03.07.2011 | St. Matthäus 22,1-14 | 2. Sonntag nach Trinitatis
Der Filmproduzent schüttelte einfach nur den Kopf: Solch ein grottenschlechtes Drehbuch für einen Film hatte er lange nicht mehr gelesen. Völlig unlogisch und realitätsfern war die Handlung in diesem Drehbuch; so, wie die Leute sich diesem Drehbuch zufolge verhielten, würde sich in Wirklichkeit doch kein vernünftiger Mensch verhalten! Eine peinliche Stümperei war das, was dieser Drehbuchschreiber ihm da abgeliefert hatte; das Ergebnis konnte man einfach nur in die Tonne treten!
Schwestern und Brüder, ich fürchte, dass jener Filmproduzent auf die Predigtlesung des heutigen Sonntags wohl auch so ähnlich reagieren würde wie auf jenes Drehbuch, das ich gerade erwähnt habe. Grottenschlecht ist die Handlung, die uns in dieser Geschichte geschildert wird, würde der Filmproduzent wohl einwenden; völlig unlogisch reagieren die Leute darin, völlig überzogen, völlig fern von jeder Realität. Da scheint doch unsere Zeit viel zu schade dafür zu sein, sich mit solch einem Machwerk auch nur irgendwie ernsthaft zu befassen!
Doch an dieser Stelle müssten wir den Filmproduzenten in seiner durchaus verständlichen Kritik einen Augenblick unterbrechen: Ja, er hat natürlich völlig recht mit seinem Urteil, dass das, was uns hier in dieser Geschichte geschildert wird, völlig unlogisch klingt, völlig überzogen, irgendwie völlig durchgeknallt. Doch, so müssten wir es dann dem Filmproduzenten eröffnen: Das ist kein ausgedachtes Drehbuch für einen Film, was uns hier vor Augen geführt wird, sondern das ist Reality TV vom Feinsten, Schilderung des ganz alltäglichen Wahnsinns. Und wir, die wir diese Geschichte uns nun heute Morgen hier anhören, wir sind bei dieser Geschichte eben nicht bloß Zuschauer, unsere Aufgabe besteht nicht darin, zu beurteilen, ob wir diese Geschichte gut finden oder nicht, ob sie uns gefällt, amüsiert oder langweilt. Sondern wir fangen erst dann an, diese Geschichte, die uns hier erzählt wird, richtig zu verstehen, wenn wir merken, dass wir in dieser Geschichte ja selber mitspielen, dass wir mitten drin sind in dieser irrsinnigen Geschichte, dass wir selber direkt vor der Kamera stehen, die Jesus hier auf die Mitspieler dieser Geschichte richtet.
Treten wir von daher diese Geschichte ja nicht in die Tonne, sondern schauen wir noch einmal ganz genau hin, was uns hier eigentlich berichtet wird:
Da berichtet Jesus hier von einer Hochzeit an einem Königshof. Wie man sich solch eine Hochzeitsfeierlichkeit vorstellen kann, dafür haben wir in letzter Zeit, ja gerade an diesem Wochenende, wieder reichlich Anschauungsmaterial auf dem Fernsehschirm erhalten. Etwas ganz Besonderes sind Hochzeiten an einem Königshof oder in einem Fürstenhaus auch heute noch, faszinieren auch heute noch Millionen von Menschen, die solch eine Hochzeit am Bildschirm mitverfolgen und es sich in ihren kühnsten Träumen kaum vorstellen könnten, selber einmal live bei solch einer Hochzeitsfeier, bei solch einem Hochzeitsbankett mit dabei zu sein.
Ein Bild ist diese Hochzeitsfeier am Königshof in der Geschichte, die Jesus hier erzählt, ein Bild für ein in Wirklichkeit noch viel großartigeres Ereignis. Jesus trägt mit dem Gebrauch dieses Bildes von der Hochzeitsfeier des Königssohnes nicht zu dick auf, entführt uns nicht in eine kitschig-märchenhafte Traumwelt, sondern weist hin auf ein Fest, im Vergleich zu dem auch die Hochzeiten von William und Kate, von Albert und Charlene nur wie eine kleine Schrebergartenparty erscheinen. Von einem Fest spricht Jesus hier, das nicht nach ein, zwei Tagen wieder vorbei ist, sondern das in Wirklichkeit nie mehr enden wird, von einem Fest, an dem teilzunehmen für jeden Gast die tiefste Erfüllung seines Lebens, die tiefste Erfüllung all seiner Wünsche und Sehnsüchte darstellt: vom großen Festmahl im Reich Gottes spricht er, das alle Gäste an der ewigen Freude der Vollendung teilhaben lässt und das schon hier auf Erden beginnt, wo immer das Mahl des Königssohnes an seinen Altären gefeiert wird.
