26.09.2010 | Römer 10,9-18 | 17. Sonntag nach Trinitatis

Denn wenn du mit deinem Munde bekennst, dass Jesus der Herr ist, und in deinem Herzen glaubst, dass ihn Gott von den Toten auferweckt hat, so wirst du gerettet. Denn wenn man von Herzen glaubt, so wird man gerecht; und wenn man mit dem Munde bekennt, so wird man gerettet. Denn die Schrift spricht (Jesaja 28,16): »Wer an ihn glaubt, wird nicht zuschanden werden.« Es ist hier kein Unterschied zwischen Juden und Griechen; es ist über alle derselbe Herr, reich für alle, die ihn anrufen. Denn »wer den Namen des Herrn anrufen wird, soll gerettet werden« (Joel 3,5).
Wie sollen sie aber den anrufen, an den sie nicht glauben? Wie sollen sie aber an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie aber hören ohne Prediger? Wie sollen sie aber predigen, wenn sie nicht gesandt werden? Wie denn geschrieben steht (Jesaja 52,7): »Wie lieblich sind die Füße der Freudenboten, die das Gute verkündigen!« Aber nicht alle sind dem Evangelium gehorsam. Denn Jesaja spricht (Jesaja 53,1): »Herr, wer glaubt unserm Predigen?« So kommt der Glaube aus der Predigt, das Predigen aber durch das Wort Christi. Ich frage aber: Haben sie es nicht gehört? Doch, es ist ja »in alle Lande ausgegangen ihr Schall und ihr Wort bis an die Enden der Welt« (Psalm 19,5).


„Ich glaub, mich tritt ein Pferd!“ Es war schon ein Glaubensbekenntnis der besonderen Art, das der damalige Bundesfinanzminister Hans Apel in einem Fernsehinterview vor gut dreißig Jahren ablegte. Was meinte Hans Apel, wenn er erklärte, er glaube, ihn trete ein Pferd? Er meinte wohl, dass er sich so fühlte, als habe ihn ein Pferd getreten; nein, natürlich ging er nicht ernsthaft davon aus, dass da tatsächlich irgendwo ein Vierbeiner in seiner Nähe gestanden und mit seinen Hufen einen bleibenden Eindruck an seinem Schienenbein hinterlassen habe. Wenn Hans Apel hier also das Wort „Glauben“ verwendete, dann bedeutete dies Wort so viel wie „etwas fühlen“, „sich etwas einbilden, was in Wirklichkeit gar nicht existiert“. In diesem Sinne wird das Wort „Glauben“ in unserem deutschen Sprachgebrauch häufig verwendet, und wenn Menschen, die vom christlichen Glauben keine Ahnung haben, hören, dass Christen vom Glauben reden, dann packen sie dieses Wort oft unwillkürlich genau in diese Schublade, können sich gar nicht vorstellen, dass mit dem Wort „Glauben“ noch etwas Anderes gemeint sein könne als bloß ein Gefühl oder eine Einbildung von etwas, was es in Wirklichkeit gar nicht gibt.
Ja, dieser Sprachgebrauch bleibt auch bei uns Christen nicht ganz ohne Wirkung. Wenn wir in der Epistel des heutigen Sonntags das Wort „Glauben“ hören, dann mögen wir auch so unsere ganz eigenen Vorstellungen damit verbinden, was der Apostel Paulus hier eigentlich sagt und meint. Und von daher möchte ich heute in dieser Predigt drei der verbreitetsten Missverständnisse des Wortes „Glauben“ aufklären. Nein, es soll jetzt im Weiteren nicht mehr darum gehen, dass Glauben nichts mit tretenden Pferden zu tun hat. Dass Glauben mehr ist als bloß eine Einbildung, das wusste und weiß auch Hans Apel genau; er ist ja selber Christ und hat sich einige Jahre nach diesem Glaubensbekenntnis der besonderen Art dann ja auch unserer Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche angeschlossen, in der eben nicht bloß der Glaube an tretende Pferde bekannt wird. Aber es gibt eben noch mehr Missverständnisse des Wortes „Glauben“, und von denen soll nun die Rede sein: Glauben ist

- kein Hobby
- keine Leistung
- keine Konserve

I.

