06.04.2011 | Mittwoch nach Laetare

VIERTE FASTENPREDIGT ZUM THEMA „WARUM WIR ES ALS CHRISTEN GUT HABEN“:
„WIR DÜRFEN DAUERND FEIERN“

Es gibt nicht wenige Menschen, deren Lebensrhythmus im Wesentlichen bestimmt ist von den Geburtstagsfeiern der Familie und der Verwandten im Laufe eines Jahres: In mehr oder weniger unregelmäßigen Abständen kommt dann jeweils immer derselbe Geburtstagsfeiertrupp zusammen, isst oftmals schon durch die Tradition längst vorgegebene Speisen, trinkt dazu mehr oder weniger viel und unterhält sich. Wenn man diese Menschen nach ihrem Leben fragt, dann wissen sie oftmals eigentlich nicht sehr viel Anderes zu berichten, als eben dies, welche Geburtstagsfeiern denn nun in letzter Zeit dran waren und was man dort gegessen und getrunken hat. Das Leben – ein eher eintöniger Weg zwischen zwei Anlässen, bei Kaffee und Kuchen gemütlich zusammenzusitzen.

Neben dieser eher spießbürgerlichen Art und Weise, sein Leben feierlich zu gestalten, gibt es auch die etwas modernere Variante, dass man auch ganz abgesehen von Geburtstagen versucht, so viel wie möglich Spaß im Leben zu haben. Besonders geeignet ist dafür das Wochenende, und so findet das Leben für nicht wenige Menschen in unserem Lande eigentlich nur von Freitagabend bis Sonntagabend statt: Fünf Tage lang muss man irgendwie durchhalten, bevor dann das eigentliche Leben beginnt, die große Sause, die dann mit kleinen Unterbrechungen 48 Stunden anhält.

Irgendwie steckt das offenbar in uns Menschen drin, dass wir feiern wollen, dass unser Leben auf Feiern angelegt ist, ja dass wir im Feiern eigentlich erst richtig erfahren, was Leben eigentlich heißt. Und an dieser Ahnung, dass wir als Menschen aufs Feiern angelegt sind, ist ja auch biblisch gesprochen eine Menge dran: Jawohl, Feiern ist die letzte und ewige Bestimmung von uns Menschen.

Doch gerade auf diesem Hintergrund ahnen wir zugleich, wie hohl unsere menschlichen Versuche, unser Leben durchs Feiern bestimmt sein zu lassen, in Wirklichkeit sind: Der Horizont der Ewigkeit, er wird wahrlich nicht aufgerissen, wenn der immer gleiche Verwandtentrupp sich nun zum neunten Mal in diesem Jahr zum Kaffeetrinken trifft, über immer die gleichen Themen spricht und sich, wenn es gut geht, aneinander erfreut. Ja, wie armselig ist ein Leben, dessen Perspektive nicht wesentlich über den Kuchentellerrand hinausreicht, wie oberflächlich bleibt eine Freude, die sich nur darauf beschränkt, mit ein paar vertrauten Gesichtern zusammen zu sein! Ja, sollte das wirklich alles sein, was das Leben zu bieten hat? Und wenn dann die Zahl der Mitfeiernden im Laufe der Jahre allmählich weniger wird, wenn sich die Runde im Laufe der Zeit lichtet und das eigene Bedürfnis, solche Geburtstage noch mitfeiern zu wollen, allmählich schwindet – was bleibt dann eigentlich noch vom Leben? Dann bleiben von ihm am Ende nur die Durststrecken zwischen den Feiern übrig, bis man schließlich an der letzten Feier sowieso nicht mehr teilnehmen kann, die die Hinterbliebenen nach der eigenen Beerdigung abhalten.

