05.04.2010 | 1. Korinther 15, 12-20 (Ostermontag)

OSTERMONTAG – 5. APRIL 2010 – PREDIGT ÜBER 1. KORINTHER 15,12-20

Wenn aber Christus gepredigt wird, dass er von den Toten auferstanden ist, wie sagen dann einige unter euch: Es gibt keine Auferstehung der Toten? Gibt es keine Auferstehung der Toten, so ist auch Christus nicht auferstanden. Ist aber Christus nicht auferstanden, so ist unsre Predigt vergeblich, so ist auch euer Glaube vergeblich. Wir würden dann auch als falsche Zeugen Gottes befunden, weil wir gegen Gott bezeugt hätten, er habe Christus auferweckt, den er nicht auferweckt hätte, wenn doch die Toten nicht auferstehen. Denn wenn die Toten nicht auferstehen, so ist Christus auch nicht auferstanden. Ist Christus aber nicht auferstanden, so ist euer Glaube nichtig, so seid ihr noch in euren Sünden; so sind auch die, die in Christus entschlafen sind, verloren. Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus, so sind wir die elendesten unter allen Menschen. Nun aber ist Christus auferstanden von den Toten als Erstling unter denen, die entschlafen sind.

Die Nachricht schlug ein wie eine Bombe: Bei Ausgrabungen in Jerusalem hat man ein uraltes Schriftstück gefunden, das sich als ein Bekenntnis des Apostels Petrus herausgestellt hat. Darin gibt er reumütig zu, in der Nacht zum Ostersonntag heimlich in das Grab des Jesus von Nazareth eingedrungen zu sein, den Leichnam weggeschleppt und in einer Felsspalte in der Nähe versteckt zu haben. Er habe es einfach nicht ertragen können, dass sein Meister tot sei, und habe sich darum die Geschichte mit der Auferstehung ausgedacht. Ja, er gibt sogar an, wo sich diese Felsspalte befindet, in der er den Leichnam Jesu versteckt habe. Und siehe da, die Archäologen haben in der Felsspalte nachgeschaut und ganz tief drinnen tatsächlich die 2000 Jahre alten Knochen eines Mannes gefunden. Keine Zeitung gab es, die diese Meldung nicht auf der Titelseite gebracht hätte: „Christentum am Ende“; „Der erste Papst – ein Betrüger“; „Jesus ist niemals auferstanden“ – so lauteten die Schlagzeilen. Bestürzung herrschte in vielen christlichen Kreisen; nur einige Vertreter des protestantischen Lagers konnten den Triumph in ihren Gesichtern nur schwer verbergen: Jetzt können wir den Fundamentalisten endlich den Mund stopfen, die das mit der Auferstehung Jesu immer wörtlich genommen haben! Wir haben doch schon immer gesagt, dass die Botschaft von der Auferstehung Jesu nur bedeutet, dass man in seinem Leben niemals die Hoffnung aufgeben soll. Und die Sache Jesu – die geht doch so oder so weiter, ganz gleich, ob man nun den Leichnam Jesu gefunden hat oder nicht. In unserer Kirche braucht sich jedenfalls nichts zu ändern – denn unsere Sozialarbeit ist doch von solch einem archäologischen Fund überhaupt nicht betroffen. Kirche dichtmachen, auf die Feier von Ostern verzichten – nein, das ist doch nun wirklich nicht nötig; stellen Sie sich nur mal vor, was für Auswirkungen das auf den Arbeitsmarkt und auf die deutsche Schokoladenindustrie hätte!
Schwestern und Brüder, bevor jetzt noch irgendjemand auf die Idee kommt zu meinen, ich hätte hier gerade eben eine wahre Geschichte erzählt, breche ich diese Erzählung schnell ab. Ja, natürlich habe ich mir diese Geschichte nur ausgedacht; natürlich hat man nirgendwo in Israel ein Bekennerschreiben des Apostels Petrus oder gar die Knochen von Jesus selber gefunden und wird dies auch niemals tun. Statt irgendwelche reumütigen Geständnisse zu verfassen, hat sich der Apostel Petrus vielmehr selber wie sein Herr umbringen lassen, hat mit seinem Tod bezeugt, dass er dazu bereit war, sogar mit seinem Leben für die Wahrheit der Botschaft von der Auferstehung Jesu einzutreten.
Warum habe ich euch dann diese verrückte Geschichte am Anfang erzählt? Nein, nicht um euch zu schocken oder gar Zweifel an der Auferstehungsbotschaft zu säen – ganz im Gegenteil. Ich habe dies gemacht, weil der Apostel Paulus in der Epistel des heutigen Festtags auch ganz ähnlich vorgeht, weil der die Christen in Korinth mit einem ganz ähnlichen Gedankenexperiment konfrontiert, wie ich dies eben bei euch getan habe.
