09.09.2012 | 1. Thessalonicher 1,2-10 | 14. Sonntag nach Trinitatis
Wie soll das mit unserer Gemeinde bloß weitergehen? Wie sollen wir die vielen Menschen, die zu uns in den Gottesdienst kommen, alle noch bei uns unterbringen? Wie sollen wir das schaffen, genügend frische Luft hier in diesen Kirchraum zu bekommen? Wie sollen wir mit den baulichen Problemen bei unserer Dreieinigkeitskirche in Steglitz umgehen? Ja, wie sollen wir überhaupt damit umgehen, dass wir hier in unserer Gemeinde vor so vielen Herausforderungen gleichzeitig stehen: bald schon 1000 Gemeindeglieder, eine Gemeinde, die aus Menschen so unterschiedlicher Herkunft besteht, und dazu dann noch die ganzen nötigen und möglichen Baugeschichten? Ja, wie soll das bei uns alles bloß weitergehen?
Genau diese Frage hatte sich damals auch der Apostel Paulus angesichts der Gemeinde in Thessalonich gestellt: Wie soll das mit der Gemeinde bloß weitergehen? Nur einige Wochen war er in Thessalonich gewesen, hatte dort das Evangelium gepredigt, hatte noch die allerersten Anfänge der Gemeinde miterleben und mitgestalten können. Aber dann bekamen er und die Gemeinde ganz gewaltigen Ärger, weil so viele Gastmitglieder der jüdischen Synagogengemeinde sich taufen ließen und in die christliche Gemeinde überwechselten. Daraufhin organisierte die jüdische Synagogengemeinde einen Schlägertrupp und zwang Paulus damit, Thessalonich sehr viel schneller wieder zu verlassen, als er dies ursprünglich geplant hatte. Ja, auch das hat es damals gegeben; auch jüdische Gemeinden haben sich nicht immer nur nett benommen. Aber kommen wir bitte ja nicht auf die Idee, das auch nur irgendwie mit dem verrechnen zu wollen, was später umgekehrt Juden angetan worden ist, leider immer wieder auch von Christen! Der Paulus reiste jedenfalls nach seiner überstürzten Abreise weiter Richtung Athen, aber die Frage ließ ihm natürlich keine Ruhe: Wie soll das mit der Gemeinde in Thessalonich nun bloß weitergehen? Wird es sie überhaupt noch geben, wenn ich jetzt nicht mehr da bin? Lange hält Paulus die Frage nicht aus; er schickt den Timotheus von Athen nach Thessalonich, denn Handys waren damals noch nicht so verbreitet. Und dann kommt der Timotheus aus Thessalonich wieder und bringt gute Nachrichten: Die Gemeinde in Thessalonich blüht, wächst und gedeiht. Deine ganzen Sorgen um die Gemeinde waren überflüssig. Und da schreibt der Apostel Paulus nun einen Brief an die Christen in Thessalonich, dessen Anfang wir eben in unserer Predigtlesung vernommen haben. Ein einziger großer Dank ist dieser Briefanfang, ein einziger großer Dank, der auch uns helfen kann, mit unseren Fragen danach, wie es mit unserer Gemeinde bloß weitergehen kann, noch einmal ganz anders umzugehen. Wir können all diese Fragen nur recht angehen, wenn wir zunächst und vor allem immer wieder danken, danken und noch einmal danken
- für die Predigt des Evangeliums
- für das Wirken des Heiligen Geistes
- für das Leben der Gemeinde
I.
Wie schafft man es, eine Gemeinde zu gründen oder eine Gemeinde zum Wachsen zu bringen? Schwestern und Brüder, der Apostel Paulus gibt uns auf diese Frage, die heute die Kirche immer wieder so bewegt, keine Antwort. Er gibt uns keine Tipps und nennt uns keine Tricks, wie man das hinbekommt, denn Gemeindewachstum ist niemals etwas, was wir Menschen bewerkstelligen können. Wohl aber beschreibt der Apostel, was damals in Thessalonich geschehen ist, wie Gott dort seine Gemeinde gebaut hat, spricht dabei allerdings auch von dem, was er den Thessalonichern dort vor Ort verkündigt hat. Und das ist eben nicht egal, sondern tatsächlich für den Bau einer Gemeinde von entscheidender Bedeutung.
