01.02.2009 | St. Matthäus 17, 1-9 (Fest der Verklärung Christi)
FEST DER VERKLÄRUNG CHRISTI – 1. FEBRUAR 2009 – PREDIGT ÜBER ST. MATTHÄUS 17,1-9
Und nach sechs Tagen nahm Jesus mit sich Petrus und Jakobus und Johannes, dessen Bruder, und führte sie allein auf einen hohen Berg. Und er wurde verklärt vor ihnen, und sein Angesicht leuchtete wie die Sonne, und seine Kleider wurden weiß wie das Licht. Und siehe, da erschienen ihnen Mose und Elia; die redeten mit ihm. Petrus aber fing an und sprach zu Jesus: Herr, hier ist gut sein! Willst du, so will ich hier drei Hütten bauen, dir eine, Mose eine und Elia eine. Als er noch so redete, siehe, da überschattete sie eine lichte Wolke. Und siehe, eine Stimme aus der Wolke sprach: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe; den sollt ihr hören! Als das die Jünger hörten, fielen sie auf ihr Angesicht und erschraken sehr. Jesus aber trat zu ihnen, rührte sie an und sprach: Steht auf und fürchtet euch nicht! Als sie aber ihre Augen aufhoben, sahen sie niemand als Jesus allein. Und als sie vom Berge hinabgingen, gebot ihnen Jesus und sprach: Ihr sollt von dieser Erscheinung niemandem sagen, bis der Menschensohn von den Toten auferstanden ist.
„Ich würde ja eigentlich auch gerne glauben – aber: Wie macht man das denn: zu glauben? Muss man sich da irgendwie besonders konzentrieren, muss man da irgendwelche besonderen Gefühle haben? Gibt es da irgendwelche Methoden oder irgendwelche Schritte, die man gehen kann oder muss, um zum Glauben zu kommen? Ja, wie habt ihr das eigentlich angestellt, dass ihr glaubt? Und was fühlt ihr eigentlich dabei? Wie ist das so – zu glauben?“
Schwestern und Brüder, vielleicht sind euch solche oder solch ähnliche Fragen auch schon einmal gestellt worden. Ganz unwahrscheinlich ist das nicht, denn wir leben ja umgeben von Menschen, die zum christlichen Glauben noch nie irgendeinen Bezug hatten, für die das eine völlig fremde Welt ist, zu der ihnen jeglicher Zugang fehlt. Und da kann man sich schon freuen, wenn Menschen überhaupt solche Fragen stellen, solches Interesse zeigen, überhaupt über solch ein Thema mit uns ins Gespräch kommen. Und wir? Was antworten wir ihnen auf diese Fragen, wie ich sie eben skizziert habe?
Das Heilige Evangelium des heutigen Festtags kann uns bei der Beantwortung dieser Fragen eine wichtige Hilfe, ein wichtiger Orientierungspunkt sein, auch wenn die Erfahrungen der Jünger, die hier bei St. Matthäus geschildert werden, natürlich einmalig sind und bleiben und wir alle miteinander nicht einmal annähernd in unserem Leben Ähnliches erfahren haben wie damals Petrus, Jakobus und Johannes auf jenem hohen Berg. Doch St. Matthäus erzählt uns diese Geschichte ja nicht bloß, um uns über ein einmaliges sensationelles Ereignis zu informieren, das damals während des irdischen Wirkens Jesu sich ereignet hat. Sondern er will mit dieser Geschichte auch uns dazu anleiten, unsere eigenen Glaubenserfahrungen wahrzunehmen und zu bedenken, dass wir dann auch anderen davon Rechenschaft ablegen können. Nein, dass wir uns nicht missverstehen: Hier im Heiligen Evangelium geht es um unendlich mehr als bloß um unsere Gefühle und Erfahrungen, um unser Glaubenserleben. Im Zentrum all dessen, was uns hier geschildert wird, steht natürlich einzig und allein Christus, der Herr der Herrlichkeit. Aber er lässt die drei Jünger auf dem Berg eben diese seine Herrlichkeit erfahren, genau wie er, Christus, auch der Urheber unseres Glaubens, unserer Glaubenserfahrungen ist. Drei wichtige Hinweise gibt uns St. Matthäus hier in unserer Geschichte zu Christus, dem Grund und Urheber unseres Glaubens und unserer Erfahrungen:
Er, Christus,
- führt hinauf
- soll gehört werden
- geht mit uns hinab
I.