Nein, Paulus tat dies nicht, weil er ein Spaßvogel gewesen wäre, einer, der ohne Grund mal irgendwelche Verrücktheiten von sich gab. Sondern er hatte zu diesem Gedankenexperiment allen Grund. Denn er hatte davon gehört, dass es in der Gemeinde in Korinth allen Ernstes einige Leute gab, die nicht daran glaubten, dass sie nach ihrem Tod einmal wie Christus zu einem neuen Leben auferstehen würden. Was sie dazu veranlasste, können wir nur vermuten. Tatsache ist jedenfalls, dass die Botschaft von einer Auferstehung der Toten, ja, gar von einer Auferstehung des Fleisches, des Leibes, überhaupt nicht in das Denken der damaligen Zeit in Griechenland passte. Dass der Mensch so etwas wie eine unsterbliche Seele besaß und dass diese Seele durch den Tod endlich aus dem Gefängnis des Körpers befreit wurde, das konnte man noch nachvollziehen, auch wenn es unter den philosophischen Schulen durchaus umstritten war, ob mit dem Tod nicht vielleicht doch einfach alles aus sei. Aber dass ein Körper, den man doch nun nachweislich zum Verwesen in die Erde legte, dass ein solcher Körper noch mal wiederauferstehen könnte – das war doch ein solch lächerlicher Gedanke, dass man den nicht weiter ernst zu nehmen brauchte. Ja, der Gedanke an eine geistige, spirituelle Auferstehung, die sich vielleicht schon jetzt in unserem Leben vollzog, der war durchaus noch akzeptabel, den konnte man auch unter christlichem Vorzeichen weiterdenken; doch eine leibliche Auferstehung – das war doch geradezu niveaulos, kindlich-primitiv; mit solch einer Botschaft konnte man doch keinem gebildeten Griechen kommen. Ja, offenbar gab es auch in Korinth zumindest einige Gemeindeglieder, die so dachten. Dabei hatten sie gegen die Behauptung des Apostels Paulus noch nicht einmal etwas einzuwenden, dass da unten in Jerusalem der Jesus von Nazareth wieder von den Toten auferstanden sei. Sollte er doch ihretwegen, wenn er Spaß daran hatte – nur mit ihnen, den Korinthern, hatte das, was da in Jerusalem geschehen sein mochte, doch nicht das Geringste zu tun!
Und darauf reagiert nun der Apostel Paulus hier in unserer Predigtlesung. Und er stellt eines ganz klar heraus: Wenn für euch die Auferstehung Jesu nur das Privatvergnügen eines einzelnen Menschen dort unten in Israel war, das für euch und euer Leben nicht mehr Bedeutung hat, als wenn in China ein Sack Reis umfällt, dann habt ihr noch überhaupt nicht kapiert, was da eigentlich passiert ist. Nein, die Auferstehung Jesu ist keine Meldung fürs Kuriositätenkabinett, sondern sie ist nicht weniger als der Beginn der Auferstehung der Toten überhaupt, die Gott für das Ende der Zeiten angekündigt hat. Wenn die Auferstehung der Toten bei dem ersten schon mal angefangen hat, dann ist sie nun nicht mehr zu stoppen, dann kommen die anderen auch hinterher. Und das heißt umgekehrt: Wenn ihr bestreitet, dass ihr nach eurem Tode auferstehen werdet, dann stellt ihr damit auch in Frage, dass diese Totenauferstehung überhaupt begonnen hat, dann stellt ihr damit auch die Auferstehung Jesu selber in Frage.
Und dann spielt der Apostel einfach mal durch, was das heißen würde, wenn Jesus in Wirklichkeit gar nicht auferstanden wäre, wenn seine Knochen einfach irgendwo in seinem Grab oder wo auch immer vermodert wären oder sich wahlweise nach 2000 Jahren immer noch irgendwo ausbuddeln ließen. Dann, so sagt es Paulus ganz klipp und klar, dann könntet ihr euch die Teilnahme am Gottesdienst schenken. Dann könntet ihr zu Hause bleiben und müsstet euch nicht anhören, was euch da gepredigt wird. Eine Predigt, die nicht darauf gründet, dass Jesus Christus wahrhaftig auferstanden ist, ist leeres Gewäsch, das ihr euch auch ersparen könnt. Wovon soll man denn dann noch reden, wenn Jesus Christus in Wirklichkeit tot ist? Von seinen weisen Worten, die er im Leben von sich gegeben hat? Die kann man sich schenken, wenn er am Ende doch im Tod geblieben ist! Oder sollen wir uns von ihm dazu anleiten lassen, nett zueinander zu sein, liebevoll miteinander umzugehen? Das ist zwar nicht falsch; aber dafür braucht man keinen Gottesdienst. Nein, es bleibt dabei: Wenn Christus nicht auferstanden ist, dann könnt ihr mit eurem Glauben einpacken, dann gibt es keinen Grund, noch Christ zu sein. Auf einen Totenkult können wir wahrlich verzichten!
