06.10.2010 | Titus 3,5-7 | Mittwoch nach dem 18. Sonntag nach Trinitatis

Eben sind wir Zeugen eines etwas ungewöhnlichen Geschehens geworden: Wir haben eben hier in unserem Gottesdienst eine sogenannte Konditionaltaufe miterlebt. Warum haben wir diese Konditionaltaufe eben gehalten? Unsere Schwester Anastasia Oks ist, als sie noch ein kleines Kind war, in einer Sekte getauft worden. In dieser Sekte wird die Taufe anders vollzogen, als wir dies nach dem Zeugnis des Neuen Testaments für angemessen halten; außerdem hat die Taufe in dieser Sekte eine ganz andere Bedeutung, als sie sie bei uns hat: Sie ist wesentlich Aufnahmeritus in eine Organisation, die sich jedenfalls lange Zeit als alleinseligmachend verstanden hatte und zum Teil auch heute noch versteht. Ist die Taufe, die unsere Schwester damals empfangen hatte, darum eine gültige Taufe gewesen oder nicht? Wir wissen es nicht. Wir können es nicht ausschließen, aber wir können dessen auch nicht gewiss sein. Und eben darum haben wir an ihr eben eine Konditionaltaufe vollzogen, also eine Taufe unter der Bedingung, dass die Taufe, die sie damals vor 19 Jahren im Oblast Kaliningrad empfangen hatte, nicht gültig war.

Eine andere Möglichkeit, als solch eine Konditionaltaufe zu vollziehen, haben wir in solchen Fällen nicht. Es reicht ja nicht, dass sich unsere Schwester einredet, sie sei schon gültig getauft. Denn die Gültigkeit einer Taufe hängt nicht davon ab, ob wir das Gefühl haben, dass sie gültig ist. Die Taufe ist ja nicht bloß ein netter Aufnahmeritus, sondern, so macht es uns St. Paulus hier in unserer Predigtlesung deutlich, durch die Taufe werden wir selig, werden wir gerettet zum ewigen Leben, werden wir Erben des ewigen Lebens. Es gibt in der Tat keine wichtigere Frage in unserem Leben als die, ob wir getauft sind, ob wir durch die Taufe ein neues unzerstörbares Leben von Gott erhalten haben oder nicht. Und auf diese Frage müssen wir eine ganz klare Antwort geben können, nicht bloß die Antwort: Ich nehme an, ich bin getauft, ja, ich glaube schon. Es geht bei der Taufe nicht darum, ob ich mich so fühle, als ob ich getauft bin. Sondern da dürfen keine Zweifel bleiben: Jawohl, ich bin so getauft, wie Christus dies befohlen hat. Umgekehrt können wir aber auch nicht ausschließen, dass die Taufe, die Anastasia damals empfangen hat, gültig war. Schließlich war damals irgendwo Wasser im Spiel, und die Worte der Taufformel wurden vermutlich auch gesprochen. Von daher können wir nicht einfach so tun, als ob sie gar nicht getauft sei. Denn keinesfalls sollen und dürfen wir eine Wiedertaufe vollziehen, eine gültige Taufe durch eine andere ersetzen. Die Taufe ist doch, so haben wir es eben bei St. Paulus gehört, ein Bad der Wiedergeburt; dort werde ich in ein neues Leben hineingeboren. Und genauso, wie wir nur einmal von unserer Mutter geboren werden konnten, können wir auch nur einmal wiedergeboren werden in der Taufe: einmal getauft, immer getauft. Nein, was wir heute an Anastasia vollzogen haben, war eben keine Wiedertaufe. Sondern es ging bei dieser Konditionaltaufe einzig und allein darum, dass auch unsere Schwester gewiss sein soll, dass sie auf jeden Fall getauft ist, sei es, dass die Taufe damals gültig war, sei es, dass Gott die Wiedergeburt erst heute an ihr vollzogen hat. Wann das nun geschehen ist, weiß allein Gott. Und das reicht auch. Wichtig für uns, wichtig vor allem für unsere Schwester Anastasia Oks ist einzig und allein, dass sie hier und heute nun ganz gewiss sein darf: Ich bin getauft. All das, was der Apostel Paulus hier in unserer Predigtlesung über die Taufe sagt, das gilt nun auch ganz gewiss für mich; da bleiben keine Zweifel und Fragen zurück.

Und darum ist der heutige Tag ein Freudentag für unsere Schwester Anastasia Oks und für uns alle: Ja, Gott hat auch sie selig gemacht, hat auch sie gerettet zum ewigen Leben. Er hat sie durch die Taufe erfüllt mit den Gaben seines Heiligen Geistes, die er auch über sie reichlich ausgegossen hat. Alles, was sie von Gott trennen könnte, ist jetzt weggenommen. Ihr Name ist nun im Himmel geschrieben; sie hat ein Anrecht auf ihr Erbteil im Himmel, das nun auch der Teufel endgültig nicht mehr in Frage stellen kann. Gewiss, sehen kann man von all dem im Augenblick noch nichts; eben darum blieb uns ja nichts Anderes als solch eine Konditionaltaufe übrig, weil man eben nicht mit irgendwelchen Untersuchungsmethoden an Anastasia feststellen konnte, ob sie denn nun schon getauft war oder nicht. Mit unseren Augen sehen wir nur, dass auch heute wieder Wasser geflossen ist, verbunden mit den Worten Christi. Doch Gott hat seine Versprechen an dieses äußerliche Geschehen geheftet; das gilt, auch wenn wir nichts davon fühlen oder testen können.

Ja, zur Freude über unsere eigene Heilige Taufe soll uns das, was wir heute miterlebt haben, von daher anleiten: Wie gut, dass auch wir gewiss sein dürfen: Wir sind getauft. Das heißt auch für uns: Gott hat uns selig gemacht durch das Bad der Wiedergeburt, hat uns gerettet vom ewigen Tod, von der Macht des Teufels, hat uns zu seinen Kindern gemacht, die erbberechtigt sind, deren Leben nicht im ewigen Tod endet, sondern in der ewigen Gemeinschaft mit ihrem Vater im Himmel. Ja, das dürfen wir erkennen, das dürfen wir bekennen in der Kraft des Heiligen Geistes, den Gott auch über uns ausgeschüttet hat. Mögen wir dieses Geschenk unserer Taufe von daher niemals geringschätzen, niemals beiseite packen in unserem Leben, als ob uns dies eigentlich nichts bedeuten würde! Nein, es bleibt die wichtigste Nachricht deines Lebens: Du bist getauft! Und diese Nachricht gilt eben auch für unsere Schwester Anastasia Oks – ab heute ganz gewiss! Amen.