19.08.2012 | Galater 2,16-21 | 11. Sonntag nach Trinitatis

Was ist die wichtigste Frage deines Lebens? Nein, die wichtigste Frage deines Lebens ist nicht, ob Hertha BSC in die dritte Liga absteigen wird oder nicht, ob Dortmund auch in dieser Saison wieder deutscher Fußballmeister wird oder nicht. Die wichtigste Frage deines Lebens ist auch nicht die, ob du später mal eine ausreichende Rente bekommen wirst und was der Euro wohl in einigen Jahren wert sein wird. Die wichtigste Frage deines Lebens ist auch nicht die, ob es dir wohl gelingen wird, ein privates Familienglück aufzubauen und zu bewahren. Ja, die wichtigste Frage deines Lebens ist auch die nicht, wie viele Menschen wohl einmal später an deinem Grab stehen und dich betrauern werden. Sondern die wichtigste Frage deines Lebens ist einzig und allein die, wie Gott am Ende deines Lebens einmal über dich und dein Leben urteilen wird. Das ist die einzige Frage, auf die es in deinem Leben schließlich einmal wirklich ankommen wird.

Wir alle kennen genügend Menschen, die angesichts dieser Behauptung nur den Kopf schütteln würden: Lass den Quatsch, glaube nicht an Gott, dann kannst du dir diese Frage schenken und dich anderen, wirklich wichtigen Fragen in deinem Leben zuwenden! Doch so einfach können wir es uns eben nicht machen: Wir können zwar in unserem Leben davor die Augen verschließen, dass wir uns vor Gott einmal werden verantworten müssen. Aber das hält Gott eben nicht davon ab, uns trotzdem nach unserem Leben zu fragen. Und wenn wir ehrlich sind, dann sagt uns das auch schon unser Gewissen, dass wir für unser Leben einmal zur Rechenschaft gezogen werden, dass wir einmal mit eben dieser Frage konfrontiert werden, ob wir am Ende unseres Lebens schuldig oder unschuldig sind. Ja, der, der uns das Leben geschenkt hat, der hat auch das Recht dazu, uns danach zu fragen, was wir aus diesem Leben gemacht haben.

Doch wenn es denn so ist, dass wir vor Gott einmal werden antreten müssen, wie sollen wir mit dieser Aussicht umgehen?

In unserem Land wird mit dieser Aussicht zumeist eher karnevalistisch-humoristisch umgegangen: Am häufigsten, so habe ich den Eindruck, wird diese Frage in der Faschingszeit behandelt, und die Antwort ist immer wieder dieselbe: Der liebe Gott ist kein Spaßverderber; der wird am Ende schon nicht so genau hingucken und schließlich doch alle in den Himmel lassen. Die etwas spießigere, humorfreie Variante, die am Ende aber doch auch zum selben Ergebnis führt, lautet: Ich bin doch immer ein anständiger Mensch gewesen, habe mir nie etwas zuschulden kommen lassen – also wird der liebe Gott mit mir am Ende schon ganz zufrieden sein, erst recht, wenn er mich mal mit anderen Leuten vergleichen wird. Da wird er dann schon merken, was er an mir hat. Wenn er mich nicht in den Himmel lässt – wen will er denn dann aufnehmen? Mit Mutter Teresa allein würde es da oben wohl doch eher langweilig werden! 

Dieselbe Variante gibt es auch in etwas frömmer: Ich habe doch ein wirklich christliches Leben geführt, war regelmäßig in der Kirche, habe viel von dem, was ich besaß, gespendet, habe mich für andere innerhalb und außerhalb der Gemeinde so gut eingesetzt, wie ich konnte. Das muss ja wohl reichen, wenn es am Ende drauf ankommt.

Immer wieder ist der Gedanke, der hinter solchen Antworten steht, derselbe: Wir müssen etwas tun, womit Gott zufrieden ist, wir müssen ihm die nötigen Argumente liefern, damit er uns am Ende annimmt, wir müssen Gott mit dem, worauf wir verzichten und was wir Gutes tun, so sehr beeindrucken, dass er am Ende grünes Licht gibt für unseren Weg in den Himmel.