Und wie hohl ist ebenso ein Leben, dessen Inhalt nur darin besteht, Spaß zu haben und sich zu amüsieren! Was für wesentliche Bereiche des Lebens werden dabei ausgeblendet, wenn man nur darauf aus ist, möglichst oft und intensiv „fun“ zu haben! Das Erwachen ist dann schließlich umso schmerzlicher, wenn man merkt, dass sich das Leben insgesamt eben nicht zu einer großen Spaßveranstaltung umformen lässt, wenn man merkt, dass es im Leben von uns Menschen genügend Dinge gibt, über die man nicht einfach hinwegfeiern kann, Erfahrungen, die einem den oberflächlichen Spaß gründlichst verderben. Ja, was bleibt dann vom Leben, wenn man merkt, dass man eben nicht einfach immer nur Spaß haben kann?

Christen feiern auch, feiern immer wieder, sogar sehr viel öfter als die meisten anderen Menschen. Ja, das ist etwas, was unser christliches Leben schon in besonderem Maße ausmacht und bestimmt, dass wir dauernd feiern. Ja, wir feiern auch Geburtstage, schließlich sind wir nicht bei den Zeugen Jehovas, und wir haben gewiss auch jede Menge Spaß. Doch damit allein hätten wir noch nicht erfasst, was unser Feiern als Christen in besonderer Weise ausmacht und bestimmt.

Seinen tiefsten Sinn erhält unser Feiern als Christen tatsächlich vom Ziel her, von der einen großen Feier her, auf die unser Leben zuläuft und in die es schließlich einmal einmünden wird: Feiern werden wir einmal in alle Ewigkeit – nein, nicht bloß im vertrauten Familien- und Verwandtenkreis, sondern in der unüberschaubar großen Zahl aller Heiligen und Vollendeten, im Kreis der himmlischen Kirche. Feiern werden wir einmal in alle Ewigkeit – und es wird uns nicht langweilig werden, weil es zum einen dann eben keine Zeit mehr geben wird, die sich in die Länge ziehen könnte, und weil wir zum anderen und vor allem bei unserem Feiern nicht bloß unter uns sind, uns nicht irgendwie gegenseitig erheitern und amüsieren müssten, sondern weil unser Feiern seinen tiefsten Grund und Inhalt in der Schau und Anbetung des dreieinigen Gottes hat. Nein, Gott zu schauen, das macht nicht bloß Spaß, das lässt uns ganz anders feiern, als wenn es nur darum ginge, uns selber zu suchen und zu feiern.

Und eben dieses Ziel bestimmt nun auch alles Feiern von uns Christen hier auf Erden. Ja, wir feiern öfter, als diejenigen feiern, die im Verlaufe des Jahres einmal alle Geburtstage der Verwandtschaft abklappern. Jeden Sonntag neu, und manches Mal noch darüber hinaus, kommen wir zusammen, um nicht weniger zu tun, als jetzt schon teilzuhaben an dieser großen Feier, auf die unser Leben und das Leben der Kirche insgesamt zuläuft. Unsere Gottesdienste sind kein geselliges Beisammensein, und es geht in ihnen entsprechend auch nicht darum, eine gute Stimmung in der Feiergesellschaft zu erzeugen. Sondern unsere Gottesdienste leben davon, dass sich in ihnen derselbe dreieinige Gott zu erkennen gibt und sich uns zuwendet, den wir einmal in alle Ewigkeit schauen werden. Wenn wir singen, dann dürfen wir wissen: Mit uns stimmt in diesem Augenblick die unüberschaubar große Schar vor dem Thron Gottes ein; wenn wir anbetend auf die Knie sinken, dann dürfen wir wissen: nichts anderes machen die Heiligen und Vollendeten vor dem Thron Gottes auch. Und wenn wir das Heilige Mahl feiern und empfangen, dann dürfen wir gewiss sein: Wir haben hier und jetzt schon Anteil an dem himmlischen Festmahl, das einmal kein Ende mehr kennen wird.

