27.05.2012 | 1. Korinther 2,12-16 | Heiliges Pfingstfest

In der vorletzten Woche erhielt ich einen wenig erfreulichen Brief: Eine Frau aus Hessen hatte den Bericht über die Taufen von Christen aus dem Iran in der Osternacht in unserer St. Marienkirche in der Zeitschrift idea-Spektrum gelesen und meinte nun, darüber ihr Urteil abgeben zu müssen: Offenbar gehört sie einer Gruppe an, die sich selber als einzig wahre Christen ansehen, und so erklärte sie mir zunächst einmal, dass das ja gar keine richtigen Taufen gewesen seien, die ich da vollzogen hätte, da die Täuflinge ja nicht untergetaucht worden seien. Vor allem aber wisse sie genau, dass sich die Täuflinge, die ich getauft hätte, alle gar nicht richtig bekehrt hätten, sondern sich nur hätten taufen lassen, um auf diese Weise hier in Deutschland als Asylbewerber anerkannt zu werden. Und ich selber, dessen war sie sich gewiss, hätte diese Taufen umgekehrt nur vollzogen, um auf diese Art und Weise meine Gemeindestatistik verschönern zu können. All das wolle sie nun auch dem zuständigen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mitteilen. Dort beim Bundesamt wird sie mit dieser Auffassung auch sicher auf große Zustimmung stoßen, denn genau so werden dort ja auch iranische Asylbewerber, die sich hier in Deutschland taufen lassen, in aller Regel beurteilt: Das können die doch gar nicht ernst meinen, was sie da machen; die wollen nur einen Taufschein, mehr nicht.
Schwestern und Brüder: Es ist schon erschütternd, wie da ein schwer erträglicher frommer Richtgeist und ein völliges Unverständnis von Behörden, die von geistlichen Dingen herzlich wenig Ahnung haben, Hand in Hand arbeiten, richten und verurteilen. Doch zu überraschen braucht uns das eigentlich nicht. Genau dieselbe Erfahrung hatte auch schon vor knapp 2000 Jahren der Apostel Paulus damals gemacht, so können wir es der Predigtlesung des heutigen Pfingstfestes entnehmen: Da hatte er auch mit superfrommen Christen in der Gemeinde in Korinth zu tun, die sehr schnell ihr Urteil über den Apostel Paulus und sein Wirken gefällt hatten: Der hatte doch gar keine Ausstrahlung, der hatte doch offenbar gar nicht den Heiligen Geist. Sonst würde er immer nur glücklich sein, würde genau wie sie eine großartige geistliche Erfahrung nach der anderen machen, würde auch wie sie von einer Ekstase in die nächste geraten. Und weil er das eben nicht tat, war für sie klar: Der Apostel Paulus gehört überhaupt nicht zu den wahrhaft geistlichen Menschen.
Ja, das ist ein Phänomen, das der Apostel Paulus damals genauso wahrnahm wie wir heute, dass Menschen sich immer wieder anmaßen, Urteile über geistliche Dinge fällen zu können, und dabei selber von ganz ungeistlichen Grundlagen ausgehen. Sie haben ihre ganz eigenen Maßstäbe, was sie für geistlich halten und was nicht, was aus ihrer Sicht möglich ist und was nicht, und diese Maßstäbe lassen sie selber von nichts und niemandem hinterfragen, die erscheinen ihnen so offensichtlich, dass man dagegen überhaupt nicht mehr argumentieren kann.
Ja, was soll man da eigentlich noch dagegensetzen, wenn damals Leute behaupteten, der Paulus sei eigentlich wohl gar kein richtiger Christ? Was soll man da eigentlich noch dagegensetzen, wenn heute Leute behaupten, das könne doch gar nicht mit rechten Dingen zugehen, dass gleich vierzehn frühere Muslime auf einmal sich taufen lassen, das könnten die doch gar nicht ernst meinen, das könne man doch nur damit erklären, dass die sich irgendwelche persönlichen Vorteile durch ihre Taufe erhofften? Ja, was soll man da eigentlich noch dagegensetzen als allein das persönliche Zeugnis, dass das nicht stimmt, dass das eine ganz böse Unterstellung ist, schwerlich vereinbar mit dem achten Gebot, ja mit Jesu Verbot, über andere zu richten?
