25.04.2011 | St. Lukas 24,36-45 | Ostermontag

Kennt ihr Youtube? Ich weiß, die Jüngeren unter euch werden bei einer solch blöden Frage jetzt den Kopf schütteln. Natürlich kennt ihr Youtube, und ich nehme an, dass nicht wenige von euch auch ganz regelmäßig Youtube-Videos anklicken und sich anschauen werden. Denen hingegen, die mit dem Wort und vielleicht sogar mit dem Computer überhaupt nur wenig anzufangen wissen, sei gesagt, dass Youtube ein Internet-Portal ist, bei dem man kurze Filme hochladen kann, die sich dann Leute überall auf der Welt anschauen können. Manche Youtube-Filme werden weltweit dann auch zu echten Rennern, beispielsweise der Film von dem kleinen Mädchen, das in Tränen aufgelöst dasitzt, weil es sich so in Justin Bieber verliebt hat und der ihre Liebe nicht erwidert, oder der Film von einem kleinen Baby, das einen Lachkrampf nach dem anderen bekommt. Neulich geisterte mal ein Film bei Youtube herum, auf dem zu sehen war, wie ein Auto ohne Fahrer am Steuer über die Autobahn bretterte. Ob dieser Film wirklich echt war oder nur ein gutgemachter Gag – ich weiß es auch nicht. Das ist eben bei diesen Youtube-Filmen genauso wie bei anderem Videomaterial im Internet auch: Wenn man da etwas zu sehen bekommt, dann heißt das noch längst nicht, dass das echt ist, dass das real ist. Oder vielleicht sollte man sogar sagen: Im Internetzeitalter werden die Grenzen zwischen virtueller Realität und unserer alltäglichen Realität immer fließender, fällt es mitunter schon schwer, beides auseinanderzuhalten.

Und so schauen wir uns zwar Filme an, ob nun bei Youtube oder im Kino oder sonst noch wo – aber zu mehr als zur guten Unterhaltung lassen wir sie uns nicht dienen. Ob das, was wir da gesehen haben, eigentlich real ist, ist uns dann oft genug auch ziemlich egal. Hauptsache, wir haben unseren Spaß dabei!

Stellt euch mal vor, einer der Jünger, die damals im Ostersonntagabend mit im Raum waren, als Jesus zu ihnen kam, hätte damals ein Handy mit Videofunktion dabeigehabt und hätte gerade die beiden Emmausjünger gefilmt, wie die von ihrer Begegnung mit Jesus berichteten, als mit einem Mal Jesus in die Mitte seiner Jünger kam. Stellt euch mal vor, diesen Film könnte man heute bei Youtube abrufen. Ob man damit die Leute missionieren könnte, ob Menschen durch das Anschauen dieser Szene, die uns St. Lukas hier schildert, wohl zum Glauben an Jesus finden würden? Ich habe da meine Zweifel. Ich glaube, die meisten, die sich das anschauen würden, würden wohl eher so reagieren: „Ey, geil, guck mal, wie die ganzen Pastoren da alle einen Schreck kriegen, als der eine Typ da in der Mitte auftaucht.“ oder „Ey, toller Effekt, wie die den einen Typen da in der Mitte ins Bild eingeblendet haben!“ Filmen und sehen allein bringt es also offenbar noch nicht unbedingt.

Das war übrigens damals bei den Jüngern auch schon nicht anders. Der Evangelist Lukas schildert uns das hier ja ausdrücklich und sogar sehr drastisch, dass die Jünger beim Anblick des auferstandenen Jesus nicht gleich alle Zweifel fahren lassen und sofort anbetend auf die Knie fallen, sondern erst einmal von einer Gespenstererscheinung ausgehen. Und selbst als Jesus sie dann anspricht, stehen sie immer noch erst mal auf dem Schlauch; ja, Jesus braucht eine ganze Weile, bis er die Jünger dahin gebracht hat, dass sie es endlich zu begreifen beginnen, dass er es ist, er, der auferstandene Herr.