Wer bestreitet, dass Jesus wirklich auferstanden ist, muss dann allerdings auch den Aposteln und den anderen Auferstehungszeugen unterstellen, dass sie entweder alle nicht ganz dicht waren, ein wenig durchgeknallt vielleicht, oder aber dass sie gar bewusst gelogen haben. Denn dass die Apostel selber davon überzeugt waren, ihn, den auferstandenen Jesus, selber gesehen zu haben, das wird auch kein nichtchristlicher Historiker bestreiten können. Wir haben es ja gerade gestern in der Predigtlesung gehört, dass Paulus selber, der Verfasser dieses Briefes, davon spricht, wie der auferstandene Christus auch ihm erschienen ist und sein Leben damit völlig umgekrempelt hat. Dass der Christenverfolger Paulus aus lauter Sehnsucht danach, endlich seinen geliebten Jesus wiedersehen zu dürfen, schließlich sich einbildete, ihn auch wirklich gesehen zu haben, wird man ihm wohl kaum unterstellen können.
Doch damit nicht genug: Wenn Jesus nicht auferstanden ist, wenn er in Wirklichkeit tot geblieben ist, dann bedeutet das ja auch, dass Gott sich nicht zu ihm bekannt hat, dass er seinen Tod am Kreuz nicht als Opfer für die Schuld der ganzen Welt anerkannt hat. Nun gut, wer erst gar nicht an Gott glaubt, dem mag das egal sein. Aber wer an Gott glaubt und ihm doch nicht zutraut, dass er Jesus tatsächlich von den Toten auferweckt hat, der hat ein Problem. Der kann nämlich letztlich dann auch nichts mit dem Kreuzestod von Jesus anfangen, ja, der muss unsere Sünde und Schuld so weit verharmlosen, dass Gott als der liebe Gott einfach über sie hinwegblickt und sie nicht so ganz ernst nimmt. Ja, ohne die Auferstehung Jesu können wir uns auch den Karfreitag schenken, dann müssten wir feststellen, dass Jesus am Ende seines Lebens einfach nur Pech gehabt hat. Dann wäre es tatsächlich besser gewesen, wenn er noch ein paar Jahre länger gelebt hätte und vielleicht noch ein paar kluge Worte von sich gegeben hätte. Nur – in den Himmel kommen würden wir auch durch diese klugen Worte nicht!
Doch Paulus geht noch weiter: Wenn Jesus nicht auferstanden wäre, dann könnten wir uns auch jede christliche Beerdigung schenken. Was sollen wir denn dann noch am Grab eines Menschen sagen? Dass er in unseren Herzen weiterlebt, oder dass er irgendwo als unsterbliche Seele weiterexistiert und sich vielleicht irgendwann einmal einen neuen Körper sucht? Dann sollten wir die Beerdigungen wirklich irgendwelchen freien Rednern oder Esoterikvertretern überlassen. Dann haben wir als Christen nichts mehr zu sagen. Nur um mit etwas feierlichem Brimborium festzustellen, was für ein guter Mensch der Verstorbene doch war, braucht es keine Kirche und keinen Glauben. Nein, auch wenn eine Beerdigung noch so hübsch gestaltet wird – ohne die Predigt von dem auferstandenen Christus und unserer Auferstehung, die darin begründet liegt, ist eine solche Beerdigung einfach nur hoffnungslos, bestenfalls Verdrängung der harten Realität des Todes, mehr nicht.
Und noch etwas fügt der Apostel hinzu: Wenn Christus nicht auferstanden ist, dann wären wir saublöd, wenn wir immer noch Christen wären. Ich bin doch nicht Christ, weil ich damit günstiger an Pizza herankomme und an ein paar schönen Fahrten und Ausflügen teilnehmen kann und dafür dann auch in Kauf nehme, hier und da mal etwas früher am Sonntag aufzustehen. Sondern wenn ich es ernst damit meine, dass ich Christ bin, dann heißt das in der Tat, dass ich auf manches verzichte, um Christus nahe sein zu können, um im Glauben an ihn zu wachsen. Ja, wenn Christus nicht auferstanden wäre, dann wäre ich doch schön blöd, wenn ich sonntags nicht ausschlafen würde, dann wäre ich doch schön blöd, wenn ich mich wegen meines Glaubens von anderen auslachen lassen würde, wenn ich vielleicht sogar Ärger in meiner eigenen Familie riskieren würde, nur weil mir Christus so wichtig ist. Wenn Christus nicht auferstanden wäre, dann wären all die unzähligen Christen schön blöd, die zu dieser Stunde um ihres Glaubens willen in Gefängnissen und Konzentrationslagern sitzen, die sich auch zu Ostern heimlich zu Gottesdiensten treffen und wissen, dass ihnen Verhaftung und vielleicht gar die Todesstrafe drohen, wenn sie dabei erwischt werden. Ja, wenn Christus nicht auferstanden wäre, dann gibt es nur ein Lebensmotto, das wirklich vernünftig ist, so schreibt es der Apostel im Anschluss an unsere Predigtlesung: Lasst uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot. Party machen bis zum Abwinken, Spaß haben, solange man jung ist, denn älter als dreißig möchte man im Leben ja doch nicht werden, möchte ja doch nicht als Gruftie enden.