Paulus macht es den Korinthern hier in unserer Predigtlesung sehr deutlich: Wer von einer ungeistlichen Grundlage aus versucht, geistliche Dinge zu beurteilen, kann am Ende nur völlig schiefliegen, kann man Ende nur zu ganz abstrusen Einschätzungen und Beurteilungen kommen. Das Wirken des Heiligen Geistes, es entzieht sich eben allen menschlichen, natürlichen Beurteilungen, lässt sich nicht so ableiten und erklären, wie uns dies zunächst einmal einleuchten mag.
Das gilt gewiss für staatliche Behörden, die sich in unserem Land immer wieder neu anmaßen, beurteilen zu können, wer denn aus ihrer Sicht nun ein richtiger, ehrlicher Christ ist und wer nicht. Dass ein Mensch, der hierher nach Deutschland gekommen ist, ohne Ahnung vom christlichen Glauben zu haben, hier in Deutschland durch Gottes Wort und Geist zum christlichen Glauben bekehrt werden kann, erscheint ihnen erst einmal grundsätzlich unglaubwürdig. Dass es im Iran zurzeit eine große christliche Erweckung gibt, dass Menschen in großen Scharen in die Untergrundkirchen strömen, auch wenn sie dabei ihr Leben riskieren, und froh sind, wenn sie am Ende den Schergen des Regimes noch rechtzeitig hierher nach Deutschland entkommen konnten, passt nicht in die Schubladen der meisten, die die Echtheit von Asylbegehren in unserem Land zu überprüfen haben. Paulus formuliert es hier sehr drastisch und eindeutig: „Der natürliche Mensch vernimmt nichts vom Geist Gottes; es ist ihm eine Torheit, und er kann es nicht erkennen; denn es muss geistlich beurteilt werden.“
Aber der Apostel Paulus setzt hier noch einen drauf: Er sagt: Es sind nicht nur die Nichtchristen, die keinerlei Gespür und Verständnis für das Wirken des Geistes Gottes haben und darum nicht begreifen können, was in einer christlichen Gemeinde in Wirklichkeit geschieht. Es sind leider auch immer wieder Christen, die, ohne es selber wahrzunehmen, ganz ungeistliche Maßstäbe zur Beurteilung von anderen Christen und von dem, was in christlichen Gemeinden geschieht, anlegen. Für die Gegner des Paulus waren damals beispielsweise nur diejenigen richtige Christen, die bestimmte emotionale Erlebnisse oder bestimmte ekstatische Erfahrungen im Glauben vorweisen konnten, die entsprechend eine ganz bestimmte Form von Frömmigkeit praktizierten. Dass jemand, der immer wieder krank war, der immer nur von dem gekreuzigten Christus predigte, wirklich ein Bote des auferstandenen Christus sein könnte, das konnten sie sich einfach nicht vorstellen. Doch Paulus dreht den Spieß um: Er sagt: Menschen, die solche ungeistlichen Maßstäbe an andere Christen anlegen, die zeigen damit, dass sie selber noch geprägt sind vom Geist der Welt, zeigen damit, dass sie offenbar selber gar nicht vom Geist Gottes geleitet werden. Sonst würden sie nicht Maßstäbe an andere Christen anlegen, die selber gar nicht dem Zeugnis von Christus entsprechen.
Und genau das müssen wir auch heute denen entgegenhalten, die selber betonen, dass sie Christen sind, und zugleich glauben, anderen Christen ins Herz sehen zu können, beurteilen zu können, wer denn nun ein wahrer, wiedergeborener Christ ist und wer nicht: Eure Maßstäbe sind, auch wenn sie ganz fromm klingen mögen, doch letztlich vom Geist der Welt und nicht vom Geist Gottes geprägt, der doch ein Geist der Liebe ist.
Schwestern und Brüder, ich bin froh darüber, dass sich in unserer Gemeinde dieser Geist der Welt, dieser Richtgeist nicht breit macht, dass wir das, was wir nun auch heute Morgen hier in der Kirche miterlebt haben, miteinander in der Tat geistlich beurteilen: Jawohl, da ist Gottes Geist am Werk gewesen, hat die Herzen von Menschen verändert, die sich vor einiger Zeit tatsächlich noch nicht hätten vorstellen können, jemals Christen zu werden. Jawohl, da ist Gottes Geist am Werk gewesen, hat Menschen zum Glauben an Jesus Christus geführt, hat sie heute nun im Wasserbad der Heiligen Taufe zum ewigen Leben berufen und gerettet.
