25.01.2009 | Apostelgeschichte 9, 1-19a (Tag der Bekehrung des Apostels Paulus)
TAG DER BEKEHRUNG DES APOSTELS PAULUS – 25. JANUAR 2009 – PREDIGT ÜBER APOSTELGESCHICHTE 9,1-19a
Saulus aber schnaubte noch mit Drohen und Morden gegen die Jünger des Herrn und ging zum Hohenpriester und bat ihn um Briefe nach Damaskus an die Synagogen, damit er Anhänger des neuen Weges, Männer und Frauen, wenn er sie dort fände, gefesselt nach Jerusalem führe. Als er aber auf dem Wege war und in die Nähe von Damaskus kam, umleuchtete ihn plötzlich ein Licht vom Himmel; und er fiel auf die Erde und hörte eine Stimme, die sprach zu ihm: Saul, Saul, was verfolgst du mich? Er aber sprach: Herr, wer bist du? Der sprach: Ich bin Jesus, den du verfolgst. Steh auf und geh in die Stadt; da wird man dir sagen, was du tun sollst. Die Männer aber, die seine Gefährten waren, standen sprachlos da; denn sie hörten zwar die Stimme, aber sahen niemanden. Saulus aber richtete sich auf von der Erde; und als er seine Augen aufschlug, sah er nichts. Sie nahmen ihn aber bei der Hand und führten ihn nach Damaskus; und er konnte drei Tage nicht sehen und aß nicht und trank nicht. Es war aber ein Jünger in Damaskus mit Namen Hananias; dem erschien der Herr und sprach: Hananias! Und er sprach: Hier bin ich, Herr. Der Herr sprach zu ihm: Steh auf und geh in die Straße, die die Gerade heißt, und frage in dem Haus des Judas nach einem Mann mit Namen Saulus von Tarsus. Denn siehe, er betet und hat in einer Erscheinung einen Mann gesehen mit Namen Hananias, der zu ihm hereinkam und die Hand auf ihn legte, damit er wieder sehend werde. Hananias aber antwortete: Herr, ich habe von vielen gehört über diesen Mann, wie viel Böses er deinen Heiligen in Jerusalem angetan hat; und hier hat er Vollmacht von den Hohenpriestern, alle gefangen zu nehmen, die deinen Namen anrufen. Doch der Herr sprach zu ihm: Geh nur hin; denn dieser ist mein auserwähltes Werkzeug, dass er meinen Namen trage vor Heiden und vor Könige und vor das Volk Israel. Ich will ihm zeigen, wie viel er leiden muss um meines Namens willen. Und Hananias ging hin und kam in das Haus und legte die Hände auf ihn und sprach: Lieber Bruder Saul, der Herr hat mich gesandt, Jesus, der dir auf dem Wege hierher erschienen ist, dass du wieder sehend und mit dem Heiligen Geist erfüllt werdest. Und sogleich fiel es von seinen Augen wie Schuppen und er wurde wieder sehend; und er stand auf, ließ sich taufen und nahm Speise zu sich und stärkte sich.
Neulich ist mir der Apostel Paulus begegnet. Mit einem Schwert bewaffnet blickte er mich vom Titelblatt der Dezemberausgabe der Zeitschrift „bild der wissenschaft“ an; über seinem Kopf prangte die Schlagzeile: „Jesus und Paulus. Der Märtyrer & sein Manager“. Das interessierte mich dann schon, was denn die heutige Wissenschaft über Paulus so alles angeblich herausgefunden haben soll, und so schaute ich mir den Artikel über Paulus in dem Heft etwas genauer an, der schon mit einer bezeichnenden Überschrift versehen war: „Paulus – Der Erfinder des Christentums“. Untertitel: „Ohne den selbst ernannten Apostel Paulus würde es das Christentum nicht geben.“ Didaktisch geschickt wird der Inhalt des Artikels in einem Kästchen gleich zu Beginn schon einmal kurz zusammengefasst. Ich zitiere: „Durch Paulus’ Missionierung wurde der Grundstein für eine neue Religion gelegt. Beabsichtigt war das nicht. Neu an Paulus’ Botschaft waren die Nächstenliebe und die Solidarisierung mit den Armen und Schwachen. Die ersten Gottesdienste glichen Vereinsversammlungen, bei denen es reichlich zu essen gab.“
Schwestern und Brüder, es ist gar nicht so einfach, so viel Schwachsinn auf so engem Raum zusammenzufassen, wie es der Zeitschrift auf dieser Seite gelungen ist. Paulus – ein jüdischer Rabbi mit einem übersteigerten Selbstbewusstsein, der die Nächstenliebe erfand und die Leute mit kostenlosen Mahlzeiten köderte, die man später „Abendmahl“ nannte, und dabei unfreiwillig eine neue Weltreligion gründete. Wenn das tatsächlich stimmen würde, dann wärt ihr heute Morgen besser im Bett geblieben, dann gäbe es, vielleicht einmal abgesehen von dem gemeinsamen Mittagessen nachher im Gemeinderaum, nichts, aber auch gar nichts, was euch hier in die Kirche locken könnte oder sollte. Der Artikel in „bild der wissenschaft“ hat allerdings einen kleinen Nachteil: Er hat herzlich wenig mit dem zu tun, was das Neue Testament selber von Paulus berichtet, und vor allem mit dem, was der Apostel Paulus selber in seinen Briefen schreibt.