Nein, Schwestern und Brüder, die Botschaft von der Auferstehung Christi ist kein unwesentliches Detail unseres Glaubens, keine Lehraussage, über die man in der Kirche streiten kann und die jeder Pastor auch anders sehen und bewerten kann. Sondern wer leugnet, dass Christus leibhaftig auferstanden ist, der gibt damit nicht weniger als die Grundlage des christlichen Glaubens preis, dem bleibt nicht mehr als ein bisschen selbstgebastelte Religion, als hohles Gerede.
Doch nun Schluss jetzt mit dieser Spekulation, was wäre wenn, was wäre, wenn Christus nicht auferstanden wäre! Die Frage ist nicht mehr offen. Sie ist beantwortet seit jenem Ostermorgen, an dem die Frauen zum leeren Grab kamen; sie ist beantwortet seit jenem Osterabend, an dem der auferstandene Christus in die Mitte seiner Jünger kam; sie ist beantwortet, seit der auferstandene Christus seine Jünger losgeschickt hat in alle Welt, seit er sich auch den Paulus geschnappt und zu seinem Apostel gemacht hat.
Und darum lohnt es sich für euch, zum Gottesdienst zu kommen und sich dort im Gottesdienst die Predigt anzuhören – nicht weil die unbedingt so spannend und rhetorisch gelungen wäre, sondern weil in dieser Predigt kein Geringerer als der auferstandene Christus selber zu euch spricht, weil er sich selbst darin als der Auferstandene bezeugt und euch immer wieder die wichtigste Botschaft der Welt vernehmen lässt. Darum lohnt es sich für euch, in jedem Gottesdienst zum Heiligen Abendmahl zu kommen, weil dieses Abendmahl eben nicht bloß eine Gedächtnisfeier ist, bei der wir an einen großen Menschen denken, sondern weil der auferstandene Christus selber darin leibhaftig zu uns kommt mit seinem Leib und Blut, mit dem er auferstanden ist von den Toten. Hätte Jesus nicht das Grab wieder verlassen, dann könnten wir uns die Abendmahlsfeier schenken; doch weil er auferstanden ist, empfangen wir in diesem Heiligen Mahl nicht weniger als Anteil an seinem Auferstehungsleben, wird das Heilige Mahl auch für uns immer wieder neu zur Medizin des ewigen Lebens. Weil Christus auferstanden ist, darum brauchen wir bei Beerdigungen nicht bloß darüber zu reden, was für ein besonderer Mensch der Verstorbene war, sondern dürfen von ihm Abschied nehmen in der Gewissheit, dass dieser Mensch, so gewiss er an Christus geglaubt hat, einmal mit Christus auferstehen wird zu einem neuen Leben ohne Ende. Und weil Christus auferstanden ist, lohnt es sich für uns, um seinetwillen auch Verzicht zu üben, lohnt sich jedes frühe Aufstehen am Sonntagmorgen und an den Feiertagen dazu, lohnt es sich, sich zu ihm zu bekennen, lohnt es sich, sich auch im Alltag Zeit zu nehmen für ihn und sein Wort, lohnt es sich, an ihm festzuhalten bis in die letzte Stunde des irdischen Lebens. Nein, es geht doch nicht darum, dass wir uns mit all dem den Himmel verdienen müssten oder könnten. Es geht um etwas ganz Anderes: Er lebt doch wirklich, Christus, der Auferstandene. Und das ist doch tatsächlich die aufregendste Nachricht der Welt, ja in Wirklichkeit unsere einzige Hoffnung. Was die Archäologen im Heiligen Land auch noch alles ausbuddeln werden – ihn, Christus, werden sie dort nicht finden. Denn der ist in Wirklichkeit heute Morgen hier mitten unter uns, der lebendige Herr der Welt. Denn er ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden. Halleluja. Amen.