Doch das macht St. Lukas mit seinem Evangelium zugleich schon ganz deutlich: Es war nicht nur für die Jünger damals, sondern es ist für alle Menschen auf der ganzen Welt ganz wichtig, dass sie merken: Was damals an jenem Ostersonntagabend in Jerusalem geschehen ist, das ist auch für mich, für mein Leben von entscheidender Bedeutung, das ist nicht bloß gute Unterhaltung zum Anschauen, sondern davon, wie ich zu diesem Ereignis, ja, zu diesem Menschen da stehe, der da mit einem Mal mitten ins Bild tritt, davon hängt die Zukunft meines Lebens, davon hängt für mich schlechthin alles ab.

Einen Vorteil hatten die Jünger damals gegenüber denen unter euch, die den Tod eigentlich nur noch als ein virtuelles Ereignis auf dem Computerbildschirm kennen. Die Jünger damals wussten es ganz genau: Der Tod ist tatsächlich etwas ganz Reales und als solch etwas Reales auch nicht wieder rückgängig zu machen. Es gibt im realen Leben keinen Reset-Schalter, den man einfach nur drücken muss, um das Spiel wieder neu zu beginnen. Und der Tod ist auch nicht bloß ein Showereignis im Film, sondern der betrifft jeden von uns ganz direkt, ist das entscheidende Problem unseres Lebens. Die Jünger wussten das, und eben darum taten sie sich auch so schwer damit, zu kapieren, dass Jesus wirklich auferstanden ist. Das geht doch gar nicht, dass ein Mensch, der wirklich gestorben ist, wieder lebendig wird! Eher glauben sie an Gespenster als daran, dass ein Toter aufersteht. Doch als sie es dann am Ende kapieren, dass es tatsächlich stimmt, ist ihre Freude umso größer, wird ihnen dann auch bald klar, dass das nicht nur ein Privatvergnügen von Jesus gewesen ist, wieder aus dem Grab aufzuerstehen, sondern dass sie gerade eben Zeugen des wichtigsten Ereignisses der Weltgeschichte geworden sind.

Miterleben durften sie, dass Jesus nicht einfach nur irgendwie geistig auferstanden ist, sondern dass man ihn, den Gekreuzigten, wieder richtig anfassen konnte, dass sogar seine Nägelmale an den Händen und Füßen noch sichtbar waren. Ja, alle Mühe gibt sich Jesus, sie von der Realität seiner Auferstehung zu überzeugen, isst schließlich sogar vor ihren Augen gebratenen Fisch, um sie nun endgültig davon zu überzeugen, dass er es ist, leibhaftig. Denn wäre er bloß eine Fata Morgana, bloß ein Gespenst, dann hätte es wohl „plopp“ gemacht, und der Fisch wäre ihm gleich wieder unten rausgefallen. Tat er aber nicht; denn Jesus hatte und hat auch nach seiner Auferstehung einen Leib, mit dem er durchaus auch Nahrung zu sich nehmen konnte und kann.

Alle Mühe gibt sich Jesus auch mit euch, immer wieder, um euch klarzumachen, dass er es wirklich ist, dass er, der Herr, wirklich auferstanden ist und dass das auch für euch, für euer Leben von entscheidender Bedeutung ist. Ja, alle Mühe gibt sich Jesus mit euch, damit ihr tatsächlich an ihn glaubt, und das heißt eben nicht bloß, dass ihr der Meinung seid, dass das damals in Jerusalem mit seiner Auferstehung vielleicht tatsächlich passiert ist. Sondern dass ihr an ihn glaubt, das heißt, dass das euer ganzes Leben bis in den Alltag hinein bestimmt, dass die Freude darüber, dass Jesus lebt, euch begleitet, auch wenn ihr diese Kirche längst wieder verlassen habt.

Alle Mühe gibt sich Jesus, um euch immer wieder neu zu diesem Glauben zu führen. Und darum veranstaltet er auch heute immer noch dasselbe, was er damals am Ostersonntagabend mit seinen Jüngern gemacht hat: Er tritt in unsere Mitte und spricht den Friedensgruß: Friede sei mit euch! Schwestern und Brüder: Habt ihr euch das schon mal richtig klargemacht: Wenn ihr hier im Gottesdienst den Friedensgruß hört: Der Friede des Herrn sei mit euch allen, zu Beginn der Beichte, zu Beginn der Taufe, vor Beginn der Austeilung des Heiligen Mahles, dann ist das nicht bloß so ein Floskel, die nun mal zur Liturgie mit dazugehört, sondern dann ist das ein Erkennungszeichen des auferstandenen Christus: Jetzt ist er wirklich da, jetzt gibt er sich uns zu erkennen. Nein, sehen können wir ihn nicht; aber das Sehen allein bringt es ja auch nicht, so hatten wir es festgestellt, so können wir es ja auch an der Reaktion der Jünger ablesen. Aber auch wenn wir ihn nicht sehen können, ist er da, macht sich an die Arbeit, um euch immer wieder neu zum Glauben an ihn zu führen, wie er das damals mit seinen Jüngern auch gemacht hat.

