21.09.2011 | St. Matthäus 9,9-13 | Tag des Apostels und Evangelisten St. Matthäus
Am vergangenen Samstag kam ich ein wenig auf dem Zahnfleisch aus dem Vorkonfirmandenunterricht gekrochen. Die Vorkonfirmanden hatten ernst gemacht mit meiner Anregung, sie sollten doch ihre Freunde mit zum Vorkonfirmandenunterricht bringen. Es waren ohnehin nach der Kinderbibelwoche einige neue Kinder zum Unterricht dazugekommen, und so war nun aus der bisher überschaubaren Gruppe mit mehrheitlich wenigstens etwas kirchlich sozialisierten Kindern doch wieder ein Riesentrupp geworden, der den Unterricht zu einer echten Herausforderung werden ließ. Höchst lebendig ging es in dem großen Kreis zu; ich schaffte viel weniger, als ich mir für diesen Tag vorgenommen hatte, und fragte mich am Ende, wie viel von dem, was ich den Konfirmanden nahezubringen versucht hatte, wohl bei ihnen hängen geblieben sein mochte. Als ich dann am Schluss der Stunde sagte: Lasst uns beten, blickte mich einer der neuen Vorkonfirmanden mit großen Augen an: „Was ist denn Beten?“ – fragte er mich. Dann beim Mittagessen hörte ich, wie eine Vorkonfirmandin einem Mädchen, das zum ersten Mal gekommen war, über den Konfirmandenunterricht erzählte: „Das ist viel besser hier als Schule“, erzählte sie – und mein Herz hüpfte vor Freude, als ich das hörte. Doch dann fuhr sie fort: „Hier beim Unterricht essen wir nämlich immer zusammen.“ Das raubte mir dann doch einige meiner letzten Illusionen.
Was kann, was will ich eigentlich mit solch einer Gruppe erreichen, so fragte ich mich – und erhielt nun bald darauf sehr hilfreiche Antworten, als ich mich mit dem Heiligen Evangelium dieses heutigen Aposteltages befasste. Auch wenn man es den Versen nicht sofort ansehen mag: Sie enthalten in der Tat wichtige Hinweise auf die Ziele, die wir auch heute im kirchlichen Unterricht verfolgen können und sollen.
Da schildert uns der Evangelist St. Matthäus hier in diesen Versen seine eigene Berufung. Sehr kurz und knapp fällt sie aus: Jesus sieht Matthäus am Zoll sitzen, ruft ihn in seine Nachfolge – und Matthäus steht auf und folgt ihm. So einfach klingt das hier – und ich würde mir wünschen, dass das so einfach auch bei uns funktioniert: Wir laden Menschen in die Nachfolge Jesu ein, und sie stehen auf und folgen fortan Jesus nach. Ach, wäre das schön, wenn das so einfach ginge!
Nun behauptet Matthäus hier auch gar nicht, dass das immer so schnell und einfach wie bei ihm bei allen Menschen gehen muss. Jesus hat durchaus sehr unterschiedliche Wege, Menschen in seine Gemeinschaft zu rufen. Doch das eine können wir hier bei der Berufung des Matthäus auf jeden Fall erkennen: Jesus hält dem Matthäus hier nicht erst einmal einen langen Vortrag, erst recht keine Moralpredigt darüber, was für ein Schwein er doch ist, dass er die Menschen da an seiner Zollstation so ausnimmt. Es geht Jesus nicht zuerst und vor allem darum, dem Matthäus religiöses Wissen zu vermitteln, damit der sich in Zukunft etwas anständiger verhalten kann. Sondern ihm ist nur eines wichtig: Dass Matthäus in seine Gemeinschaft kommt, dass er mit ihm, Jesus, lebt und bei ihm bleibt. Das hat natürlich dann auch Konsequenzen; aber die ergeben sich dann gleichsam von selbst, wenn Matthäus erst einmal bei Jesus ist.
Ja, genau das soll auch das erste und wichtigste Ziel des Konfirmandenunterrichts sein und bleiben: Menschen zu Jesus zu führen, sie in die Gemeinschaft mit ihm zu rufen, dass sie dorthin kommen, wo er ist. Wie viel der Matthäus schon von Jesus wirklich kapiert hatte, als er da in seiner Zollstation aufstand und hinter ihm herging, das wissen wir nicht. Auch manche unserer Konfirmanden mögen erst einmal ganz am Anfang ihres Weges stehen, mögen erst einmal selbst von ganz elementaren Dingen kaum eine Ahnung haben. Doch Hauptsache, sie lassen sich erst einmal dorthin rufen, wo Jesus ist, erfahren etwas davon, dass dies das Wichtigste für ihr Leben ist, mit diesem Jesus zu leben. Dann kann sich aus diesem Leben mit Jesus im Weiteren hoffentlich noch manches Andere entwickeln.