Nach genau diesem Prinzip funktionieren grundsätzlich alle Religionen: Ob es Zarathustra ist, der die drei Grundsätze „Gut denken, gut reden, gut handeln“ aufstellte, oder ob es der Islam ist, in dem heute gerade die Fastenzeit endet, deren Einhaltung eine der fünf Säulen des Islam ist, deren Beachtung doch erheblich die Chancen eines Muslim steigert, vielleicht doch von Gott angenommen zu werden. Ja, selbst und gerade atheistische Ideologien sind nach diesem Muster gestrickt, dass wir Menschen etwas tun und leisten müssen, um dafür – von welcher Instanz auch immer – den uns zustehenden Lohn zu empfangen.

Doch was ist, wenn Gottes letztes Gericht eben keine Karnevalsveranstaltung ist, wenn Gott sich von unserem Verweis darauf, dass wir doch ganz anständige Menschen sind, ebenso wenig beeindrucken lässt, wie ein weltlicher Richter sich davon beeindrucken lässt, dass ein Bankräuber darauf verweist, dass er gerade neulich einer alten Dame über die Straße geholfen habe? Was ist, wenn Gott keine Quote kennt und gerade nicht die besten 25% der Menschheit in den Himmel lässt? Was ist, wenn Gott unser Leben einfach an dem Maßstab seiner guten Gebote misst und danach fragt, ob wir unser Leben daran ausgerichtet haben? Ja, was ist, wenn wir merken, dass wir selber an diesen Geboten immer wieder scheitern?

Dann haben wir ein echtes Problem, und es hat im Verlauf der Menschheitsgeschichte nicht an Versuchen gefehlt, dieses Problem zu lösen: Wir müssen uns eben noch mehr anstrengen, haben manche geraten; vielleicht können wir damit das Schlechte in unserem Leben doch irgendwie ausgleichen. Vielleicht helfen auch Spenden an Gottes Bodenpersonal, haben andere als Ausweg gesehen. Vielleicht kann man sich ja doch aus der ganzen Geschichte irgendwie freikaufen. Oder wir ergeben uns einfach unserem Schicksal, machen das Beste aus unserem Leben hier, weil wir am Ende ja doch in der Hölle landen, so antworten beispielsweise nicht wenige Muslime.

In unserer heutigen Predigtlesung nennt uns der Apostel Paulus eine, nein: die Antwort auf diese entscheidende Frage, wie wir vor Gott bestehen können. Ja, es ist die Antwort schlechthin, weil sie nicht unseren menschlichen Vorstellungen und Bemühungen entspringt, sondern von Gott redet, von dem, was er für uns getan hat, damit seine Frage nach unserem Leben am Ende eben nicht bei uns in einer Katastrophe endet. Paulus spricht nicht von dem, was wir tun müssen, sondern er spricht von dem, was Gott getan hat, spricht von Jesus Christus, der sein Leben für uns in den Tod gegeben hat, um unser Verhältnis zu Gott ein für allemal in Ordnung zu bringen.

Damals, als der Apostel Paulus seinen Brief an die Christen in Galatien schrieb, ging es um die Frage, ob ein Mensch, der vorher kein Jude gewesen war, erst noch Jude werden musste, bevor er dann auch Christ werden konnte, ob er sich erst einmal dazu verpflichten musste, das alttestamentliche Gesetz ganz einzuhalten, bevor er getauft werden konnte. Die Antwort des Apostels Paulus ist klar: Wichtig ist einzig und allein, ob ein Mensch an Jesus Christus glaubt, ob er daran glaubt, dass Christus auch für ihn am Kreuz gestorben ist. Das allein macht einen Christen zum Christen, sonst nichts. Wenn das wirklich stimmt, dass Christus für uns am Kreuz gestorben ist, dann zählt das allein, dann kann das nicht noch durch etwas ergänzt werden, was wir tun müssen, und dann braucht das auch nicht durch irgendetwas ergänzt zu werden. Wenn ich am Ende doch Gott mit dem beeindrucken muss, was ich in meinem Leben geschafft und geleistet habe, wie brav und fromm ich gewesen bin, dann brauche ich Christus nicht, dann muss ich am Ende letztlich doch allein vor Gott klarkommen – und wie sollte ich das bloß ohne Christus schaffen!?