Damals musste er die Jünger davon überzeugen, dass er kein Gespenst ist. Heute geht es ihm darum, euch klarzumachen, dass das hier im Gottesdienst nicht einfach bloß irgend so eine altmodische Feier ist, sondern dass ihr hier und jetzt dem Sieger über den Tod begegnet, ihm, der allein eurem Leben Zukunft zu geben vermag. Um eure Aufmerksamkeit ringt Christus, darum, dass ihr ihn nicht bloß als einen Reiz neben so vielen anderen Reizen wahrnehmt, sondern merkt: Hier geht es um die wichtigste Geschichte meines Lebens. Und auch euch will Christus schließlich dadurch zum Glauben überwinden, dass er euch durch Essen und Trinken von seiner Leiblichkeit, von seiner leibhaften Auferstehung überzeugt: Und wenn ihr sonst auch jetzt bei der Predigt vielleicht wieder nicht unbedingt alle sonderlich aufpasst: Spätestens wenn ihr nachher hierher nach vorne kommt, wird es euch hoffentlich endgültig klar: Er, Jesus, ist auferstanden, er lebt, sonst könnte er nicht jetzt und hier im Brot und Wein gegenwärtig sein, sonst könnten wir ihn jetzt nicht empfangen und berühren. Ja, dahin will Christus euch bringen, dass ihr davon nicht mehr loskommt, dass ihr merkt: Ihm, diesem Christus, zu begegnen ist wichtiger als alles andere sonst im Leben. Denn nur diese Begegnung schenkt mir Leben, das nie mehr aufhört, macht mich frei von der Angst, ich könnte in meinem Leben das Wichtigste verpassen.

Als Jesus damals seine Jünger davon überzeugt hatte, dass er es tatsächlich ist, dass er nicht bloß eine optische Täuschung oder ein Geist ist, sondern derselbe Herr, der wenige Tage zuvor noch für sie am Kreuz gehangen hatte, da fängt er nun an, seine Jünger dazu anzuleiten, tiefer über das nachzudenken, was sie gerade erlebt haben, es zu durchdenken auf der Basis dessen, was in der Heiligen Schrift von ihm schon geschrieben stand. Genau das, Schwestern und Brüder, will Christus auch bei euch, bei uns erreichen, dass wir nicht nur hier im Gottesdienst seine Gegenwart erfahren, dass wir uns nicht nur davon überzeugen lassen, dass er, Jesus, wirklich lebt, sondern dass wir uns dann auch immer wieder darüber Gedanken machen, was das eigentlich für unser Leben bedeutet. Darum wird es nun auch bei unserer Konfirmandenfreizeit in den nächsten Tagen noch einmal gehen, und darum geht es hoffentlich auch sonst immer wieder in unserer Gemeinde, dass wir Möglichkeiten nutzen, immer tiefer in den Glauben an Christus einzusteigen, uns immer klarer darüber zu werden, welche Auswirkungen die Begegnung mit dem auferstandenen Herrn eigentlich für unser Leben hat.

Youtube-Filme im Internet, die kann man schnell wieder wegklicken. Bei dem, was du hier im Gottesdienst erlebst, was du auch jetzt wieder in dieser Predigt gehört hast, tust du gut daran, das nicht einfach wegzuklicken, sondern es bei dir auf dem Bildschirm deines Lebens zu lassen. Denn es geht hier nicht um kuriose Unterhaltung; es geht hier darum, dass auch du einmal mit Leib und Seele auferstehen und ewig leben wirst, wie Christus auch. Bleib also dran an ihm, an seinem Heiligen Mahl. Du bist hier nicht in einer virtuellen Welt; es geht hier um dich, um dein Leben. Amen