Doch dieser Artikel in „bild der wissenschaft“ ist ja nun kein Einzelfall. Der Apostel Paulus hat insgesamt heutzutage innerhalb und außerhalb der Kirche nicht den besten Ruf: Frauenfeindlich war er angeblich und ein wenig psychopathisch ohnehin, ein leicht überdrehter Spinner, den man ein bisschen auf den Teppich herunterholen muss, um heute noch etwas mit ihm anfangen zu können. Und da kommen wir heute hier in unserer St. Marienkirche allen Ernstes auf die Idee, einen Festgottesdienst zu feiern, in dem wir in besonderer Weise an den Tag der Bekehrung dieses Apostels Paulus denken. Nein, das machen wir nicht, weil wir immer schon einen etwas exotischen Geschmack gehabt hätten, sondern wir feiern diesen Tag, weil wir ohne dieses Geschehnis, das wir heute begehen, vermutlich wohl in der Tat nicht hier in der Kirche sitzen würden und nach menschlichem Ermessen keine Christen wären. Es lohnt sich also, genauer hinzuschauen, was damals vor knapp 2000 Jahren geschehen ist und solche Auswirkungen bis zum heutigen Tag hat.
Gleich auf der ersten Seite des besagten Artikels über den Apostel Paulus findet sich ein Satz, der geradezu ein Schlüssel für alles Weitere ist, was in diesem Artikel behauptet wird. Der Autor schreibt: „Paulus begegnete seinem Superstar Jesus, den er so unvergleichlich promotete, nie.“ Ja, genau so muss ein angeblicher Wissenschaftler schreiben, für den es eigentlich nur eine Gewissheit gibt: Wenn ein Mensch gestorben ist, dann ist er tot und kann nicht wieder lebendig werden. Wir sollten den Verfasser dieses Artikels wegen dieses Satzes auch nicht allzu sehr kritisieren, denn der Apostel Paulus hatte ja auch einmal genauso gedacht wie er: Stinkesauer war Paulus darüber, dass da irgendwelche Jesusanhänger behaupteten, dass dieser Jesus von Nazareth, der doch völlig zu Recht als Gotteslästerer hingerichtet worden war, von Gott wieder auferweckt worden sei. Das konnte doch gar nicht sein, und so schnaubte er mit Drohen und Morden gegen die Jünger des Herrn, wie es St. Lukas in der Epistel des heutigen Festtags so schön formuliert. Und falls jemand meinen sollte, der Lukas habe sich das vielleicht nur ausgedacht, der möge sich einmal ein wenig in den Briefen des Apostels Paulus umschauen. Da schreibt der nämlich selber ohne jegliche Beschönigung, dass er die Gemeinde Gottes, die Gemeinde der Christen verfolgt hat. Nein, Paulus war nicht immer schon ein Anhänger seines Superstars Jesus gewesen und hatte sich in seiner Trauer über den Verlust seines großen Meisters schließlich in den Wahn hineingesteigert, dass sein großer Star wohl doch noch nach seinem Tod weiterlebt. Und Paulus befand sich damals auch nicht gerade in einer Midlife Crisis oder war von irgendwelchen Schuldgefühlen geplagt und war von daher froh, sich auf einen Religionstrip begeben zu können. Nein, ihm ging es gut, er wusste, wo es lang ging im Leben, er war ein vernünftiger Mensch, und von daher wusste er das eine ganz genau: Er kam auch ohne diesen Jesus in seinem Leben sehr gut aus; im Gegenteil: Er sah es geradezu als seine Lebensaufgabe an, diesen Jesusanhängern ihren Wahn auszutreiben, ihren gotteslästerlichen Wahn, dass Gott einem Menschen Recht geben könnte, der behauptet hatte, Gottes Sohn zu sein, dass Gott einen Menschen, der wegen dieser Gotteslästerung hingerichtet worden war, dadurch rechtfertigen könnte, dass er ihm ein neues Leben schenkte. Ja, nichts wäre Paulus lieber gewesen, als dass der Verfasser dieses Artikels aus „bild der wissenschaft“ mit seiner Behauptung Recht behalten hätte: Paulus begegnete Jesus nie.