Denke daran, wenn du vielleicht doch glauben solltest, der liebe Gott würde dich in den Himmel lassen, weil du so brav gewesen bist: Dann brauchst du Christus nicht, dann hätte er für dich nicht sterben müssen. Denke daran, wenn du vielleicht doch glauben solltest, der liebe Gott würde das am Ende mit der Sünde vielleicht doch alles nicht so ernst nehmen und am Ende doch bei allen ein Auge zudrücken: Dann bräuchten wir Christus nicht, dann hätte er nicht für uns sterben müssen. Ja, denke daran, wenn du irgendwie den Eindruck hast, bei dir sei in deinem Leben eigentlich doch alles in Ordnung; eigentlich müsse der liebe Gott mit dir doch ganz zufrieden sein: Schau auf ihn, den Gekreuzigten, damit du es wieder neu lernst und begreifst: Der hängt da auch für dich, weil auch du ihn brauchst, weil auch du ohne ihn verloren wärst. Ja, mit der Hingabe seines Sohnes am Kreuz ist Gott all unseren Versuchen zuvorgekommen, uns den Eintritt in den Himmel doch irgendwie selber verdienen zu wollen.

Wenn nun Gott alles selber tut, damit wir am Ende unseres Lebens in seinen Augen richtig dastehen – können wir dann als Christen leben wie die letzten Schweine? Kommt ja doch nicht drauf an, was wir tun; Jesus ist ja doch für uns am Kreuz gestorben!

Doch wer so denkt, der hat noch überhaupt nichts von dem verstanden, was Jesus Christus für uns getan hat. Wem einmal aufgegangen ist, was es bedeutet, dass der Gekreuzigte die Antwort auf die wichtigste Frage unseres Lebens ist, dem wird dieser Gekreuzigte im Leben natürlich auch immer lieber und wichtiger werden. Wenn ich um Christi willen keine Angst mehr davor haben muss, wie Gott wohl einmal über mein Leben urteilen wird, dann kann mir dieser Christus nicht mehr egal sein, dann kann ich ihn in meinem Leben nicht einfach zur Seite packen und seine Einladung ignorieren. Dann möchte ich natürlich an diesem Christus dran bleiben, ganz nah bei ihm sein, meinem Herrn und Retter.

Und nah dran bin ich an Christus ja allemal: Seit meiner Taufe bin ich so eng mit ihm verbunden, dass der Apostel Paulus hier schreiben kann: Ich lebe – doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir! Dieser Christus, der für mich am Kreuz gestorben ist, der hat in meinem Leben das Kommando übernommen; er bestimmt es, er prägt es, er bewahrt mich davor, doch wieder auf das zu schielen, was ich alles an Gutem getan habe und was ich dem lieben Gott dann doch so gerne als mein Verdienst präsentieren würde.

Christus lebt in mir – und der ist für Schweinereien eben nicht zu haben, der ist nicht dafür zu haben, dass wir unseren christlichen Glauben nur als unverbindliches Hobby betreiben. Dafür hat er zu viel für uns eingesetzt, um am Ende doch nur eine Randexistenz als Maskottchen in unserem Leben zu führen.

Ach, liebe Schwester, lieber Bruder, das wünsche ich mir, dass du diese drei Dinge heute aus diesem Gottesdienst, aus dieser Predigt mitnimmst: Dass du weißt, was die wichtigste Frage deines Lebens ist, nämlich wie Gott einmal über dein Leben urteilen wird. Dass du zweitens weißt, wer die entscheidende Antwort auf diese Frage ist: nämlich Jesus Christus, dein Herr, der für deine Schuld am Kreuz gestorben ist und dir deine Schuld immer wieder vergibt. Und dass du drittens weißt, was das für dein Leben bedeutet: Dass du nämlich in Verbindung mit Christus lebst, immer wieder erfährst, wie er in dir Wohnung nimmt, wenn du sein Wort hörst und sein Heiliges Mahl empfängst. Ja, so einfach, so schön ist das mit dem christlichen Glauben: Hauptsache, du weißt, was du an Christus hast, an ihm, der für dich am Kreuz gestorben ist und nun in dir lebt. Dann werde ich dich eben auch nicht bloß hier zum Gemeindefest in der Kirche zu sehen bekommen, dann wirst du von selbst immer wieder Christus begegnen wollen. Denn mit ihm kommst du einmal in den Himmel, ganz gewiss! Amen.