„Wie macht man das, dass man glaubt?“ St. Matthäus macht uns dies eine hier zu Beginn unseres heutigen Evangeliums ganz deutlich: Wir machen das mit dem Glauben gar nicht. Da schildert der Evangelist, wie Jesus hier allein die Initiative ergreift: Er nimmt sich den Petrus und den Jakobus und den Johannes „und führte sie auf einen hohen Berg“, so übersetzt Martin Luther. Man könnte vom Griechischen her auch übersetzen: „Er entrückte sie auf einen hohen Berg“. Eines lässt das Wort, das St. Matthäus hier gebraucht, jedenfalls ganz klar erkennen: Jesus allein sorgt dafür, dass die drei Jünger da mit ihm auf dem hohen Berg ankommen; das liegt nicht an der Anstrengung der Jünger, nicht an ihrem Bemühen, sondern allein an ihm, Christus, selber. Und erst recht ist die Erfahrung, die die drei dann dort oben machen, nicht menschenmachbar. Nein, die drei Jünger haben sich da nicht irgendwie selber in Ekstase versetzt; sondern sie werden Zeugen eines Geschehens, das ihnen völlig überraschend widerfährt, ohne dass sie damit irgendwie hätten rechnen können, ohne dass sie sich irgendwie darauf hätten vorbereiten können: Christus, der Herr, gibt sich ihnen zu erkennen in seiner göttlichen Herrlichkeit, leuchtend wie die Sonne. Und er ist nicht allein: Mose und Elia, die Repräsentanten des Alten Bundes, des Gesetzes und der Propheten, erscheinen ihnen, reden mit dem verklärten Christus, geben damit auf ihre Weise zu erkennen, dass sich in ihm, Christus, nun erfüllt, was sie zuvor verkündigt hatten. Was für eine unbeschreibliche Erfahrung, was für ein unbeschreibliches Glück, das die drei Jünger dort auf dem Berg erlebten! Wie durch einen Türspalt durften sie schon einmal einen Blick werfen in eine Realität, die ihnen sonst noch verborgen blieb, durften etwas davon wahrnehmen, wer dieser so unscheinbare Rabbi, mit dem sie dort in Galiläa durch die Gegend zogen, in Wirklichkeit war.
Ach, was würden wir dafür geben, auch solch eine Erfahrung machen zu dürfen, ihn, Christus, in seiner ganzen Herrlichkeit schauen zu dürfen, so, dass alle unsere Fragen, unsere Zweifel, die uns in unserem Glauben doch immer begleiten, einfach weggewischt werden, dass uns mit einmal Mal alles endgültig klar und einleuchtend ist! Der Petrus wusste darum, was für ein besonderes Privileg ihm da gerade zuteil wurde, diese einmalige Schau des verklärten Christus miterleben zu dürfen. Und so möchte er diese Erfahrung gerne verlängern, ist gerne dazu bereit, für Christus, Mose und Elia Unterkünfte zu organisieren, damit die nicht wieder schnell vor seinen Augen verschwinden. Doch Petrus ist mit der Unterbreitung seines Vorschlags noch nicht einmal fertig, da unterbricht ihn Gott selber, bereitet seiner Schau des verklärten Christus ein rasches Ende.
Schwestern und Brüder: Ich habe den verklärten Christus bisher in meinem Leben noch nicht so gesehen, wie ihn Petrus, Jakobus und Johannes damals gesehen haben. Selbst die anderen Apostel haben ihn jedenfalls vor Ostern nicht mehr so gesehen. Es gibt offenbar Erfahrungen, die Christus nur Einzelnen zuteil werden lässt, nicht allen; aber an diesen Erfahrungen hängt offenbar auch nicht unser Christsein, nicht unser Heil. Ja, es gibt Menschen, die auch heute noch in ihrem Glauben ganz außergewöhnliche Erfahrungen machen, Erfahrungen, die ich selber so nicht gemacht habe. Ich kenne Menschen, die mir davon berichtet haben, dass sie den erhöhten Christus selber gesehen haben, denen solch eine ungewöhnliche Erfahrung zuteil geworden ist, nein, keine Spinner sind das, sondern ganz nüchterne Menschen, die mit diesen Erfahrungen auch niemals hausieren gehen würden. Aber deshalb sind sie nicht unbedingt bessere Christen als andere, haben sie vielleicht deshalb auch nicht unbedingt einen stärkeren Glauben als andere, auch wenn solch eine Erfahrung natürlich den eigenen Glauben zu prägen und zu stärken vermag. Nein, ich habe keinen Grund, diesen Menschen ihre Erfahrung auszureden oder sie gar mitleidig anzuschauen. Aber ich brauche ihnen gegenüber auch keine Minderwertigkeitskomplexe zu empfinden. Und da gibt es vermutlich sehr viel mehr unter uns, die in ihrem Leben schon einmal so etwas Ähnliches empfunden haben wie der Petrus dort oben auf dem Berg: „Herr, hier ist gut sein!“ Da war der Gottesdienst einfach so schön, so wunderbar, dass man sich wünschte, er würde nie zu Ende gehen, dass man sich wünschte, jetzt, in diesem Augenblick möge der Herr doch bitte wiederkommen und uns gleich für immer in seiner himmlischen Herrlichkeit weiterfeiern lassen. Oder da wurden uns die Augen für die Herrlichkeit des Sakraments geöffnet, dass wir es geradezu leibhaftig erfuhren, an der Pforte des Himmels knien und schon teilhaben zu dürfen am Festmahl im Reich Gottes, dass wir etwas davon zu ahnen begannen, was das eigentlich bedeutet, dass dieser erhöhte Christus, den Petrus, Jakobus und Johannes damals schauen durften, in uns, in unserem Körper Wohnung nahm. Ja, Gipfelerfahrungen des Glaubens waren und sind das, die vielleicht so manchem von uns in seinem Leben einmal oder vielleicht auch mehrere Male geschenkt worden sind.