Warum sage ich das mit so großer Gewissheit? Ich sage das nicht bloß, weil ich auch bei unseren heutigen Täuflingen ein sehr gutes Gefühl habe, dass sie es alle miteinander sehr ernst meinen mit dem, was sie heute hier bekannt haben, und damit auch mit ihrer Absage an den Islam. Ich muss mich nicht mit meinen Gefühlen, mit meiner Menschenkenntnis begnügen. Sondern der Apostel nennt uns hier ein ganz klares Erkennungszeichen dafür, dass Menschen den Geist aus Gott haben, nämlich „dass wir wissen können, was uns von Gott geschenkt ist.“
Darin besteht der Glaube eines Christen: nicht in irgendwelchen Gefühlen und Erlebnissen, sondern in der Erkenntnis dessen, von Gott beschenkt zu sein, nichts selber zum eigenen Heil tun zu müssen, sondern sich einfach von Gott beschenken lassen zu dürfen. Das ist eben genau das Gegenteil von aller menschlichen Religiosität, den Islam eingeschlossen, die immer wieder glaubt, wir Menschen müssten etwas für Gott tun, müssten irgendwelche guten Werke tun, müssten anständig leben, müssten Opfer darbringen, um Gott zu gefallen. Nein, im Glauben erkennen wir: Nicht wir müssen etwas tun, sondern Gott hat alles getan, hat seinen Sohn Jesus Christus zu uns geschickt, hat ihn für uns am Kreuz sterben lassen und hat ihn für uns auferweckt, hat uns an seinem Tod und seiner Auferstehung Anteil gegeben in der Heiligen Taufe. Von Gott beschenkt zu werden – darum geht es in jedem Gottesdienst, in dem zunächst und vor allem Gott uns dient und nicht wir Gott dienen, darum geht es in besonderer Weise, wenn wir im Heiligen Mahl den Leib und das Blut unseres Herrn mit unserem Mund empfangen. „Dass wir wissen, was uns von Gott geschenkt ist“ – genau das wissen unsere Täuflinge, das haben sie im Taufunterricht erfahren, und genau das ist es, was sie dazu veranlasst hat, sich vom Islam loszusagen.
Ja, dass dies Gabe und Wirkung des Geistes Gottes ist, kann ich in der Tat nur erkennen, wenn ich selber den Geist Gottes habe. Und von daher werden wir uns auch weiterhin der absurden Übung stellen müssen, deutschen Behörden und deutschen Gerichten erklären zu müssen, was sich ohne Gottes Geist doch gar nicht verstehen lässt und nur als Schwachsinn erscheinen muss. Doch hier in unserer Gemeinde wollen wir uns von Herzen über dieses Wirken des Geistes Gottes freuen, das wir heute in unserer Mitte wieder erleben durften, darüber, dass nun auch heute wieder Menschen aus dem Gebiet der Parther und Meder und Elamiter wie beim ersten Pfingstfest in Jerusalem auch dem Ruf des heiligen Petrus gefolgt sind: „Kehrt um, und jeder von euch lasse sich taufen auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung der Sünden, so werdet ihr empfangen die Gabe des Heiligen Geistes.“   Ja, Gott geb’s, dass wir geistlich beurteilen, was wir hier und heute erleben, dass wir uns auch nicht von der Dauer eines Gottesdienstes den Blick für das Wunder verstellen lassen, das hier und heute in unserer Mitte geschieht! Ja, Gott geb’s, dass uns dies auch für uns selber aufgeht, worauf es im Glauben letztlich allein ankommt: „dass wir wissen können, was uns von Gott geschenkt ist.“ Ja, lasset mich voll Freuden sprechen: Ich bin ein getaufter Christ, der bei menschlichen Gebrechen dennoch ein Kind Gottes ist. Was sind alle Schätze nütze, da ich einen Schatz besitze, der mir alles Heil gebracht und mich ewig selig macht! Amen.