18.12.2011 | 2. Korinther 1,18-22 | 4. Sonntag im Advent

Habt ihr euch auch schon größere Vorräte an Haferflocken zugelegt? Damit würdet ihr jedenfalls der Anregung eines Vertreters eines Aktionsbündnisses gegen den Eurorettungswahnsinn folgen, der am vergangenen Sonntag bei Günther Jauch in der ARD auftrat. Haferflocken zu horten - deutlicher kann man sein Misstrauen gegenüber den Versprechungen von Vertretern der Politik wohl kaum zum Ausdruck bringen, wonach der Euro sicher sei, das Vertrauen der Finanzmärkte bald wieder hergestellt sei und wir uns auf das Funktionieren geplanter Rettungsmechanismen stets verlassen könnten. Genüsslich wurde auch bei Günther Jauch wieder vorgeführt, wie Versprechungen und Ankündigungen, die führende Politiker noch vor kurzem gemacht hatten, jetzt schon wieder Makulatur sind, wie wenig man sich auf sie verlassen konnte und kann.

Wir tun uns heutzutage schwer, Versprechen noch zu vertrauen. Das gilt nicht nur für die europäische Finanzpolitik, das gilt auch im privaten Rahmen: Menschen zögern beispielsweise heute häufiger als früher damit, einander vor dem Standesamt oder gar vor dem Altar Gottes das Jawort zu geben, weil sie Vorbehalte hegen, ob es der Partner mit seinem Jawort wirklich ganz ernst meint, ob er auf die Dauer wirklich dazu in der Lage ist, dieses Jawort auch durchzuhalten – oder weil man, wenn man ehrlich ist, vielleicht auch weiß, wie wenig auf einen selber Verlass ist.

Auf wen können wir uns in unserem Leben also eigentlich noch verlassen? Das ist eine Frage, die für unser Leben von ganz grundlegender Bedeutung ist. Es geht nicht bloß darum, wie wir es schaffen, unser angespartes Vermögen möglichst sicher anzulegen – ob nun in Gold, in Immobilien oder in Haferflocken. Es geht um unser Leben überhaupt. Wenn ich nichts und niemanden habe, worauf ich mich verlassen kann, worauf ich mein Leben, meine Zukunft gründen kann, dann bleibe ich auf mich selber zurückgeworfen, dann werde ich letztlich auch untüchtig für ein Leben in der Gemeinschaft. Wir wissen das von anderen Menschen, wissen es vielleicht auch von uns selber, wie Enttäuschungen, die andere Menschen, auf die man sich verlassen hatte, einem zugefügt haben, tiefe Wunden hinterlassen, wie die misstrauisch machen, ja, letztlich auch den eigenen Selbstwert in Frage stellen.

Und damit, Schwestern und Brüder, sind wir nun tatsächlich mitten drin in der Predigtlesung des heutigen Sonntags. Da geht es nämlich auch um eine persönliche Vertrauenskrise, darum, auf wen denn eigentlich noch Verlass ist. Da hatte der Apostel Paulus der Gemeinde in Korinth eigentlich angekündigt, in absehbarer Zeit wieder bei ihr vorbeizuschauen. Doch nun war er gezwungen gewesen, seine Reisepläne zu ändern. Und da fürchtet er nun, dass die Korinther wieder einmal seine Glaubwürdigkeit in Frage stellen, seine Verlässlichkeit: Was der sagt, ist doch alles nur Gequatsche, darauf kann man doch nicht bauen! Und darauf reagiert Paulus nun, denn er weiß: Wenn in Frage gestellt wird, ob man sich auf das Wort, das in der Kirche gesagt wird, verlassen kann, dann steht damit alles, unser Glaube, unsere Lebensgrundlage, unsere Zukunft auf dem Spiel. Und darum redet er hier in den Versen unserer Predigtlesung so leidenschaftlich, stellt nicht nur den Korinthern damals, sondern auch uns heute vor Augen, worauf wir uns nun wirklich verlassen können:

I.
Der Apostel hält sich nicht lange dabei auf, von sich selber zu sprechen. Sondern er setzt ganz grundlegend an, setzt an bei keinem Geringeren als bei Gott selber. Auf den könnt ihr euch ganz und gar verlassen, so schreibt Paulus es den Christen in Korinth.

Das mag für uns nun so selbstverständlich klingen, dass man sich auf Gott verlassen kann. Doch so selbstverständlich ist das durchaus nicht. Es gibt Religionen, in denen man sich Gott als ein so fernes Wesen vorstellt, dass man letztlich gar nicht genau wissen kann, wie Gott zu uns Menschen eigentlich steht. Auf solch einen Gott kann man sich natürlich auch nicht verlassen, denn man weiß ja gar nicht, was der mit einem eigentlich vorhat und ob er morgen vielleicht mit einem schon etwas ganz Anderes vorhat als jetzt im Augenblick. Ja, solche Vorstellungen kursieren selbst bei manchen Theologen und Konfessionen innerhalb der christlichen Kirche, dass Gott so groß, so frei ist, dass er nicht an das gebunden ist, was in seinem Namen hier auf Erden geschieht. Wenn ich höre, dass er mir etwas verspricht, kann er das ja auch morgen wieder zurücknehmen, ist nicht dazu verpflichtet, dieses Versprechen auch einzulösen.

