24.08.2011 | 2. Korinther 4,7-10 | Tag des Apostels St. Bartholomäus

Im Augenblick lächeln und strahlen sie uns von allen Straßenlaternen und Bäumen an: die Kandidaten der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus. Sympathisch, fröhlich, kompetent sollen sie auf den Fotos wirken – eben so, dass ihr Anblick Menschen dazu veranlasst, ihr Kreuzchen am 18. September hinter ihrem Namen und nicht irgendwo anders zu machen. Und nicht nur von Wahlplakaten strahlen uns ja fröhliche, glückliche, gut aussehende und gesunde Menschen an – auch auf anderen Werbeplakaten ist diese Gruppe von Menschen zu sehen, die genau das repräsentieren, was die potentiellen Käufer eines Produkts sich für sich selber auch wünschen.

Der Apostel Bartholomäus wäre als Figur auf einem Werbeplakat vermutlich nicht so geeignet gewesen, auch nicht auf einem Werbeplakat für die Kirche. Auf Darstellungen in der kirchlichen Kunst ist er zu sehen, wie er seine Haut wie ein Gewand über seinem Arm trägt – eine Erinnerung daran, dass Bartholomäus der Überlieferung zufolge am Ende seiner Wirksamkeit bei lebendigem Leibe enthäutet und dann anschließend gekreuzigt wurde. Ein zu Tode gefolterter Mensch – das ist kein schöner Anblick, nichts Werbewirksames, nichts, womit man auch für den christlichen Glauben werben könnte. Und doch feiert die Kirche heute seinen Gedenktag, hält keine Feiertage für Cristiano Ronaldo oder Claudia Schiffer, sondern für diesen Typen, der geradezu für alles steht, was wir nicht wollen: für Leiden, für Schmerzen, für Schwachheit, für Tod.

Kirche funktioniert anders als die Politik oder das Showgeschäft, so stellt es uns der Apostel Paulus in der Epistellesung dieses Festtages vor Augen: Sie gründet sich nicht auf die Ausstrahlung von Starpredigern, und ihre Zukunft hängt nicht ab von der Leistungsfähigkeit derer, die im Auftrag Christi in ihr ihren Dienst versehen. Im Gegenteil: Paulus warnt in seinen Briefen an die Christen in Korinth eindringlich davor, seinen Glauben an irgendwelche Menschen zu hängen, ja von ihnen die Zugehörigkeit zur Gemeinde abhängig zu machen. Werkzeuge sind diejenigen, die in der Gemeinde ihren Dienst versehen, Werkzeuge des gekreuzigten Christus, der in dieser Welt auch nicht dazu angetreten ist, an einem Schönheits- oder Fitnesswettbewerb teilzunehmen, sondern dessen Anblick am Ende seines irdischen Lebens auch mehr als abstoßend war.

Was in der Kirche allein wichtig ist, ist das Wort, ist die frohe Botschaft, die diejenigen verkündigen, die von Christus in die Nachfolge der Apostel gerufen worden sind. Ob sie schön aussehen, ist egal, ob sie mitreißende Redner sind, ist egal, ja, ob sie jung und gesund sind, ist egal. Ja, sagt, Paulus, es ist sogar besser, wenn diejenigen, die die Botschaft verkündigen, die Botschaft nicht mit ihrer Person, mit ihrer Ausstrahlung verdecken, sondern selber so mickrig erscheinen, dass auch die Zuhörer merken: Hier geht es allein um die Botschaft, nicht um den Menschen, der sie verkündigt.

Denn auch die Botschaft, die im Auftrag Christi verkündigt wird, lautet ja gerade nicht: Glaube an Jesus, und es geht dir immer nur noch gut, und du fühlst dich immer nur glücklich! Glaube an Jesus, und du wirst nicht krank, glaube an Jesus, und dir bleiben Schicksalsschläge erspart, glaube an Jesus, und du wirst in deinem Leben noch mehr strahlen als die Politiker von ihren Werbeplakaten! Nein, die Botschaft des christlichen Glaubens lautet anders: Sie lautet: Du bist seit deiner Taufe mit Christus verbunden, und Christus hat dir versprochen, mit dir durch das Leben zu gehen, was auch immer du dort erfahren wirst. In der Taufe bist du mit Christus verbunden worden, und so wirst du in deinem Leben auch an seinem Lebensgeschick Anteil erhalten, ja schließlich auch an seinem Leiden und Sterben. Da läuft nichts falsch in deinem Leben, wenn du merkst, dass du mit 50 nicht mehr so fit bist wie mit 20. Da läuft nichts falsch in deinem Leben, wenn du Dinge erfahren musst, die du selber im Augenblick gar nicht verstehen kannst. Da läuft nichts falsch in deinem Leben, wenn du merkst, dass du manches von dem, was du vor zehn Jahren noch konntest, nun unwiderruflich nicht mehr kannst und schaffst. Da läuft nichts falsch in deinem Leben, wenn du schließlich mehr und mehr auf die Hilfe anderer angewiesen bist, ja wenn du vielleicht manchmal selber gar nicht mehr weiterweißt. „Wir tragen allezeit das Sterben Jesu an unserem Leibe“, so formuliert es der Apostel Paulus im Blick auf sich selber und die anderen Apostel. Aber was für ihn gilt, gilt in ähnlicher Weise auch für uns alle: Alles Leiden, alle Ratlosigkeit, alle Schmerzen, die wir erfahren, sind nicht einfach sinnlos und überflüssig; sie sind Teil eines Weges, der uns schließlich durch den Tod und nicht an ihm vorbei in die sichtbare Gemeinschaft mit Christus führen wird – dorthin, wo wir tatsächlich dann einmal ohne Ende strahlen und uns freuen werden, dorthin, wo wir einmal keinen Makel und keine Schwäche mehr an uns tragen werden.

Hier auf Erden erreichen wir das noch nicht und werden es auch nie erreichen – gerade auch daran sollen uns die Pastoren mit all ihren Macken und Schwächen und mit ihrem Versagen erinnern: Gottes neue Welt wird nicht am Geschick und Aussehen der Boten Gottes erkennbar, sondern bleibt noch verborgen in ganz irdischen Gefäßen: in der menschlichen Stimme des Predigers, im Wasser der Taufe, im Brot und Wein des Heiligen Mahles. Und doch begegnet uns in diesen irdischen Gefäßen schon jetzt die überschwängliche Kraft Gottes, die uns durchträgt auch durch all unsere Sorgen, Probleme und Krankheiten, ja schließlich auch durch den Tod hindurch bis in die ewige Herrlichkeit, wo wir dann auch den heiligen Bartholomäus werden schauen dürfen – ganz gewiss dann auch wieder mit Haut! Amen.