Und was machen Jesus und Matthäus nun als Erstes gemeinsam? Sie essen miteinander, essen mit lauter Leuten, bei deren Anblick sich der frommen Umgebung die Fußnägel hochrollten, mit Finanzbetrügern und jeder Menge unmoralischem Pack. Sie essen miteinander – und wenn man damals im Heiligen Land miteinander aß, dann bedeutete das eine ganze Menge: Da gab es noch kein McDonald’s, bei dem viele Menschen in einem Raum miteinander sitzen und sich ihren Hamburger reinziehen mögen, ohne irgendeine Form von Gemeinschaft miteinander zu haben. Sondern das gemeinsame Essen an einem Tisch, das stiftete damals ganz tiefe Gemeinschaft untereinander, das verband alle Mahlteilnehmer miteinander. Kein Wunder, dass die Leute entsetzt waren, dass Jesus mit solchen Typen gemeinsame Sache machte!
Es ist erstaunlich, dass unsere Kinder, unsere Vorkonfirmanden in dieser Hinsicht auch heutzutage ein sehr feines Gespür haben, was die Bedeutung von gemeinsamem Essen und Trinken angeht. Es ist ja nicht so, dass sie zu Hause nichts zu essen bekommen würden und wir sie hier in der Kirche vor dem Hungertod bewahren würden. Und doch ist es für viele Vorkonfirmanden offenkundig etwas ganz Besonderes, gemeinsam in der Kirche essen zu dürfen, Gemeinschaft zu erfahren, die natürlich auch verbunden ist dem gemeinsamen Gebet am Beginn und am Schluss. Das spüren die Vorkonfirmanden, dass das etwas Besonderes ist, dass sie da alle miteinander an einem Tisch zusammensitzen: die Chaoten, die Störer, die Ahnungslosen ebenso wie die, die immer gut mitmachen und zuhören. Ja, so erfahren sie: Wo Jesus Menschen in seine Gemeinschaft ruft, da bildet sich auch eine Gemeinschaft untereinander, die erfahrbar, erlebbar wird gerade auch beim gemeinsamen Essen, Gemeinschaft, die zum Leben als Christ einfach mit dazugehört.
Ja, genau das soll auch weiter ein Lernziel des Konfirmandenunterrichts für mich sein, dass die Kinder neben ihrer Bindung an Christus auch in eine Gemeinschaft untereinander eingebunden werden, die ihnen selber so viel Freude macht, dass sie auch andere dazu einladen. Und genau darauf will ich nun in der kommenden Zeit mit den Vorkonfirmanden hinarbeiten, dass sie erfahren, wie das beides miteinander verbunden wird, die Bindung an Christus und das gemeinsame Essen und Trinken, wie das miteinander verbunden wird in der Feier des Heiligen Mahles. Ja, darauf möchte ich mit den Konfirmanden hinarbeiten, dass ihnen dieses Heilige Mahl ganz wichtig wird, dass sie erkennen, dass dies der Ort ist, wo sie Christus leibhaftig begegnen und wo sie zu einer Gemeinschaft verbunden werden, die über den gemeinsamen Spaß noch unendlich hinausgeht. Ja, darauf möchte ich mit den Konfirmanden hinarbeiten, dass sie erkennen, was für eine Kraft das Wort Jesu hat: Damals bei Matthäus sprach Jesus sein Wort – und es geschah, was er gesagt hatte. Wenn wir das Heilige Mahl feiern, dann spricht Jesus auch wieder sein Wort, und wieder geschieht sofort, was er sagt. Ja, das hoffe ich, dass dies auch unseren Konfirmanden aufgeht – und dass dann auch all die anderen Worte Jesu, die sie bei uns hören, bei ihnen zu wirken anfangen. Wenn ich sehe, wie Jesus hier mit den Zöllnern und Sündern zusammensitzt, dann wird mir jedenfalls klar: Da läuft nichts völlig falsch bei uns im Vorkonfirmandenunterricht. Genauso sieht es aus, wenn Jesus Menschen um sich sammelt – damals am See Genezareth und heute in Zehlendorf. Amen.