Wenn man sich die Predigtvorbereitungsliteratur für diesen Sonntag anschaut, dann fällt auf, dass die Autoren um die beiden letzten Verse unserer heutigen Predigtlesung immer einen großen Bogen machen, in denen der Apostel den Inhalt seiner Predigt in Thessalonich zusammenfasst. Das passt doch nicht in unsere heutige Verkündigung, dass der Apostel so deutlich zwischen dem lebendigen Gott und den Abgöttern unterscheidet, dass er von Bekehrung redet, von der Auferstehung Christi und der Erwartung seiner Wiederkunft, ja von der Rettung vor dem zukünftigen Zorn! Stattdessen wird man in der Predigtvorbereitungsliteratur dazu angeleitet, der Gemeinde einfach davon zu erzählen, was in ihr gut läuft und was in ihr nicht so gut läuft und sich darüber ein paar Gedanken zu machen. Doch wo zentrale Inhalte der christlichen Verkündigung preisgegeben werden und durch ein Wohlfühlevangelium und ein bisschen Kuschelkirche ersetzt werden, da mögen das zwar nicht wenige Zuhörer nett und angenehm finden – doch Verheißung hat solch ein Versuch, Kirche und Gemeinde zu bauen, nicht. Verheißung hat der Bau der Gemeinde nur da, wo wir zunächst und vor allem beim apostolischen Evangelium bleiben, es nicht verfälschen oder verkürzen. Und zu diesem apostolischen Evangelium gehört eben, dass der lebendige Gott nicht einfach ein beliebiges religiöses Angebot unter vielen ist, sondern der einzige, der mit Recht den Anspruch erheben kann, dass wir ihn anbeten. Und dieser lebendige Gott ist eben daran zu erkennen, dass er einen Sohn hat, den er von den Toten auferweckt hat. Ein Gott, der sich nicht durch die Auferweckung seines Sohnes zu erkennen gibt, ist nicht der lebendige Gott, sondern Abgott, so macht es Paulus deutlich, und so haben auch wir es zu verkündigen. Von einem Gott, der sich nicht durch die Auferweckung seines Sohnes den Menschen gezeigt hat, können und sollen wir uns abwenden, umkehren zu dem einen wahren Gott, der gezeigt hat, dass er stärker ist als der Tod, dass auch wir durch ihn die Hoffnung des ewigen Lebens haben. Nein, diese Umkehr ist nicht bloß eine Geschmackssache. Sondern sie vollzieht sich in der Erwartung des wiederkommenden Christus. Vor seinem Kommen brauchen wir uns nicht zu fürchten, dürfen uns im Gegenteil darauf von Herzen freuen, denn sein Kommen bedeutet für alle, die an ihn, Christus, glauben, nicht weniger als die Rettung, so betont es der Apostel hier. Nein, es geht wirklich nicht bloß darum, ob ich mich in einer christlichen Gemeinde wohlfühle und ganz nett finde, was dort alles so veranstaltet wird. Es geht darum, ob ich dem kommenden Christus voller Freude entgegenblicken kann oder nicht, ob ich darauf vertraue, dass er meine Zukunft ist, dass er mich einmal freisprechen wird, wenn ich mich für mein Leben vor Gott verantworten muss. Um diese letzten Realitäten – um den lebendigen Gott, den Schöpfer allen Lebens und den Schöpfer neuen Lebens aus dem Tod, und um unsere letzte Verantwortung für unser Leben – geht es in der christlichen Verkündigung, und in dem allen immer wieder um Christus, Christus und noch einmal um Christus. Wo er als der Retter verkündigt wird, da wird Glaube gewirkt, da allein kann Kirche wachsen.