Doch dann passierte etwas, womit weder Paulus damals noch die Redakteure dieser Wissenschaftszeitung heute gerechnet hatten und rechnen: Der angeblich tote Jesus begegnet Paulus eben doch und stellt damit dessen ganzes Leben auf den Kopf oder besser gesagt vom Kopf auf die Füße. Innerhalb weniger Sekunden wird Paulus klar: Das war der größte Irrtum seines Lebens, zu glauben, dass er diesem Jesus niemals begegnen könnte und begegnen würde. Und diese Einsicht veränderte zugleich sein ganzes Leben völlig: Es ging ja nicht bloß darum, dass Paulus nach seiner Begegnung mit dem auferstandenen Christus seinen Job als Christenverfolger an den Nagel hängen konnte, und erst recht war diese Begegnung für Paulus nicht bloß eine ganz nette, interessante Horizonterweiterung. Sondern als Paulus sich wieder aus dem Staub vor den Stadttoren von Damaskus erhob, konnte er zwar noch nichts sehen, aber das eine war ihm klar: Er hatte hier eben die wichtigste Nachricht der Weltgeschichte mitbekommen: Der gekreuzigte Jesus lebt tatsächlich, und das heißt: Gott hatte diesem Jesus tatsächlich Recht gegeben: Er war und ist in der Tat der Sohn Gottes, Gott selber in Person. Um an Gott heranzukommen, gibt es künftig tatsächlich nur einen einzigen Weg: sich an ihn, Jesus, zu halten, an ihn zu glauben. Der gekreuzigte Jesus lebt, das heißt, so erkannte Paulus von einem Augenblick auf den anderen: Jetzt hat die Auferstehung der Toten am Ende der Weltzeit begonnen; der erste hat den Tod schon hinter sich gelassen, und alle, die sich an diesem Ersten festhalten, mit ihm verbunden sind, die werden auch den Tod für immer hinter sich lassen und ewig leben. Und noch etwas wurde Paulus schlagartig klar: Wenn Gott diesen Jesus auferweckt hatte, der doch rechtmäßig nach dem jüdischen Gesetz als Gotteslästerer hingerichtet worden war, dann hatte Gott diesem Gesetz selber widersprochen, ihm die Bedeutung genommen, künftig noch das Verhältnis zwischen Gott und den Menschen regulieren zu können. Ja, dann war künftig die Einhaltung dieses Gesetzes keine Vorbedingung mehr, um zu Gott, zu seinem Volk zu gehören, dann waren nun alle Menschen in die Gemeinschaft mit Gott eingeladen, in diese Gemeinschaft, die einzig und allein durch die Zugehörigkeit zu diesem Christus vermittelt wurde. Und wie man an diesen Christus herankam, wie man mit ihm verbunden wurde, das erfuhr Paulus schon wenige Tage später in Damaskus, als der Hananias ihn zur Taufe führte: Ja, da in der Taufe, da wurde er, Paulus, in die Lebensgemeinschaft mit Christus aufgenommen, und genau das sollten, so wurde es Paulus klar, nun Menschen überall auf der Welt erfahren.
Und so zog der Paulus los, verkündigte überall, was der auferstandene Christus selber ihn dort vor Damaskus hatte erkennen lassen, lud Menschen zur Taufe ein, kämpfte darum, dass die Kirche, die unter dieser Verkündigung entstand, eine Kirche aus Juden und Heiden war, eine Kirche, in der Menschen, die aus dem Gottesvolk Israel stammten, genauso ihren Platz hatten wie Menschen, die diesem Gottesvolk zuvor fernstanden. Hätte Paulus sich nicht durchgesetzt, so würden wir, menschlich gesprochen, heute Morgen hier nicht sitzen, weil die Christusbotschaft uns dann gar nicht verkündigt würde, uns, die wir zum größten Teil eben nicht aus dem Volk Israel stammen. Aber wir würden Paulus zu viel Ehre antun, wenn wir uns bei ihm dafür bedanken würden, dass wir als germanische oder slawische oder chinesische oder persische oder afrikanische Christen heute hier in der Kirche zusammensitzen. Es war und ist der auferstandene Christus selber, der sich damals den Paulus als sein auserwähltes Werkzeug geschnappt hat, der ihn gebraucht hat, um die Botschaft von seiner Auferstehung unter die Leute zu bringen, und der bis heute in seiner Kirche am Werk ist, seine Kirche baut und Menschen in ihr zum Glauben an ihn, den auferstandenen Herrn, führt. Der Paulus selber hätte das damals ohnehin gar nicht fertigbekommen, auch nur bei einem Menschen den Glauben an Christus zu wirken. Der war schon von seiner äußeren Erscheinung her nicht gerade der große Reißer: kränklich war er, ein grottenschlechter Prediger dazu, wie er selber zugibt. Aber er war eben nicht als Religionsstifter unterwegs, sondern als Bote seines Herrn, und dieser Herr, der hatte und hat allemal die Kraft, auch durch solch einen merkwürdigen Typen wie den Paulus, auch durch solch merkwürdige Typen wie die Pastoren heute Glauben zu wirken, Menschen selig werden zu lassen.
