31.05.2009 | St. Johannes 14, 23-27 (Heiliges Pfingstfest)
HEILIGES PFINGSTFEST – 31. MAI 2009 – PREDIGT ÜBER ST. JOHANNES 14,23-27
Jesus antwortete und sprach zu ihm: Wer mich liebt, der wird mein Wort halten; und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen. Wer aber mich nicht liebt, der hält meine Worte nicht. Und das Wort, das ihr hört, ist nicht mein Wort, sondern das des Vaters, der mich gesandt hat. Das habe ich zu euch geredet, solange ich bei euch gewesen bin. Aber der Tröster, der Heilige Geist, den mein Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.
Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht.
Zu den wichtigsten Aufgaben meines Dienstes als Pastor gehört es, Gemeindeglieder zu besuchen, sie dort aufzusuchen, wo sie wohnen, die Verbindung mit ihnen zu halten, ganz besonders dann, wenn sie sich nicht von allein hier in der Kirche blicken lassen. Von Zeit zu Zeit passiert es mir, dass ich solch einen Besuch mache und dann feststellen muss: Die betreffende Person wohnt da gar nicht mehr, wo ich sie antreffen wollte. Und dann geht für mich die Suche los. Ansprechpartner brauche ich dann, die mir sagen, wohin diese Person wohl umgezogen ist. Die Deutsche Post hilft mir dann bei der Suche mithilfe ihrer Anschriftenbenachrichtigungskarten; die Meldestelle hilft mir, wenn ich einen entsprechenden Antrag an sie richte, und wenn das alles nicht weiterhilft, muss ich zusehen, ob es da irgendjemanden sonst noch geben könnte, der mit der entsprechenden Person Kontakt haben könnte, wissen könnte, wo die sich jetzt aufhält. Denn keinesfalls möchte ich ja mit dieser Person die Verbindung ganz verlieren, möchte sie am Ende doch nicht als unauffindbar aus der Gemeindegliederliste streichen.
In solch einer ähnlichen Lage befanden sich damals am Ostersonntag auch einige Frauen und später auch die Jünger Jesu. Da wollten sie Jesus auch noch einmal einen Besuch abstatten, so hatten es sich die Frauen vorgenommen. Sie wussten, sehr gesprächig würde ihr Gegenüber sicher nicht sein; schließlich war er zwei Tage zuvor schon gestorben. Aber sie wollten ihn doch wenigstens noch einmal unter der ihnen bekannten Adresse aufsuchen: Höhlengrab Nr.5 an der Golgathaallee. Doch als sie dort ankommen, müssen sie eine ernüchternde Feststellung machen: An dem von ihnen vermuteten Wohnsitz befindet sich mittlerweile eine andere Person; ein Engel sitzt da und erklärt ihnen: Der, den ihr sucht, der ist nicht hier. Nein, eine neue Adresse gibt der Engel den Frauen nicht; er zeigt sich aber ganz zuversichtlich, dass die Jünger ihn künftig doch noch an anderem Ort antreffen werden.
Und genau auf diese Herausforderung, Schwestern und Brüder, hatte Christus seine Jünger schon vor seiner Kreuzigung vorbereitet, so hören wir es im Heiligen Evangelium dieses Pfingstfestes. Jesus hat seine Adresse gewechselt – wie kommen wir jetzt an ihn heran? Eine Kontaktperson ist vonnöten, eine, die die Verbindung wieder herstellen kann, die zeigt, wo er zu finden ist. Und die Sendung genau solch einer Kontaktperson verspricht Jesus seinen Jüngern in den Worten, die wir eben gehört haben. Den Tröster, so nennt Jesus diese Kontaktperson, ihn, den Heiligen Geist, den Tröster, weil er uns eben nach dem Umzug Jesu nicht hilflos und trostlos zurücklässt, sondern dafür sorgt, dass wir an ihm, Jesus, auch weiter dranbleiben. Denn das ist nicht bloß schön und nett, wenn wir weiter die Verbindung zu Jesus halten; das wäre im Gegenteil die Katastrophe unseres Lebens schlechthin, wenn unsere Verbindung zu Jesus abreißen würde, wenn wir ihn am Ende aus unserem Leben streichen würden. Nein, nicht Jesus ist darauf angewiesen, dass wir die Verbindung zu ihm halten, dass wir uns um ihn kümmern. Wir brauchen ihn dringend, denn nur durch ihn, Christus, kommen wir wiederum an Gott heran, nur durch ihn, Christus, finden wir damit zur letzten Bestimmung und Erfüllung unseres Lebens, die in Gott allein beschlossen liegt. Und von daher können wir von Herzen froh sein, dass wir heute Pfingsten feiern dürfen, dass Jesus uns diese Verbindungsperson geschickt hat. Denn durch ihn, den Heiligen Geist,
- finden wir zu Christus
- haben wir mit ihm Gemeinschaft
- haben wir Frieden
I.