Wir leben hier in Deutschland ja in einer sehr toleranten Gesellschaft. Und von daher hat in der Regel auch keiner was gegen den Glauben. Wenn jemand an etwas glaubt und sich dabei wohl fühlt, dann ist das doch gut für ihn, dann soll man ihn das auch glauben lassen. Hauptsache, er kommt nicht auf die Idee, auch anderen diesen Glauben nahebringen zu wollen!
Ja, „Glauben“ ist für viele Menschen heutzutage so etwas wie ein Oberbegriff für Religiosität. Irgendetwas oder irgendjemand muss es da oben ja doch vielleicht geben. Und je nach Geschmack und Bedürfnis beschäftigt man sich dann auch mal damit, wenn man Zeit hat, macht sich vielleicht auch so seine persönlichen Gedanken darüber, wer dieses Irgendetwas oder Irgendjemand denn sein könnte.
Doch all dies hat mit dem Glauben, von dem der Apostel Paulus hier spricht, nicht das Geringste zu tun. Wenn der vom Glauben spricht, dann meint er nicht bloß ein unverbindliches Hobby, einen Zeitvertreib, eine persönliche Vorstellung von einem höheren Wesen. Wenn Paulus vom Glauben spricht, dann geht es ihm nicht um eine Wohlfühlmaßnahme für gestresste oder verunsicherte Menschen. Sondern es geht ihm um nicht weniger als um unsere Rettung, um die Rettung eines jeden Menschen in Gottes letztem Gericht. Paulus geht also nicht davon aus, dass der Glaube eine menschliche Vermutung, eine menschliche Einbildung von einem höheren Wesen ist, über das man eigentlich nichts Genaues wissen kann. Sondern er geht davon aus, dass dieser Gott, um den es im Glauben geht, eine Realität ist, die letzte, entscheidende Realität für das Leben eines jeden Menschen. Nein, es geht nicht darum, ob ich ein religiöses Bedürfnis in mir verspüre, ob ich Trost in einer schweren Lebenslage benötige. Es geht darum, so macht es der Apostel Paulus deutlich, dass jeder Mensch von Gott einmal nach seinem Leben gefragt werden wird, dass sich bei jedem Menschen einmal entscheiden wird, ob er sein Leben verfehlt haben wird oder nicht.
Und dann wird es nicht darum gehen, ob der betreffende Mensch irgendwie gläubig oder irgendwie religiös gewesen ist. Ob ein Mensch glaubt, dass es Gott gibt, oder ob er das nicht glaubt, ist erst einmal ziemlich egal. Daran entscheidet sich nicht, ob ein Mensch am Ende vor Gott bestehen kann. Natürlich ist es ein fataler Irrtum, wenn ein Mensch glaubt, dass Gott gar nicht existiert. Aber mit der Anerkennung eines höheren Wesens ist für ihn noch gar nichts gewonnen. Es geht nicht darum, ob ich an Gott glaube, sondern an welchen Gott ich glaube, betont der Apostel hier. Es geht nicht um einen Feld-, Wald- und Wiesengottesglauben, sondern es geht um einen ganz bestimmten Gott, der einen Namen hat, nämlich Jesus; es geht um einen ganz bestimmten Gott, den man daran erkennen kann, dass er seinen Sohn von den Toten auferweckt hat. Ja, der Glaube, von dem Paulus hier spricht, der hat in der Tat einen ganz konkreten Inhalt, und dieser Inhalt besteht in zweierlei: Zum einen bekennt dieser Glaube: Jesus ist Herr. Das klingt für uns erst mal ziemlich langweilig, ist aber in Wirklichkeit eine atemberaubende Aussage. „Jesus ist Herr“, das heißt eben nicht bloß: Jesus ist keine Dame. Und es heißt auch nicht bloß: Jesus ist ganz schön stark, sodass man ihn als „Herrn“ bezeichnen kann. Sondern das griechische Wort „Herr“, das der Apostel Paulus hier verwendet, ist dasselbe Wort, das die griechische Übersetzung des Alten Testaments für den Namen Gottes im Alten Testament gebraucht. „Jesus ist Herr“ heißt also so viel wie: „Jesus ist der Gott des Alten Testaments“. Darum geht es also im Glauben, von dem Paulus hier spricht, dass Gott nicht eine unverbindliche Vorstellung ist, sondern dass er sich uns ganz verbindlich vorgestellt hat, dadurch, dass er Mensch geworden ist, dass er für uns Menschen sichtbar, erkennbar, fassbar geworden ist. Der Glaube, von dem Paulus hier spricht, bezieht ganz konkret Position zu Jesus von Nazareth, begnügt sich nicht damit, ihn für einen guten Menschen, für einen weisen Lehrer, für einen Propheten zu halten, sondern betet ihn an, wie Thomas es getan hat: „Mein Herr und mein Gott!“ Nein, Gott ist kein allgemeines höheres Wesen, sondern Gott kann man ganz konkret daran erkennen, dass er seinen Sohn Jesus Christus von den Toten auferweckt hat. Da hat Gott gezeigt, wer er wirklich ist und was er wirklich kann und will: Er will, dass wir Menschen leben, ewig leben in seiner Gemeinschaft; und dieses Leben kann und will er uns schenken, so hat er es in der Auferweckung seines Sohnes gezeigt. Wenn ich also an einen Gott glaube, den ich nur irgendwo im Wald finde und der nichts mit der Auferweckung Jesu zu tun hat, dann glaube ich an einen anderen Gott, einen Gott, den es in Wirklichkeit genauso wenig gibt wie das Pferd, das damals Hans Apel getreten hat. Wenn ich an einen Gott glaube, der den Leichnam Jesu im Grab hat vermodern lassen und der es nicht fertigbekommen hat, ihn am dritten Tag wieder aus dem Grab auferstehen zu lassen, dann glaube ich an einen anderen Gott als den, den Paulus verkündigt, dann glaube ich gerade nicht an den Gott, der mich einmal nach meinem Leben fragen wird und von dessen Urteil einmal abhängen wird, ob ich für immer mit ihm leben darf oder nicht. Nein, der Glaube ist unendlich mehr als bloß ein unverbindliches Hobby.

