftig zu empfangen im Heiligen Mahl. Priester bist du – das heißt: Du musst keine Angst haben, dich dem Altar zu nähern. Du darfst kommen und Gott, dem Herrn aller Herren, begegnen. Er staucht dich nicht zusammen. Er schenkt dir im Gegenteil immer wieder einen Neuanfang. Denn auch für dich hat er sein Blut vergossen am Kreuz.

Nein, Christus ist nicht Möbel Hübner, der schickt seine Grüße nicht bloß allgemein in die Welt hinaus, ohne diejenigen überhaupt zu kennen, die er da grüßt. Er kennt dich genau, hat doch auch deine Schuld am Kreuz auf sich genommen, hat doch auch dich ganz persönlich in der Taufe beim Namen gerufen, wie er dies auch bei Julia heute Morgen gemacht hat. Wenn er jetzt seine Grüße ausrichtet, dann meint er wirklich dich, blickt dich dabei an, voller Liebe – und nur mit diesem einen Wunsch: Dass du seinen Gruß nicht achtlos beiseite packst und ihn gleich wieder vergisst.

Er will dich doch auch heute und immer wieder vorbereiten auf die Begegnung mit ihm, die schließlich einmal allen Menschen bevorstehen wird. Von einem Augenblick auf den anderen wird Christus den Schleier vor unseren Augen wegreißen, und dann werden wir ihn alle miteinander sehen, werden erkennen, wer der Herr unseres Lebens, wer der Herr der Welt in Wirklichkeit ist.

Ja, Gott geb’s, dass wir das einmal voller Freude schauen werden, dass wir ihn wiedererkennen werden, ihn, unseren Herrn. Ja, Gott geb’s, dass wir nicht zu denen gehören werden, die dann einmal wehklagen werden, die dann einmal feststellen werden, was für Idioten sie gewesen sind, weil sie ihn, Christus, sein Wort, seine Grüße, seine Einladung nicht ernst genommen hatten, weil ihnen alles mögliche Andere wichtiger war als er, Christus, allein. Ja, Gott geb’s, dass wir jetzt schon immer wieder mit dabei sind bei der Generalprobe für die ganz große Ankunft unseres Herrn Jesus Christus, dass wir mit dabei sind, wenn derselbe Herr, den einmal alle mit ihren Augen schauen werden, jetzt schon zu uns kommt in den Gestalten von Brot und Wein! Das ist die einzige Zukunftsvorsorge, die am Ende wirklich zählt, die auf jeden Fall Bestand hat. Vergessen wir das bloß nicht! Übrigens – ich soll euch schön grüßen von dem, der da ist und der da war und der da kommt! Amen.