Aber auch an solchen Erfahrungen hängt unser Glaube nicht, erst recht nicht daran, dass wir uns als Christen immer nur glücklich und selber halb verklärt vorkommen. Ich kann auch ohne solche Erfahrungen, auch ohne große Glücksgefühle Christ sein, und wenn ich solche besonderen Erfahrungen mache, dann bin nie ich selber es gewesen, der es irgendwie geschafft hätte, solche Erfahrungen in sich hervorzurufen, sondern dann war es immer Christus allein, der uns auf diesen Berg befördert hat, ohne unser Zutun, ohne unsere Mitwirkung. Ja, es mag sein, dass wir auch gegenüber anderen Menschen von solchen besonderen Erfahrungen in unserem Glauben sprechen können. Aber wenn wir es tun, dann bitte immer so, dass dies eine klar bleibt: Diese Erfahrungen machen nicht unser Christsein aus, diese Erfahrungen können von Christ zu Christ unterschiedlich sein, und sie bleiben vor allem immer Geschenk und Gnade Christi allein, von uns nicht hervorzurufen und zu manipulieren. Nein, es gibt keine Methode, auf dem Berg der Verklärung zu landen.
II.
Als der Petrus noch dabei ist, sich seine wunderbaren Erfahrungen vorzustellen, die er dort oben auf dem Berg künftig mit dem verklärten Christus machen wird, redet ihm Gott selber einfach dazwischen: Nein, ihn, Gott den Vater, bekommt Petrus auch dort auf dem Berg der Verklärung nicht zu sehen; nur hören kann er seine Stimme – und diese Stimme fordert nun auch ihn und die beiden anderen Jünger zum Hören auf, nicht zum Sehen: „Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe; den sollt ihr hören!“
Nein, sehen können wir ihn, den erhöhten und verklärten Christus, zu Lebzeiten hier auf Erden in aller Regel nicht. Aber hören können wir ihn, ja hören sollen wir ihn, wenn er zu uns spricht durch das Wort seiner Boten, durch das Wort der Apostel und das Wort derer, die Christus in seinen Dienst gerufen hat. Ja, das Hören ist die Art und Weise, in der Christus den Glauben bei uns hervorrufen, ihn stärken und erhalten will. Wenn wir also einen Menschen zum Glauben an Christus führen wollen, dann sollen wir erstens natürlich wissen, dass wir selber diesen Glauben nicht zu wirken vermögen; wir sollen dann aber zweitens ihn hören lassen, was Christus sagt, ja, was das Wort der Apostel und Propheten von Christus bezeugt.
„Den sollt ihr hören“ – Ja, ich weiß, diese Worte aus der Wolke klingen heute reichlich überholt und altmodisch: Wir leben heute in einer Gesellschaft, in der nicht mehr so sehr das Hören angesagt ist, sondern das Sehen. Das geht ja schon bei unseren Vorkonfirmanden los, dass sie sehr viel stärker mit den Augen als mit den Ohren Informationen aufnehmen, dass es für sie ganz schwierig ist, einfach einmal zuzuhören. Und auch für uns Erwachsene wird das Hören immer schwieriger, tun wir uns auch mit dem Hören einer Predigt immer schwerer, weil auch wir längst durch die Welt, die uns umgibt, aufs Sehen geeicht sind. Doch beim Glauben lässt sich das Hören eben nicht einfach durchs Sehen ersetzen, auch wenn wir in vielfältiger Weise versuchen mögen, das Hören durch sichtbare Hilfen zu erleichtern. Doch das, nein: der Entscheidende, nämlich Christus selber, gibt sich uns hier und jetzt in unserem Leben eben nur im Wort zu erkennen, nicht durch eine Erscheinung. Nein, wir kommen auf unserem Weg zu Christus am Hören nicht vorbei.