II.

„Glauben“ ist also die Antwort auf die Frage, wie ich in Gottes letztem Gericht einmal werde bestehen können, „Glauben an Jesus Christus, den Gott von den Toten auferweckt hat“. Doch nun kann man auch diese Antwort wieder fürchterlich missverstehen: Man kann sie so missverstehen, als sei der Glaube eine Art von Gegenleistung, die Gott von uns dafür erwartet, dass er doch so viel für uns getan hat: Gott hat Christus für uns am Kreuz sterben lassen und hat ihn auferweckt. Aber jetzt müssen wir dazu auch Ja sagen, müssen wir uns dafür auch entscheiden. Das klingt alles sehr fromm und ist doch ganz fürchterlich falsch.
Dass am Ende unseres Lebens zählt, was wir getan und geleistet haben, das ist ja gerade der ganz große Irrtum, dem so viele Menschen auch in unserem Land unterliegen: Ich bin doch immer ein ganz anständiger Mensch gewesen, eine gute Mutter, ein guter Familienvater, ein hilfsbereiter Nachbar, ein guter Freund, besser jedenfalls als viele andere. Da muss der liebe Gott mit mir doch eigentlich ganz zufrieden sein! Ja, dieses Leistungsdenken steckt ganz tief in uns drin. Und letztlich ist es nur eine fromme Variante dieses Leistungsdenkens, wenn wir den Glauben zu einer Bedingung, zu unserem menschlichen Beitrag erklären, den wir zu unserem Heil leisten müssen: Auch da geht es dann wieder darum, dass von uns etwas verlangt wird, was wir erbringen müssen, was wir vorzeigen müssen. Doch das können wir eben gerade nicht; wir können selber gar nicht glauben, so macht es Paulus hier im 10. Kapitel des Römerbriefs deutlich. Die Worte, die wir eben als Epistel gehört haben, die sind leider ein wenig aus dem Zusammenhang gerissen. Eigentlich geht es dem Apostel hier gar nicht um das Thema „Glauben“ im Allgemeinen und Besonderen. Sondern es geht ihm um die Frage, wie das eigentlich möglich ist, dass Gott doch Israel wunderbare Versprechen gemacht hat, es zu seinem auserwählten Volk gemacht hat und dass Israel dennoch Gottes größtes Geschenk, seinen Messias Jesus ablehnt. Und da spricht Paulus in den Versen, die unserer Predigtlesung direkt vorangehen, davon, dass Israel sich auf einen Holzweg begeben hat, dass es allen Ernstes glaubt, durch die Einhaltung der Gesetzesvorschriften des Alten Testaments vor Gott bestehen zu können. Und dagegen setzt Paulus nun den Glauben. Nein, der Glaube ist gerade nicht die Erfüllung einer der Vorschriften des Alten Testaments, sondern er ist genau das Gegenteil aller menschlichen Werke: Er ist nicht Tat des Menschen, sondern Tat Gottes. Gott legt dem Menschen sein Wort gleichsam in den Mund und befähigt ihn dadurch zum Glauben, zum Bekenntnis zu Christus. Wichtig ist also einzig und allein, dass Menschen mit diesem Wort in Verbindung kommen, dass Boten ausgeschickt werden, die dieses Wort verkündigen, dass dieses Wort Menschen zu Gehör kommt. Dann entsteht immer wieder von Neuem Glauben. Ja, damit lässt sich das Rätsel nicht lösen, wie es möglich ist, dass Menschen sich der frohen Botschaft verweigern und doch nichts davon wissen wollen. Aber das Rätsel lässt sich ganz sicher nicht so lösen, dass man die Ursache im Willen des Menschen sucht: Der eine Mensch will eben glauben, und der andere nicht. Und diejenigen, die einen guten Willen haben, die werden gerettet, und die sturen eben nicht. Nein, immer wieder neu ist es ein Wunder, von Gott gewirkt, wenn Menschen zum Glauben kommen, wenn Menschen entdecken, wie einfach es ist, selig zu werden, gerettet zu werden. Ich muss dafür gar nichts tun und leisten. Es reicht, Christus alles zu überlassen, ihm zu vertrauen, seinen Namen anzurufen. Und wenn du von deinem Glauben gar nichts mehr spüren solltest, wenn dich noch so viele Zweifel und Fragen umtreiben mögen: Rufe einfach den Namen deines Herrn Jesus an, rufe es einfach: Herr Jesus, hilf mir! – Und du wirst gerettet, du wirst selig werden! Und wenn du in deinem Leben irgendwann mal ganz von Christus abkommen solltest, ganz andere Wege gehen solltest – was Gott natürlich verhüten möge! Aber wenn das in deinem Leben geschehen sollte und du irgendwann einmal merkst, wie sehr du dich verlaufen hast: Du brauchst nichts zu tun, um doch noch gerettet zu werden. Rufe einfach nur den Namen deines Herrn Jesus Christus an, und du wirst selig werden, so verspricht es dir Gottes Wort. Ja, genau darum geht es auch in jedem Gottesdienst: Wir rufen hier gemeinsam den Namen Jesu an, singen gemeinsam unser Kyrie eleison, und dürfen eben dies wissen: Wer den Namen des Herrn anrufen wird, soll gerettet werden.