Nein, Paulus sah sich in der Tat nicht als ein Religionsstifter. Ihm ging es um etwas ganz Anderes: Menschen mit Christus in Verbindung zu bringen, damit sie durch diesen Christus in Gottes letztem Gericht gerettet werden. Darum gönnte er sich keine Ruhe und zog von Stadt zu Stadt, von Land zu Land, eben weil er wusste: Christus hat mir die schönste und wichtigste Botschaft der Welt anvertraut. Nein, das war nicht die Botschaft von der Nächstenliebe. Das Gebot der Nächstenliebe ist sicher ein wunderbares und wichtiges Gebot, und wer einmal in einem Land gelebt hat, das nicht vom christlichen Denken geprägt ist und dieses Gebot der Nächstenliebe nicht kennt, dem wird das noch einmal ganz neu aufgehen, was für eine entscheidende Bedeutung dieses Gebot für unser Zusammenleben tatsächlich hat. Aber dieses Gebot der Nächstenliebe steht bekanntlich schon im Alten Testament, das musste der Paulus nicht erst neu erfinden. Und um den Leuten dieses Gebot nahezubringen, wäre Paulus auch sicher nicht rastlos durch das ganze Mittelmeergebiet gezogen. Nein, seine Botschaft war eine andere: Christus lebt, und wer an ihn glaubt, der wird gerettet. Und genau darum ging es auch in den Gottesdiensten der Gemeinden, in denen Paulus tätig war. Das waren eben gerade keine Mitmenschlichkeits-Partys und erst recht keine Gelage. Sondern in diesen Gottesdiensten feierten die Christen immer wieder neu die Ankunft des auferstandenen Herrn in ihrer Mitte, erlebten selber mit, was der Apostel Paulus damals vor den Stadttoren von Damaskus sichtbar erfahren hatte, ja mehr noch: Sie wurden in diesen Gottesdiensten mit diesem Christus dadurch verbunden, dass sie ihn leibhaftig mit seinem Leib und Blut empfingen und er in ihnen lebte. Und das hatte dann in der Tat Folgen: Das wirkte sich aus in den Gemeinden, wenn die, die zu ihnen gehörten, durch die Teilhabe an Christus so eng miteinander verbunden wurden, das wirkte sich aus in Gestalt der Nächstenliebe, in Gestalt der Zuwendung zu den Armen und Schwachen. Aber all das wäre völlig hohl geblieben ohne Christus, das wäre völlig hohl geblieben, wenn Paulus damals vor Damaskus gar nicht dem auferstandenen Christus begegnet wäre.
Schwestern und Brüder, ich habe nun die ganze Zeit vom Apostel Paulus gesprochen. Aber ich hoffe, ihr habt gemerkt: Das hat alles unmittelbar mit euch, mit eurem Christsein, mit eurem Glauben zu tun. Was Paulus damals vor Damaskus erlebt hat, das ist die Grundlage auch unseres Glaubens: „Ist Christus nicht auferstanden, so ist euer Glaube nichtig“, so schreibt Paulus den Korinthern und fährt fort: „Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus, so sind wir die elendesten unter allen Menschen.“ Alles, wirklich alles hängt in unserem Glauben daran, dass er, Christus, wirklich lebt, dass er den Tod wirklich besiegt hat, dass er uns in der Taufe wirklich Anteil an seinem Auferstehungsleben gegeben hat, dass wir ihn wirklich leibhaftig hier im Heiligen Mahl mit unserem Mund empfangen. Doch genau dafür steht Paulus als Zeuge wider Willen ein, dass es wahr ist, dass Christus lebt und darum auch jetzt und hier in unserer Mitte ist. Dafür steht Paulus ein, dass diese Verbindung mit Christus reicht, um von Gott am Ende angenommen zu werden, dass du Gott keine eigenen Leistungen präsentieren musst, ihm nicht zeigen musst, was für ein toller Hecht du bist oder gar wie viel besser du bist als andere Leute. Das interessiert Gott alles gar nicht. Hauptsache, du lebst in Christus, und Christus lebt in dir. Hauptsache, du hörst sein Wort, das dir den Glauben schenkt, Hauptsache, du bleibst ein Glied am Leib Christi, indem du seinen Leib und sein Blut empfängst. Ja, für all das steht der Apostel Paulus ein, er, der sich nicht selber zum Apostel ernannt hat, sondern von Christus losgeschickt worden ist, damit auch du selig wirst. Amen.