Doch Christus weiß natürlich um unsere Hörschwäche, er weiß, wie sehr wir darauf angewiesen sind, ihn auch mit anderen Sinnen zu erfahren. Damals auf dem Berg der Verklärung hat er die Jünger angerührt, hat sie auch leibhaftig seine Gegenwart erfahren lassen, hat sie so wieder aufgerichtet. Und nichts Anderes macht Christus auch hier in unserer Mitte, rührt auch uns an, lässt uns mit unserem Mund seine Gegenwart erfahren, wenn er mit seinem Leib und Blut zu uns kommt, um auch uns in unserem Glauben zu stärken und aufzurichten. Und doch geht es auch hier ohne das Hören nicht ab: Sehen können wir eben doch nur die Hostie und den Wein; allein das Wort öffnet uns die Augen dafür, wem wir da so verborgen begegnen: Demselben Herrn, dessen Herrlichkeit die Jünger damals auf dem Berg schauen durften.
III.
Und dann ist diese unfassliche Erfahrung für die Jünger auch schon wieder vorbei. Es bleibt ihnen hier noch verwehrt, auf Dauer dort oben zu bleiben, auf Dauer Christus in seiner ganzen Herrlichkeit zu schauen. Runter vom Berg müssen sie wieder, und während St. Matthäus nicht schildert, wie Christus die drei auf den Berg befördert hat, bringt er sehr eindeutig zum Ausdruck, wie sie wieder vom Berg herunterkommen: Gehen müssen sie, den mühsamen Abstieg in die Ebene bewältigen, den Weg zurück in den Alltag, den Weg, der sie schließlich selber ins Leiden, in den Tod, in die tiefste Erniedrigung führt. Aber sie gehen diesen Weg hinunter eben nicht allein. Christus, dessen Herrlichkeit sie gerade schauen durften, geht mit ihnen mit. Er bleibt auch selber nicht dort oben und sonnt sich in seinem Lichtglanz, sondern er geht mit ihnen hinunter, ja, mehr noch: Er geht ihnen voran auf dem Weg ins Leiden, in den Tod, bis ans Kreuz.
Nein, an Christus zu glauben heißt eben gerade nicht, von einer Gipfelerfahrung zur nächsten zu hüpfen, von einem Glücksgefühl zum nächsten, von einem geistlichen Höhepunkt zum anderen. Sondern an Christus zu glauben heißt, bei ihm, Christus, zu bleiben, ihm nachzufolgen, ihm, dessen Weg ihn erst nach unten und erst von dort ganz nach oben geführt hat. Geben wir darum ja nicht der Versuchung nach, anderen Menschen, die sich für den christlichen Glauben interessieren, etwas vorzumachen, als ob ein Christ immer nur glücklich, immer nur fröhlich und vergnügt sei. Nein, als Christen gehen wir mitunter auch durch ganz tiefe, dunkle Täler, durch Krankheiten, Anfechtungen, Enttäuschungen, Sorgen, und wir gehen auf Wegen, die überhaupt nichts Aufregendes an sich haben, die so ganz normal, wenn nicht gar langweilig sind. Aber wir gehen all diese Wege eben niemals allein. Christus kommt mit, auch bei allen Abstiegen unseres Lebens, auch, wenn wir nach einem wunderbaren Gottesdienst wieder in unseren Alltag mit all seinen Problemen zurückkehren.
Ja, Christus kommt mit, und er lässt uns dabei auf unserem Weg nicht unverändert: Er legt in unser Herz eine tiefe Sehnsucht, eine Sehnsucht danach, dort einmal anzukommen, wo wir dasselbe, ja noch Größeres werden schauen dürfen als das, was damals Petrus, Jakobus und Johannes geschaut haben, dort einmal anzukommen, wo wir Christus selber in seinem Lichtglanz werden sehen dürfen, nein, nicht bloß für ein paar Minuten oder Stunden, sondern ohne Ende. Ja, selbst die schönsten Glaubenserfahrungen, selbst die schönsten Gottesdienste sind nur ein winziger Vorgeschmack dessen, was uns da schließlich am Ziel unseres Weges erwartet. Hören wir eben darum immer wieder auf ihn, Christus, damit wir ja nicht die Ausrichtung auf dieses Ziel in unserem Leben verlieren, bleiben wir an ihm dran, auch und gerade, wenn der Weg in unserem Leben so schwer zu werden droht, so tief noch unten führt. Auch Christus ist nicht am Tod vorbei in seine Herrlichkeit eingegangen. Anders wird es uns auch nicht gehen. Aber mit ihm, Christus, werden wir dann schließlich auch selber am Ziel ankommen, dort, wo wir es nur noch vor Freuden ausrufen werden: „Herr, hier ist gut sein!“ Dahin will Christus uns bringen – und die, die uns nach dem Glauben fragen, auch. Amen.