Ja, wir feiern jetzt schon, auch wenn unsere Lebensgeschichte uns dazu vielleicht gar keinen großen Anlass gibt, auch wenn uns menschlich gesprochen vielleicht gar nicht unbedingt nach Feiern zumute ist. Denn Christus macht uns immer wieder von Neuem hier im Gottesdienst gewiss, dass wir einmal bei diesem großen Fest am Ende mit dabei sein dürfen, auch wenn wir es eigentlich gar nicht verdient haben, nimmt immer wieder neu alles weg, was uns am Einlass zu diesem Fest hindern könnte, lässt uns aufatmen, wenn er uns schon hier und jetzt an seinem unvergänglichen Leben Anteil gibt. Darum braucht uns das wöchentliche Feiern auch nicht zu viel zu werden, weil es eben nicht von unserer Stimmungslage abhängig ist, ja, weil die Feier des Gottesdienstes uns eben auch in ganz unterschiedlichen Lebenssituationen betrifft und unseren Lebenshorizont weitet.

Ja, natürlich ist es einerseits jede Woche derselbe Gottesdienst. Das kennen wir von anderen Feiern ja auch, wie wichtig es ist, bestimmte feste Elemente bei einer Feier zu haben. Dass es jede Woche derselbe Gottesdienst ist, ermöglicht es uns, ihn selber aktiv mitzufeiern, nicht bloß Zuschauer zu sein, die mitverfolgen, was sich ein anderer als Feier-Animateur ausgedacht hat. Und doch ist zugleich jeder Gottesdienst wieder ganz anders, weil sein Charakter bestimmt ist durch das Kirchenjahr, durch das Mitgehen des Weges Christi, durch die Vielfalt der Inhalte und Themen der Heiligen Schrift, die im Gottesdienst im Laufe des Jahres zum Ausdruck kommen. Ein Passionswochengottesdienst ist eben noch einmal etwas ganz Anderes als eine Osternachtsfeier oder ein Gottesdienst am soundsovielten Sonntag nach Trinitatis, ein pfingstlicher Jugendgottesdienst etwas Anderes als ein Bußgottesdienst am Karfreitag. Und doch sind diese so unterschiedlichen Gottesdienste alle miteinander Feiern – weil Christus der Herr und Gastgeber der Gottesdienste bleibt, weil es in jedem Gottesdienst darum geht, dass wir von ihm beschenkt werden und ihm antworten mit Bekenntnis, Lob und Anbetung.

Dauernd dürfen wir Christen feiern, jawohl. Was im Gottesdienst geschieht, das strahlt dann auch aus auf unseren Alltag in der Gemeinde. Es ist kein Zufall, sondern geradezu eine logische Konsequenz dessen, was wir hier im Gottesdienst erleben, wenn wir in unserer Gemeinde auch über den Gottesdienst hinaus immer wieder zusammenkommen, miteinander essen und feiern. Ja, das können wir als Christen, weil wir nicht irgendwie die Langeweile des Alltags totschlagen müssen, sondern weil wir diese wunderbare Feierperspektive für unser Leben insgesamt haben. Und als Christen brauchen wir schließlich auch nicht aufhören zu feiern, wenn es uns nicht gut geht, ja, noch nicht einmal im Angesicht des Todes. Beerdigungen sind für uns Christen eben auch gottesdienstliche Feiern, in denen wir bei aller Traurigkeit doch den Sieg des auferstandenen Christus über den Tod feiern, in denen wir entsprechend singen und in die hinein schon ein Lichtstrahl der Ewigkeitsfreude fällt. Vielleicht mögen wir uns mitunter als einzelne mit solchem Mitfeiern schwertun. Doch die Kirche feiert weiter, bis auch wir wieder dazu in der Lage sind, trägt uns so mit ihrem Feiern auch durch schwere Zeiten in unserem Leben hindurch. Ja, unser Leben ist unendlich mehr als eine Aneinanderreihung von Geburtstagskaffees und Party am Wochenende. Es ist ein Weg zur großen Feier, auf die wir uns mit vielen kleinen Feiern immer wieder von Neuem rüsten und vorbereiten, ja die in diesen kleinen Feiern schon hier und jetzt Gegenwart wird. Jawohl, wir haben als Christen allen Grund dazu, dauernd zu feiern. Ach, was haben wir Christen es gut! Amen.