Und dann ist alles soweit; alle Vorbereitungen sind abgeschlossen – das große Fest kann beginnen. Der König wartet nicht darauf, dass die geladenen Gäste von allein bei ihm erscheinen, sondern, wie es sich gehört, schickt er Boten, die den Gästen mitteilen, dass es nun Zeit ist, zur Hochzeit aufzubrechen, schickt er Boten, um die Gäste zum Hochzeitssaal zu eskortieren: Kommt, denn es ist alles bereit! Doch die Boten erleben bei der Ausführung ihres Auftrags den blanken Wahnsinn, werden mit Reaktionen der geladenen Gäste konfrontiert, die so irrsinnig sind, dass aus der traumhaft schönen Geschichte mit einem Mal eine grottenschlechte Story wird: Wenn die Boten Glück haben, dann werden sie nur mit Gleichgültigkeit gestraft – die geladenen Gäste lassen die Boten stehen wie dumme Jungen und erklären, dass sie Wichtigeres zu tun haben: Sie haben dringende Termine, denen sie nachkommen müssen, sie haben so viel zu arbeiten, dass sie keine Zeit haben, sie haben unumgängliche Verpflichtungen, die ihnen die Teilnahme an der großen Feier eben nicht möglich machen. Anderen Boten ergeht es noch schlimmer: Sie werden ausgelacht, festgenommen, ja zum Teil sogar umgebracht – einzig und allein deshalb, weil sie es gewagt haben, Menschen zu einem großen Fest einzuladen!
Ja, das ist völlig unlogisch und irrsinnig, was Jesus hier in dieser Geschichte schildert, so beknackt, dass man darüber eigentlich nur den Kopf schütteln kann. Und doch ist diese grottenschlechte Geschichte Wirklichkeit – Realität, wie wir sie immer wieder selber erleben können. Da erzähle ich Konfirmanden zwei Jahre lang fast in jedem Unterricht etwas von diesem großen Fest, zu dem auch sie eingeladen sind, erzähle ihnen etwas von der Freude, die uns bei diesem Fest erwartet, erzähle von dem, der sie zu diesem Fest einlädt. Doch wenn das Mahl dann am Sonntagmorgen bereitet ist, dann höre ich von denen, die vor kurzem oder vielleicht auch schon vor vielen Jahren konfirmiert worden sind, immer wieder genau dieselben Argumente wie die, die Jesus hier in dieser Geschichte anführt: Ich habe leider Anderes zu tun, habe andere Verpflichtungen, die doch allemal wichtiger sind, als der Einladung von Christus zu folgen: Was ist schon die Teilnahme am himmlischen Freudenmahl im Vergleich zu einem gemütlichen Frühstück auf der Datsche oder der Einladung zu einem Brunch in einem Restaurant? Was soll mir denn schon die Einladung des Königs aller Könige bringen, wenn ich stattdessen die Möglichkeit habe, vor dem Computer zu sitzen und zu spielen oder auch einfach nur auszuschlafen? Wieso sollte die Einladung dieses Königs denn so dringend sein, wenn ich nächste Woche doch eine Klausur zu schreiben habe oder endlich mal meine Wohnung aufräumen muss? Und so scheint es für so viele Menschen, ja auch für so viele, die es eigentlich doch besser wissen müssten, das Normalste auf der Welt zu sein, Christus, den Gastgeber des größten Festes aller Zeiten, einfach stehen zu lassen, auf das Fest zu verzichten und sich einfach dem Alltagsbetrieb zu überlassen. Das ist er – der ganz normale Wahnsinn, der sich Woche für Woche in unserem Land, in unserer Stadt, ja, leider auch oft genug in unserer Gemeinde ereignet. Ja, das ist letztlich nicht weniger wahnsinnig, als die Boten des Königs direkt anzugreifen und zu verfolgen, wie es in vielen Ländern dieser Erde eben auch geschieht, wo Christen in Gefängnissen und Konzentrationslagern sitzen, weil sie eigentlich nur dies eine Verbrechen begangen haben: Menschen zum größten Fest aller Zeiten einzuladen.
Doch damit, dass die geladenen Gäste den König auf seinem Essen sitzen lassen, endet die Geschichte nicht, die Jesus uns hier erzählt. Der König gibt nicht auf: Das große Fest soll deshalb nicht ausfallen, nur weil die Gäste, die es eigentlich besser wissen müssten, nicht kommen wollen. Und so schickt er seine Boten noch einmal los, gibt ihnen den Auftrag, jeden einzuladen, den sie irgendwo finden. Keinerlei Voraussetzungen müssen die geladenen Gäste mitbringen, keine Aufnahmeprüfungen bestehen, keinen guten Notendurchschnitt vorweisen, keine Geldmittel besitzen, um sich die Teilnahme leisten zu können. Selbst für die Hochzeitsgarderobe wird gesorgt: Am Eingang erhält jeder Gast ein Festgewand, das er anziehen kann und mit dem er, wenn nötig, auch seine eigene ärmliche Kleidung bedecken und verbergen kann. Die Gesichter der Gäste, die nun in den Festsaal des Königs strömen, können wir uns vermutlich ganz gut vorstellen. Ich erinnere mich noch an einen Fernsehbericht über den Besitzer eines kleinen Ladens im Heimatdorf von Kate Middleton, der davon berichtete, wie er eines Morgens in seinem Briefkasten die Einladung zur Hochzeit von William und Kate vorfand. Dass er, der kleine Händler, mal bei einer königlichen Hochzeit mit dabei sein würde, davon hatte er noch nicht einmal zu träumen gewagt. Ja, solche Gesichter von Gästen, die zum königlichen Festmahl geladen werden, obwohl sie dafür doch eigentlich keinerlei Voraussetzungen mitbringen, kann ich mir in der Tat sehr gut vorstellen. Ich sehe sie Sonntag für Sonntag hier am Altar, wenn sie hineintreten in den Festsaal des Königs und teilhaben am Mahl des ewigen Lebens.