III.

Aber damit sind wir nun schon beim dritten Missverständnis des Glaubens: Der Glaube ist, so zeigt es uns der Apostel hier, keine Konserve.
Genau dies ist eben auch ein verbreitetes Missverständnis des Glaubens: Ich erfahre im Konfirmandenunterricht etwas von Christus und dem Glauben, finde das eine Zeitlang auch noch ganz schön, solange ich Jugendlicher bin, und dann packe ich diesen Glauben in den Keller meines Lebens wie eine Konservendose, die ich dann ja vielleicht irgendwann mal wieder rausholen kann, wenn Not am Mann oder der Frau ist und mir mal wieder danach zumute ist.
Doch so funktioniert der Glaube eben nicht. Den kann ich nicht einfach im Keller meines Lebens einlagern. Sondern dieser Glaube an Christus, den muss und will Christus selber immer und immer wieder neu bei mir hervorrufen, wecken und stärken. Und das tut er eben durch sein Wort, durch die Predigt, durch das Wort der Vergebung in der Beichte, durch sein leibhaftiges Wort im Heiligen Abendmahl. So wie ich eine Beziehung zu einem Menschen nicht einfach jahrzehntelang auf Eis legen kann und dann glauben kann, ich könnte einfach später wieder weitermachen, was ich vor Jahrzehnten abgebrochen habe, so ist es mit dem Glauben auch: Glauben ist Gemeinschaft mit Christus, eine Beziehung, die Christus immer wieder neu stiftet. Klinkt euch darum ja nicht aus der Gemeinschaft der Kirche, aus dem Gottesdienst aus! Der Glaube ist nicht bloß ein nettes Hobby; es geht darin um eure Rettung; der Glaube ist keine Leistung, die ihr selber in euch hervorrufen könntet; ihr könnt ihn euch nur schenken lassen. Und der Glaube ist keine Konserve; Gott will ihn euch immer wieder frisch zubereiten. Ja, das ruft euch Christus hier und jetzt zu in dieser Minute. Denn der Glaube kommt aus der Predigt, das Predigen aber durch das Wort Christi. Amen.