Und von daher haben wir in der Tat allen Grund, Gott zu danken für das, was auch wir hier in unserer Gemeinde erleben, haben allen Grund, Gott zu danken, dass in unserer Kirche und Gemeinde eben dieses apostolische Evangelium unverkürzt und unverfälscht verkündigt wird, ja, dass ihr dieses apostolische Evangelium kennt und annehmt und von keinem anderen wissen wollt. Und eben darum braucht uns auch vor der Zukunft unserer Gemeinde wahrlich nicht bange zu sein.
II.
Nun könnte man allerdings das, was ich euch gerade eben gesagt habe, gleich auch wieder ganz gründlich missverstehen: Man könnte es so missverstehen, als ob der Bau einer Gemeinde von den Predigtkünsten eines Pastors abhinge, davon, wie er es hinbekommt, das Evangelium zu verkündigen. Doch genau dagegen wendet sich der Apostel selber hier in seiner Danksagung mit aller Deutlichkeit: „Unsere Predigt des Evangeliums kam zu euch nicht allein im Wort, sondern auch in der Kraft und in dem Heiligen Geist und in großer Gewissheit.“
Ja, wir dürfen gewiss sein: Wo das Evangelium von Jesus Christus verkündigt wird, da wirkt der Heilige Geist, ganz klar. Aber wann und wo der Heilige Geist dann bei einzelnen Menschen durch diese Verkündigung den Glauben wirkt, das haben wir nicht in der Hand, darüber können wir immer wieder nur staunen, wenn dies geschieht. Und Grund zum Staunen haben wir hier in unserer Gemeinde allemal: nicht über den Pastor, nicht über beeindruckende statistische Zahlen, sondern darüber, wie der Heilige Geist bei einem jeden von euch auf seine ganz besondere Weise am Werk gewesen ist und euch zum Glauben an Jesus Christus geführt hat, euch ganz persönlich bekräftigt hat, dass auch ihr zum ewigen Leben in der Gemeinschaft mit Christus berufen seid. Und da können wir tatsächlich einzig und allein Gott danken, was für Wunder er hier in unserer Gemeinde immer und immer wieder wirkt, was für eine Kraft das Evangelium hier in unserer Mitte entfaltet hat.
Schwestern und Brüder: Wenn wir das in unserer Mitte miterleben, wie der Heilige Geist bei uns am Werke ist, wie er den Glauben bei Menschen gewirkt hat, die sich das früher nie und nimmer hätten vorstellen können, dann dürfen wir unsere scheinbar so bedrängenden Fragen danach, wie es denn bloß in unserer Gemeinde weitergehen soll, wie wir all die Probleme, die uns vor Augen stehen, bewältigen sollen, erst einmal ganz weit zurückstellen. Wenn Gott durch seinen Heiligen Geist ein Wunder nach dem anderen vollbringt, dann wird er wohl auch dazu in der Lage sein, uns zur rechten Zeit weiterzuhelfen, wenn es darum geht, Bauprobleme zu lösen oder Wege zu finden, wie wir das Zusammenleben hier in der Gemeinde am besten gestalten. Wir sind eben keine politische Partei und kein Kaninchenzüchterverein; alles, was uns und unsere Gemeinde ausmacht, ist Gabe und Wirkung des Heiligen Geistes. In ihm allein liegt auch unsere Zukunft. Und da bleibt uns in der Tat nur der Dank und noch einmal der Dank und noch einmal der Dank – und zwar an ihn, Gott, allein.
III.