Doch Paulus widerspricht solchen Vorstellungen in aller Entschiedenheit: Gott ist kein launischer Gott, kein Willkürgott, keiner, der heute so und morgen schon wieder ganz anders über uns denkt, kein Gott, den bald schon nicht mehr interessiert, was er gerade vor kurzem geäußert hatte. Und Gott ist auch kein unendlich ferner Gott, der so weit von uns weg ist, dass wir ohnehin überhaupt nicht wissen können, was er mit uns vorhat und von uns hält. Sondern der hat sich zu Wort gemeldet, hat ganz konkrete Versprechungen gemacht, die nachzulesen sind in der Heiligen Schrift, in den Büchern, die wir heute das Alte Testament nennen. Und diese Versprechen, die hat er alle gehalten, so betont es Paulus: Jesus Christus, er ist die Erfüllung all dieser Versprechungen, auf alle Gottesverheißungen ist in ihm das Ja, so formuliert es der Apostel hier. Gott hat versprochen, dass einmal in Bethlehem ein Nachkomme Davids geboren werden wird, der auf ewig Herr über sein Volk sein wird – und Gott hat sein Wort gehalten. Gott hat versprochen, mit seinem Volk einen neuen Bund zu schließen, der gegründet ist auf die Vergebung der Sünden – und Gott hat sein Wort gehalten. Gott hat versprochen, dass da einer kommen wird, der für die Vielen, für Juden und Nichtjuden die Strafe für ihre Sünden auf sich nehmen und dafür sterben wird – und Gott hat sein Wort gehalten. Gott hat versprochen, auf sein Volk seinen Heiligen Geist auszugießen – und Gott hat sein Wort gehalten. Und so könnte ich jetzt noch ganz lange fortfahren. Gott hat es in der Sendung seines Sohnes Jesus Christus gezeigt: Auf ihn ist absolut Verlass; er gehört nicht zu denen, die leichtfertig etwas daherquatschen, wovon sie später nichts mehr wissen wollen. Wenn Gott etwas sagt und verspricht, dann gilt das auch für immer, dann hat das keine Halbwertszeit, in der die Gültigkeit dieses Versprechens allmählich wieder verfällt.

II.
Schwestern und Brüder, nun bräuchte uns all das, was ich gerade gesagt habe, erst einmal noch gar nicht sonderlich zu interessieren: Ist ja schön, wenn Gott damals vor 2000 Jahren Versprechen eingelöst hat, die er vor weit mehr als 2000 Jahren einmal gemacht hatte – aber was bedeutet das nun für mich, für mein Leben? Wie steht denn nun Gott zu mir? Sagt er mir auch etwas, worauf ich mich verlassen kann?

Jawohl, das sagt er, das hat er gesagt, so macht es der Apostel Paulus uns hier deutlich. Ein entscheidendes Wort hat er zu dir, zu mir, zu uns allen gesagt, und dieses eine entscheidende Wort heißt „Ja“. Gott hat zu dir „Ja“ gesagt, und weil auf sein Wort Verlass ist, sagt er das immer noch zu dir, wird es auch in Zukunft immer zu dir sagen. „Ja“, sagt Gott zu dir. Das heißt: Ich will dich haben, du sollst mein Kind sein, du sollst für immer mit mir leben; ich will und ich werde dich niemals verstoßen, denn was mein Sohn Jesus Christus getan hat, das gilt auch für dich.

„Ja“ sagt Gott zu dir, höre es wohl! „Ja“ sagt Gott zu dir, nicht etwa bloß: „Ja, aber“. Er sagt nicht zu dir: Ich nehme dich an als mein Kind, aber nur, wenn du auch ganz fest an mich glaubst. Er sagt nicht zu dir: Ich nehme dich an als mein Kind, aber nur, wenn du dich zuvor auch für mich entschieden hast. Er sagt nicht zu dir: Ich nehme dich an als mein Kind, aber nur, wenn du wirklich gut bist, wenn du im Weiteren auch ein wirklich christliches Leben führst. Sondern Gott sagt einfach „Ja“ zu dir, ohne Einschränkung, ohne Bedingung, ohne Widerrufsmöglichkeit.

