24.12.2010 | Offenbarung 2,7 | Christvesper I

Was verbinden die Deutschen mit dem Stichwort „Weihnachten“? – Diese Frage stellte kürzlich in einer Umfrage die BAT-Stiftung für Zukunftsfragen. Ratet mal, was auf den ersten drei Plätzen gelandet ist! Ich fange mal mit Platz 3 an: Auf Platz 3 mit 67% landete die Zeit mit der Familie – Weihnachten als Familienfest. Auf Platz 2 landeten mit 70% die Geschenke – Weihnachten als Geschenkefest. Und auf Platz 1 landete mit 76% der Tannenbaum. Weihnachten – ein Tannenbaumfest. Es gab immerhin noch 32% der Deutschen, die auf die exotische Idee verfielen, Weihnachten könnte etwas mit der Geburt Jesu Christi zu tun haben; aber für mehr als doppelt so viele ist eben doch der Tannenbaum das Wichtigere an Weihnachten.

Welche Bedeutung der Tannenbaum für einheimische Gemüter hat, kann man Jahr für Jahr bei den heftigen Diskussionen um den Weihnachtsbaum, der am Breitscheidplatz aufgestellt wird, verfolgen: Für nicht wenige scheint das ganze Weihnachtsfest in Gefahr zu sein, wenn der Busch, den man da aufstellt, entweder zu wenige Zweige hat und eher an ein Mahnmal gegen das Waldsterben erinnert oder wenn man dort gar, wie in diesem Jahr, einen aufblasbaren Weihnachtsbaum installiert.

Wenn ich mir das ganze Theater, das um Tannenbäume und Weihnachtsbäume in diesen Tagen veranstaltet wird, anschaue, dann habe ich mitunter nicht geringe Lust, einfach mal ganz auf die Aufstellung eines Tannenbaums in unserer Kirche zu verzichten. Ich wäre echt mal auf die Gesichter der Gottesdienstbesucher gespannt, wenn sie an Weihnachten hier in die Kirche kämen, und es stünde kein Weihnachtsbaum hier! Ob da nicht doch so mancher behaupten würde, das wäre für ihn kein richtiges Weihnachten, keine richtige Christvesper, wenn da vorne kein Baum mit Kerzen steht?

Doch wir haben nun auch in diesem Jahr wieder einen Weihnachtsbaum hier bei uns in der Kirche stehen. Und das ist auch gut so. Hauptsache, wir wissen allerdings, weshalb wir diesen Baum hier zu Weihnachten aufstellen. Das ist ja nicht eine altdeutsche Tradition, wie manche es behaupten, und es hat erst recht nichts mit irgendwelcher altgermanischen Naturverehrung zu tun, wie es früher die Nazis und bis heute noch die Zeugen Jehovas allen Ernstes behaupten. Sondern die Sitte der Aufstellung eines Weihnachtsbaums geht darauf zurück, dass der 24. Dezember seit alters her in der Kirche auch der Gedenktag von Adam und Eva ist. Am 24. Dezember erinnerte man sich in der Kirche daran, dass Adam und Eva einst aus dem Paradies, in dem der Baum des Lebens stand, vertrieben worden sind, weil sie Gott misstraut und sein Gebot übertreten hatten. Seitdem leben wir Menschen jenseits von Eden, getrennt vom Leben in der Gemeinschaft mit Gott. Doch zu Weihnachten hat Gott mit uns Menschen noch einmal ganz neu angefangen: Er hat seinen Sohn Mensch werden lassen, damit wir nicht länger von Gott getrennt sind, sondern wieder in seiner Gemeinschaft leben dürfen. Wer an Christus glaubt, wer mit ihm verbunden ist durch das Heilige Abendmahl, der wird einmal, so verspricht es Christus selber im letzten Buch der Bibel, der Johannesoffenbarung, der wird einmal wieder essen dürfen vom Baum des Lebens, der im Paradies Gottes steht, der wird für immer, ohne Ende, Gott schauen dürfen und nie mehr von ihm getrennt werden.