Worin besteht die Aufgabe des Heiligen Geistes? Christus selber formuliert es hier so: Er wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe. Damit haben wir schon einmal eine ganz wichtige Spur, die uns zu ihm, Christus, führt. Wenn wir an ihn, Christus, herankommen wollen, dann sind wir nicht bloß auf irgendwelche Gerüchte angewiesen, auf Buschfunkmeldungen, wie es vielleicht damals gewesen sein könnte. Solche Gerüchte und Buschfunkmeldungen werden ja beispielsweise regelmäßig zu Weihnachten und zu Ostern in diversen Zeitschriften und Magazinen verbreitet; ja, dort wird dann immer wieder der Anspruch erhoben, jetzt habe man endlich den Zugang zum wahren Jesus gefunden, nun könne man der staunenden Öffentlichkeit endlich präsentieren, wer er, Jesus, wirklich war. Schaut man genauer hin, dann ist das jedes Mal nicht mehr als eine Mischung aus Buschfunk und Gerüchten, nichts, was uns in Wirklichkeit auch nur irgendwie helfen würde, näher an ihn, Jesus, heranzukommen.
Nein, der Zugang, den wir zu Jesus haben, der ist viel direkter. Jesus hat uns persönlich seinen Kontaktmann, seinen bevollmächtigten Ausleger geschickt, der uns zeigt, wer Jesus wirklich war, was er wirklich gesagt hat. Nein, der Heilige Geist, diese Kontaktperson, verfügt über keine blühende Fantasie, sondern der hat wirklich nur die eine Aufgabe, das zu lehren und an das zu erinnern, was Jesus damals den Jüngern gesagt hat. Aber er, der Heilige Geist, nimmt diese Aufgabe zugleich so wahr, dass er bei diesem Lehren und diesem Erinnern sehr deutlich macht, dass Jesus nicht bloß eine interessante Person der Vergangenheit war, sondern selber hier und jetzt in seinem Wort gegenwärtig ist, hier und jetzt in das Leben der Menschen, auch in unser Leben hineinspricht. Lehren und erinnern – ja, was der Heilige Geist uns vor Augen stellt, das ist eben beides zugleich: Wort Jesu von damals und zugleich Wort, das er hier und jetzt zu uns spricht. Und wo finden wir das Ergebnis des Lehrens und Erinnerns des Heiligen Geistes? Wir finden es ganz konkret in den Worten des Johannesevangeliums, die wir eben gehört haben, wir finden es im Evangelium überhaupt. Nein, der Johannes hat sich damals nicht einfach bloß hingesetzt und seine schon leicht verkalkten Gehirnzellen noch mal kräftig in Schwung gebracht, um ein paar Jugenderinnerungen aufs Papyrus zu bekommen. Sondern er hat, so bezeugt er es selber, sein Evangelium verfasst unter dem Beistand dieses Helfers und Trösters, dieses Heiligen Geistes, der auch in der Abfassung dieses Evangeliums das Versprechen Jesu wahrgemacht hat, seine Jünger in alle Wahrheit zu leiten.
Wie kommen wir also an Jesus heran, wo können wir ihn finden? Ganz einfach: Dort, wo wir dieses Evangelium lesen und hören, dort, wo dieses Evangelium verkündigt wird wie auch jetzt in diesem Gottesdienst, nein, natürlich nicht nur das Johannesevangelium, sondern die apostolische Botschaft von Christus überhaupt. Nein, dadurch bekommen wir nicht bloß Informationen über Christus, sondern darin begegnen wir ihm selber, darin kommt unsere Suche nach ihm, Christus, schon an ihr Ziel. Denn er selber redet durch den Heiligen Geist zu uns, erweist sich dadurch als der Lebendige, zeigt uns immer wieder von Neuem, dass wir ihn nicht in der Vergangenheit und erst recht nicht irgendwo auf einem Friedhof suchen müssen. Wenn wir sein Wort haben, dann haben wir ihn selber, Christus, dann steht die Verbindung zu ihm.
II.
In Verbindung kommen wir mit Christus durch sein Wort, nein, wir erfahren nicht bloß etwas über ihn. Genau dies betont Christus gegenüber seinen Jüngern hier in den Worten des Heiligen Evangeliums noch einmal mit ganz besonderem Nachdruck. Es geht um unendlich mehr als bloß darum, dass das richtig ist, was er ihnen sagt. Sondern durch diese Worte, die er spricht, wird nicht weniger als ein Liebesverhältnis gestiftet, so formuliert es Christus hier selber. Die Worte, die er zu uns spricht, die haben solch eine Kraft, dass sie uns als Hörer nicht unverändert lassen, dass sie uns prägen, unser Herz brennen lassen, ja, diese Worte sorgen dafür, dass uns Christus immer lieber und wichtiger wird, dass wir immer mehr zu ihm hingezogen werden. Ja, wie sollte das auch anders sein, wenn in diesem Wort kein Geringerer als Jesu Kontaktperson, als der Heilige Geist selber am Werke ist?