Doch leider endet die Geschichte bei Jesus eben nicht an dieser Stelle mit diesem wunderschönen Happy End. Sondern er erspart uns nicht einen letzten Missklang, der am Rand dieses Festmahls ertönt. Für alles hat der König, wie gesagt, gesorgt, hat seine Festkleider an alle, die in den Festsaal eintreten wollen, austeilen lassen. Doch dann entdeckt der König etwas eigentlich Unglaubliches: Da hat doch tatsächlich ein Gast gemeint, er könne auf dieses Geschenk des Königs verzichten, sitzt nun da in seinen eigenen Klamotten, die inmitten der ganzen schönen Festgewänder einfach nur oll und peinlich aussehen. Eine ungeheure Brüskierung des Königs bedeutet diese Ablehnung seines Geschenks, und so endet die Feier für diesen Gast, der sich selber schön genug fand, schneller, als er selber es wohl gedacht hatte.
Ja, auch wenn wir uns das eigentlich kaum vorstellen können, das gibt es tatsächlich: Da schenkt uns der König aller Könige, schenkt uns Gott selbst, im Bilde gesprochen, auch solch ein wunderschönes Festgewand, das weiße Gewand der Unschuld und Gerechtigkeit unseres Herrn Jesus Christus, das uns bei unserer Taufe übergezogen worden ist. Schöner als in diesem Gewand können wir gar nicht aussehen; wir müssen es nicht noch irgendwie durch eigene Dekorationen, durch irgendwelche Orden und Verdienstmedaillen hübscher gestalten. Nur auf eine Idee sollten wir ja nicht kommen: Wir sollten dieses Gewand ja nicht wieder ausziehen und meinen, der Gastgeber des Festes, der liebe Gott, würde wohl auch so mit uns ganz zufrieden sein. Wahnsinn wäre das – und der ganz alltägliche Wahnsinn ist das zugleich in der Tat. Ja, das gibt es tatsächlich, dass Menschen getauft sind und dann in ihrem Leben doch allen Ernstes meinen, sie könnten Gott damit beeindrucken, dass sie doch ganz anständige Menschen sind und halbwegs christlich zu leben versuchen. Ja, völlig unlogisch ist das, hier am Altar Gottes großer Einladung zu folgen und sich dann im Leben doch lieber auf die eigenen Fähigkeiten und die eigene Anständigkeit zu verlassen. Doch genau diese grottenschlechte Geschichte ereignet sich immer und immer wieder im Leben von Menschen – hoffentlich nicht auch bei uns.
Denn dass es um uns, um dich und um mich, in dieser Geschichte geht, das ist dir hoffentlich mittlerweile ganz klar geworden. Christus spricht dich mit dieser Geschichte an und fragt dich, an welcher Stelle du dich in dieser Geschichte eigentlich wiederfindest: Hoffentlich entdeckst du dich nicht unter denen, die die Boten des Königs mit allen möglichen mehr oder weniger saublöden Ausreden stehen lassen und einfach nicht kapieren, was die Einladung zu diesem Fest eigentlich für ihr Leben, für ihre Zukunft bedeutet. Hoffentlich ist dir das ganz klar, wie irrsinnig es wäre, der Einladung zu diesem Fest andere Termine und Verpflichtungen vorzuziehen. Und hoffentlich glaubst du auch ja nicht, du könntest mit dem, was du selber in deinem Leben tust und leistest, in Gottes Augen bestehen. Hoffentlich kommst du niemals auf die Idee, deinen eigenen Anstand höher zu schätzen als Gottes großes Geschenk, das er dir in deiner Taufe gemacht hat! Ja, hoffentlich findest du dich in dieser Geschichte wieder in der Schar derer, die fassungslos vor Freude in den Festsaal des Königs eintreten, die alles zu Hause haben stehen und liegen lassen, nur um dieser größten aller Einladungen zu folgen: „Kommt, denn es ist alles bereit, kommt zur Hochzeit!“ Amen.