Und um genau dies vor allem den Kindern vor Augen zu stellen, stellte man in der Zeit nach der Reformation Martin Luthers Christbäume in den Kirchen auf, die die Kinder genau daran erinnern sollten: Christus ist zu uns gekommen, damit wir einmal vom Baum des Lebens werden essen dürfen. Der Weihnachtsbaum symbolisiert also den Lebensbaum. Darum ist er ein immergrüner Nadelbaum, weil das Immergrün das ewige Leben symbolisiert. Darum hängte man an diesen Weihnachtsbaum früher Äpfel, die im Unterschied zu der Frucht, die Adam und Eva einst aßen, nicht den Tod, sondern das Leben symbolisieren sollten, das von diesem Baum ausgeht. Und darum hängte man früher an den Christbaum auch Oblaten und Lebkuchen, die an die Hostien im Heiligen Mahl, an den Leib Christi, erinnern sollten, durch den wir Anteil am Paradies, am ewigen Leben bekommen. Und dazu passen dann eben auch die Kerzen, die man später an dem Christbaum anbrachte: Das Licht symbolisiert ebenfalls das Leben, das von dem Paradiesesbaum ausgeht.

Darum, Schwestern und Brüder, stellen wir auch bei uns in der Kirche jedes Jahr einen Weihnachtsbaum auf, der eben in Wirklichkeit nichts zu tun hat mit den zusammenklappbaren Kitsch-Tannenbäumen, die in vielen Wohnungen unseres Landes mittlerweile schon zu Beginn der Adventszeit aufgestellt werden, ohne dass die meisten, die sie aufstellen, überhaupt wissen, was sie da eigentlich tun. Ja, wir stellen diesen Weihnachtsbaum bei uns auf, weil er auch dir eine stumme und doch ganz wichtige Predigt hält: Was ist für dich eigentlich das Wichtigste im Leben? Gesundheit, Familie, Geldverdienen, Spaß? Ist ja in der Tat alles schön und wichtig. Aber das Wichtigste im Leben ist, so zeigt es dir der Weihnachtsbaum, dass du in deinem Leben das Ziel nicht verfehlst, das Gott doch auch für dich vorgesehen hat: Dass du für immer in der Gemeinschaft mit Gott lebst. Nein, an diesem Ziel kommst du nicht automatisch an. Das kannst du auch verpennen und verfehlen. Da bei diesem Ziel, an diesem Baum des Lebens, kommst du nur an, wenn du dich an diesen Jesus Christus hältst, dessen Geburtstag wir heute feiern. Folge darum der Einladung von Jesus Christus, nein, nicht bloß einmal im Jahr, sondern immer wieder, wenn er es dir zuruft: „Komm, es ist alles bereit! Ich habe alles für dich vorbereitet hier im Gottesdienst, hier bei der Feier des Heiligen Abendmahls!“ Da kommst du schon hier und jetzt an den Baum des Lebens heran, auch wenn dieser Tannenbaum schon längst von der BSR entsorgt worden ist.

Ja, der Weihnachtsbaum soll auch euch, liebe Kinder, daran erinnern, dass Gott uns zu Weihnachten das allergrößte Geschenk macht: Er schickt seinen Sohn Jesus Christus zu uns, und der kommt und schließt uns wieder die Tür zum Himmel, zum Paradies auf, zum Leben in der Gemeinschaft mit Gott. Alle anderen Geschenke, die ihr heute Abend bekommt, sollen euch an dieses eine Geschenk erinnern, das Gott uns gemacht hat. Und genau daran soll euch eben auch der Weihnachtsbaum erinnern: Wir sollen und wir werden für immer leben bei Gott, am Baum des Lebens. Und wenn ihr, liebe Kinder, nun gleich einen kleinen gefüllten Weihnachtsbaum geschenkt bekommt, dann vergesst ihr hoffentlich nicht, was euch dieser Baum sagen will: Bleibt bei Christus, und glaubt an ihn – dann werdet auch ihr einmal dabei sein bei dem Fest, das noch tausendmal schöner sein wird als das allerschönste Weihnachtsfest! Amen.