Und wo der Heilige Geist am Werk ist, da wirkt sich das dann natürlich auch im Leben der Gemeinde aus, so beschreibt es der Apostel hier schließlich sehr eindrücklich: Da setzt der Glaube Menschen in Bewegung, da machen sich Gemeindeglieder die Mühe, immer und immer wieder Menschen zu Christus in seine Gemeinde einzuladen, auch wenn sie damit riskieren, abgewiesen und ausgelacht zu werden, da schreiben Gemeindeglieder andere Menschen nicht gleich ab, wenn sie auf das Evangelium nicht gleich wie gewünscht reagieren, sondern haben Geduld mit ihnen, gehen Wege mit ihnen mit, immer im Vertrauen darauf, dass Christus an ihnen zu bewirken vermag, was sie selber nicht können.
Wo der Heilige Geist am Werk ist, da sind Menschen allen Ernstes dazu bereit, Nachteile auf sich zu nehmen, ja ihre Gesundheit und ihr Leben zu riskieren, weil sie vom Glauben an Jesus Christus nicht mehr lassen können, so beschreibt es der Apostel Paulus hier. Ach, wie aktuell sind seine Worte, wenn ich in diesen letzten Wochen und Monaten immer wieder Berichte von den Hausgemeinden im Iran höre, wie sich dort im Iran immer mehr Menschen heimlich versammeln, um mehr von der christlichen Botschaft zu erfahren und Christen zu werden! Ja, allen Grund haben wir, Gott zu danken für den Mut dieser persischen Christen, für die Erweckung, die dort zurzeit geschieht und von der wir hier in Deutschland so wenig wahrnehmen. Und allen Grund haben wir erst recht dazu, Gott dafür zu danken, dass er uns Menschen, die solchen Mut in ihrem Heimatland gezeigt haben, nun auch immer wieder in unsere Gemeinde schickt, dass er es uns miterleben lässt, wie Brüder und Schwestern dazu bereit sind, mit ihrer Taufe und ihrem Christusbekenntnis ihr Leben für Christus zu riskieren! Wie sollten uns da eigentlich noch Worte der Klage und der Sorge über die Lippen kommen!
„Ihr seid ein Vorbild geworden für alle Gläubigen in Mazedonien und Achaja. Denn an allen Orten ist euer Glaube an Gott bekannt geworden“, schreibt der Apostel hier an die Christen in Thessalonich. Ach, mit dem Vorbildsein ist das ja immer so eine Sache. Das können wir selber immer so schlecht beurteilen, ob und wie wir für andere eines sein können. Aber eines ist in der Tat richtig: Gerade in den vergangenen Monaten sind die Entwicklungen hier in unserer Gemeinde tatsächlich in aller Welt bekannt geworden, haben Zeitschriften in Deutschland, in der Schweiz und in den USA darüber berichtet, kommen immer wieder Reporter zu uns in die Gemeinde und sind beeindruckt von dem, was sie hier erleben. Und wir erleben es ja auch hier vor Ort, wie sich unsere Gemeinde in Berlin herumspricht, wie Menschen auf uns aufmerksam werden und kommen und dann schon wieder die nächsten einladen. Nein, all das ist wahrlich kein Grund für uns, uns selber auf die Schulter zu klopfen. Denken wir vielmehr daran, was Paulus hier macht: Er dankt und dankt und dankt – ihm, Gott allein, der damals in Thessalonich und heute bei uns in Berlin so am Werke ist, dass wir uns eben auch mal so überschwänglich freuen dürfen, wie das damals der heilige Paulus auch getan hat.
Wie es mit unserer Gemeinde weitergehen wird – ich weiß es nicht. Aber eines weiß ich: Wir werden auch weiter allen Grund haben, Gott zu danken – für die Predigt des Evangeliums, für das Wirken des Heiligen Geistes in unserer Mitte und für das, was er, der Heilige Geist, in unserer Mitte wirken wird. Ja, das weiß ich, denn ich darf es ja jetzt schon gemeinsam mit dem Apostel sagen, wenn ich euch alle miteinander anschaue, ja, einen jeden von euch ohne Ausnahme: „Wir danken Gott allezeit für euch alle.“ Halleluja! Amen.