In Verbindung kommen wir mit Christus durch sein Wort. Schwestern und Brüder, habt ihr’s eben eigentlich so richtig mitbekommen, wie Christus selber diese Verbindung hier beschreibt? Es ist eines der wunderbarsten und großartigsten Versprechen, das uns in der ganzen Heiligen Schrift gegeben wird, das Christus uns hier in diesen Worten macht: „Wer mich liebt, der wird mein Wort halten; und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen.“ Christus stiftet durch sein Wort ein Liebesverhältnis zwischen sich und uns. Dadurch wird uns zugleich sein Wort natürlich immer wichtiger; wir werden es festhalten, uns damit immer wieder neu befassen, weil wir den kennen, der durch dieses Wort zu uns redet. Und darin geschieht nun zugleich das Unfassliche: Christus selber kommt durch sein Wort zu uns, nein, nicht bloß zu uns, sondern er nimmt in uns Wohnung durch dieses Wort, das er zu uns spricht. Und er kommt nicht allein, er bringt auch gleich noch seinen Vater mit, der zieht gemeinsam mit ihm bei uns ein, ja, der zieht auch in dir ein, jetzt und hier, in dieser Stunde, in der du dieses Wort jetzt wieder hörst. Nein, die Predigt ist im Gottesdienst nicht bloß ein notwendiges Übel, das man überstehen muss, wenn man nachher zum Heiligen Abendmahl gehen will; sie ist auch nicht bloß ein willkommenes Unterhaltungselement, das für ein bisschen Stimmung in der Kirche sorgt. Sondern beim Hören auf die Predigt passiert jedes Mal wieder etwas, auch bei dir: Christus und sein Vater fahren bei dir vor, packen ihre Gaben aus und ziehen damit bei dir ein. Wenn du nachher diesen Kirchraum verlässt, dann darfst du gewiss sein: Gott der Vater, der das ganze Universum geschaffen hat, der lebt in mir; Christus, der dem Tod die Macht genommen hat, der lebt in mir; der Tröster, der Heilige Geist, lebt in mir und öffnet mir die Augen für das, was da nun gerade wieder im Gottesdienst geschehen ist.
So kommen wir also bei unserer Suche nach Christus ans Ziel, dass wir ihn allen Ernstes in uns selber finden – nein, nicht weil Gott nun mal in der Seele eines jeden Menschen wohnen würde, nicht weil wir Gott ohnehin ganz tief in unserem Inneren finden und entdecken könnten. Nein, allein durch das Wort, das wir hören, das uns zugesprochen wird, geschieht dieses Wunder, dass wir Christus nicht in einer fernen Vergangenheit suchen müssen, sondern ihn dauerhaft in uns wissen dürfen, wo auch immer uns unsere Wege in diesen kommenden Tagen hinführen mögen.
III.
Seinen Auftrag erfüllt hat der Heilige Geist damit auch bei uns, wird auch künftig nicht aufhören, diesen Auftrag, den er von Gott dem Vater bekommen hat, nun auch weiter im Namen Jesu auszuführen. Er lässt uns Christus erkennen und führt uns in die Gemeinschaft mit ihm, wenn er, Christus, in uns Wohnung nimmt.
Und das Ergebnis all dessen fasst Christus selber hier in einem einzigen Wort zusammen: Frieden wird uns damit geschenkt. Frieden – das ist unendlich mehr als einfach bloß ein schönes Gefühl, als eine Seelenstimmung. Frieden, auf Hebräisch Schalom, das bedeutet soviel wie „Heil“, ein ungestörtes, ungetrübtes Verhältnis zwischen Gott und den Menschen. Ja, wie sollte dieses Verhältnis noch getrübt sein, wenn Christus mit seinem Vater in uns lebt, wenn er durch sein Wort den Weg zu uns, ja in uns gefunden hat?
Ja, dieser Frieden steht fest, ganz gleich, ob wir ihn fühlen oder spüren oder nicht. Aber es mag sehr wohl sein, dass wir doch auch etwas von diesem Frieden erfahren und erahnen, von diesem Frieden, den die Welt nicht geben kann. Es mag sein, dass wir das doch immer wieder erfahren: Hier im Gottesdienst, da bekommen wir etwas geschenkt, was sich durch nichts Anderes auf dieser Welt ersetzen lässt. Ich komme hier nicht bloß hin, weil mir im Augenblick gerade keine interessanteren Angebote zur Verfügung stehen, sondern ich komme hierhin, weil ich merke: Ohne diese Gemeinschaft mit Christus, ohne diese Verbindung mit ihm könnte ich gar nicht leben; das brauche ich, ja, ohne diese Gemeinschaft mit Christus würde ich eingehen wie ein Primelpott. Freude und Trost werden mir hier geschenkt, die nicht von dieser Welt sind, die auch dann noch mein Leben bestimmen, wenn es äußerlich eigentlich gar keinen Grund zur Freude gibt, wenn aller andere Trost ansonsten versagt oder allzu billig wäre.
Und genau darum lohnt es sich für uns immer wieder, uns auf die Suche nach Christus zu begeben, lohnt es sich für uns, uns vom Tröster, dem Heiligen Geist, den Weg zu ihm weisen zu lassen, damit wir an diesem Frieden Anteil bekommen. Ja, wie gut, dass wir nicht raten müssen, wo wir Christus finden können; wie gut, dass Christus uns durch den Heiligen Geist zu sich geführt hat. Ja, wie gut, dass es so auch bei uns Pfingsten geworden ist! Amen.