Ahnst du, was das für dich, für dein Leben heißt? Überall sonst in deinem Leben musst du dich immer wieder beweisen, musst dir deine Anerkennung verdienen, überall sonst in deinem Leben stehst du in der Gefahr, erworbene Anerkennung zu verlieren, wenn du versagst. Doch hier sagt nun einer „Ja“ zu dir ohne Wenn und Aber, nein, nicht irgendeiner, sondern Gott selber, der, der einmal das letzte Wort über dein Leben sprechen wird. Sein „Ja“ zu dir ist nicht abhängig von deinem „Ja“ zu ihm; er sagt selbst dann noch „Ja“ zu dir, wenn du dich von ihm abwendest, wenn du nichts von ihm wissen willst. Denn auf sein Wort ist Verlass, sein Versprechen ist und bleibt bedingungslos. Wenn Gott dir etwas verspricht, dann brauchst du keinen Plan B, dann reicht es, wenn du zu seinem Ja einfach dein Amen sprichst. Dein Heil, deine Rettung, dein ewiges Leben hängen nicht von dir ab, nicht von deiner Glaubensstärke, nicht von deiner Entscheidung, erst recht nicht von deinem frommen Leben. Sie hängen allein ab von dem, was Gott dir gesagt hat. Und er hat „Ja“ gesagt.

Jawohl, er hat „Ja“ gesagt zu dir, ganz konkret am Tag deiner Heiligen Taufe. Gott hat sein Ja gebunden an das Wasser, das über deinen Kopf geflossen ist, als du auf seinen Namen, den Namen des dreieinigen Gottes, getauft wurdest. Da hat Gott dich versiegelt, wie Paulus es hier so schön formuliert, hat dieses Ja zu dir so fest gemacht, dass da keiner kommen kann und daran noch etwas verändern, daran noch etwas in Frage stellen kann. Vielleicht fällt es dir selber manchmal schwer, zu dir Ja zu sagen, wenn du auf dein eigenes Leben blickst, wenn du auch all das in deinem Leben vor Augen hast, wovon sonst vielleicht kein anderer Mensch auf dieser Welt irgendetwas weiß. Doch Gott weiß es – und er sagt trotzdem Ja zu dir, selbst wenn er zu manchem, was du in deinem Leben getan hast und tust, auch deutlich Nein sagt. Doch sein Ja zu dir, das er in der Taufe gesprochen hat, das nimmt er dennoch nicht zurück, das bleibt bestehen. Du bist und bleibst versiegelt.

III.
Gott sagt Ja zu dir: Genau das ist es, was du auch jetzt, nach deiner Taufe immer und immer wieder in der Kirche, im Gottesdienst hören darfst. Gott will dir immer wieder neu helfen, ihm zu vertrauen, will dir helfen, dass du dich tatsächlich ganz auf ihn verlässt, auch wenn du sonst in deinem Leben immer wieder so viele Enttäuschungen erlebt haben magst, wenn du anderen vertraut hast. Gott will dir helfen, ihm ganz zu vertrauen, will dich in Christus festmachen, dich in ihm befestigen, so formuliert es Paulus hier. In einer Welt, in der sonst auf so wenig Verlass ist, gibt er dir einen festen Grund unter deine Füße, macht dich damit lebenstüchtig, macht dich dadurch fähig, auch auf andere zuzugehen.

Genau darum geht es immer wieder neu in einer christlichen Gemeinde, genau darum geht es auch bei uns: Du darfst dich verlassen auf die Botschaft von Christus, die dir hier verkündigt wird, auf diese Botschaft, die du auch heute wieder hörst und die keine andere ist als die, die schon damals Paulus und seine Mitarbeiter verkündigt haben, ja, die Gottes Anrede an dich selber ist – und an die, die um dich herum hier in der Kirche sitzen, auch. Du darfst dich darauf verlassen, dass du von Gott bejaht bist, angenommen ohne Einschränkungen. Und du darfst dich darauf verlassen, dass das auch für die anderen um dich herum gilt. Ja, so leben wir in der Gemeinde miteinander, dass wir einander annehmen als Menschen, zu denen Gott Ja sagt, die von Gott bedingungslos geliebt sind. Nicht Misstrauen braucht darum unser Verhältnis zueinander zu bestimmen, sondern das Vertrauen, dass Gottes Ja auch bei dem Bruder, bei der Schwester in ihrem Leben nicht ohne Folgen bleibt.

Schwestern und Brüder, ob und wie der Euro zu retten ist, das weiß ich auch nicht. Ich bin auch nicht klüger als die Politiker, die darüber in diesen Wochen und Monaten zu entscheiden haben. Aber ich kenne einen Rettungsschirm, der hundertprozentig funktioniert: Gott hat ihn über euch aufgeklappt in eurer Taufe, und ihr dürft euch immer wieder unter ihn flüchten, wenn ihr hier nach vorne kommt an seinen Altar, wenn Gott zu euch wieder von Neuem Ja sagt: Ja, dir sind deine Sünden vergeben, ja, das ist der wahre Leib, das wahre Blut deines Herrn Jesus Christus. Da brauchst du dein Leben dann nicht mehr mit Haferflocken abzusichern. Denn deine Zukunft steht fest. Gott sagt zu dir: Ja. Und da bleibt dir nur noch ein Wort: Amen.