12.08.2009 | 1. Korinther 10, 23-31 (Mittwoch nach dem 9. Sonntag nach Trinitatis)

MITTWOCH NACH DEM 9. SONNTAG NACH TRINITATIS – 12. AUGUST 2009 - PREDIGT ÜBER 1. KORINTHER 10,23-31

Alles ist erlaubt, aber nicht alles dient zum Guten. Alles ist erlaubt, aber nicht alles baut auf. Niemand suche das Seine, sondern was dem andern dient. Alles, was auf dem Fleischmarkt verkauft wird, das esst und forscht nicht nach, damit ihr das Gewissen nicht beschwert. Denn »die Erde ist des Herrn und was darinnen ist« (Psalm 24,1). Wenn euch einer von den Ungläubigen einlädt und ihr wollt hingehen, so esst alles, was euch vorgesetzt wird, und forscht nicht nach, damit ihr das Gewissen nicht beschwert. Wenn aber jemand zu euch sagen würde: Das ist Opferfleisch, so esst nicht davon, um dessentwillen, der es euch gesagt hat, und damit ihr das Gewissen nicht beschwert. Ich rede aber nicht von deinem eigenen Gewissen, sondern von dem des andern. Denn warum sollte ich das Gewissen eines andern über meine Freiheit urteilen lassen? Wenn ich's mit Danksagung genieße, was soll ich mich dann wegen etwas verlästern lassen, wofür ich danke? Ob ihr nun esst oder trinkt oder was ihr auch tut, das tut alles zu Gottes Ehre.

Darf ein Christ Fleisch essen? Genau mit dieser Frage hatte sich damals der Apostel Paulus zu beschäftigen. Nein, ihn bewegten nicht unbedingt Fragen des Tierschutzes; es waren andere Probleme, vor die sich die Christen damals in Korinth in der Frage des Fleischverzehrs gestellt sahen: Wenn man damals in der Markthalle Fleisch kaufte, dann konnte man nie so ganz genau wissen, wo dieses Fleisch eigentlich herkam: Vielleicht stammte es von einem Tier, das einfach zum Zweck des Fleischverkaufs geschlachtet worden war. Vielleicht aber stammte das Fleisch auch aus einem Tempel, wo Tiere zu Ehren der Götter geopfert worden waren. Und da die Götter in aller Regel sich nicht selber an dem Fleisch der geopferten Tiere bedienten, landete dieses Fleisch anschließend eben auch mitunter in den Markthallen. Und da stellte sich für die Christen damals in Korinth schon die Frage: Darf ich denn da so einfach in der Markthalle Fleisch einkaufen, wenn ich gar nicht genau weiß, ob dieses Fleisch vielleicht doch vorher in einem Tempel irgendeinem heidnischen Gott geopfert worden war? Oder da konnte es passieren, dass man als Christ bei seinem Nachbarn zum Abendessen eingeladen wurde. Und dann gab es ebenfalls Fleisch, und da wusste man natürlich auch nicht so genau, woher dieses Fleisch stammte, ob das nicht vielleicht doch auch Opferfleisch war. Ja, wie sollte man sich da als Christ verhalten? Sollte man solche Einladungen beim Nachbarn vielleicht doch lieber gleich ablehnen, sollte man vielleicht grundsätzlich den Vegetarier spielen, um da nicht in irgendwelche Schwierigkeiten zu kommen?
Der Apostel Paulus gibt auf diese ganz praktischen Fragen, die die Christen in Korinth damals bewegten, eine ganz spannende Antwort: Er sagt: Die Erde ist des HERRN und was darinnen ist. Alles, was Gott geschaffen hat, ist gut, und das heißt in diesem Fall ganz praktisch: Alles, was auf dem Fleischmarkt verkauft wird, das esst! Ja, esst alles, was euch vorgesetzt wird! Ihr braucht keine Angst davor zu haben, dass euch das Fleisch, das ihr esst, irgendwie schaden könnte, nur weil es zuvor in einem heidnischen Tempel bei einem Opfer gebraucht wurde. Ihr müsst nicht anfangen, Nachforschungen anzustellen, wo das Fleisch herkommt, ihr braucht mit der Frage nach der Herkunft des Fleisches nicht euer Gewissen zu belasten. Freut euch an dem Schnitzel, freut euch an der Currywurst; aber vergesst natürlich nicht, vorher Gott dafür zu danken, über dem Essen das Tischgebet zu sprechen, ganz gleich, ob ihr Currywurst oder Rohkost zu euch nehmt!
Nur eine Ausnahme nennt der Apostel hier: Wenn euch der Gastgeber beim Essen ausdrücklich darauf hinweist, dass das Fleisch, das ihr esst, heiliges Opferfleisch ist, einem bestimmten Gott geweiht ist, dann esst nicht davon – nein, nicht weil euch das dann schaden würde, sondern weil euer Gastgeber sonst denken würde, ihr würdet das mit eurem christlichen Glauben wohl nicht so ganz ernst nehmen, wenn ihr ganz bewusst Opferfleisch aus dem Tempel esst. Und das wäre nicht gut für euren Gastgeber, wenn er den Eindruck gewinnen würde, euch sei euer christlicher Glauben wohl nicht so wichtig. Verzichtet dann also um eures Gastgebers willen auf das Fleischessen, nein, nicht weil ihr davon abhängig wärt, was andere über euch denken, sondern weil ihr eurem Gastgeber keinen Anstoß geben sollt, dass der nicht denkt: Mensch, das sind Christen, und dann ist denen das so egal, wie die sich verhalten! Mit deren Glauben kann ja wohl nicht viel los sein!
Soweit also die Geschichte damals in Korinth. Und was hat das mit uns, mit unserem Leben heute zu tun?
Zunächst einmal macht uns der Apostel hier deutlich, was für eine wunderbare Freiheit wir in unserem christlichen Glauben haben. In wie vielen Religionen spielt die Frage danach, was man denn nun essen darf und was nicht, eine ganz wichtige Rolle, zwingt diejenigen, die dieser Religion anhängen, dazu, immer wieder nachzufragen, was das denn ist und woher das denn stammt, was sie da gerade essen! Das gilt nicht nur für klassische Religionen wie den Islam oder den Buddhismus, das gilt auch für die moderne Gesundheitsreligion, der so viele Menschen heute anhängen und zu der es eben auch gehört, genau nachzuprüfen, woher denn nun das Essen stammt, das man da zu sich nimmt. Ach, was für eine wunderbare Freiheit haben wir da als Christen! Die Erde ist des HERRN und was darinnen ist! Hauptsache, wir vergessen das Tischgebet nicht; dann dürfen wir fröhlich essen, was auf den Tisch kommt. Das gilt, Schwestern und Brüder, nicht nur für das Thema „Fleisch“; das gilt beispielsweise auch, wenn es etwa um Medizin geht. Da gibt es Christen, die gegenüber bestimmten Naturheilmitteln sehr zurückhaltend sind, weil sie befürchten, dass diese mit einem bestimmten weltanschaulichen Hintergrund hergestellt worden sind, dass man da mit dieser Medizin nun auch gleich irgendwelche anthroposophischen Lehren oder irgendwelchen Geisterhokuspokus zu sich nimmt. Nein, sagt Paulus, ihr müsst nicht nachforschen, woher das alles stammt, was ihr da esst oder trinkt. Ob das eurer Gesundheit nützt oder schadet, was ihr da zu euch nehmt, ist eine andere Frage; aber euren Glauben, euer Gewissen braucht ihr mit dieser Frage nicht zu belasten. Denn ihr seid und bleibt als Christen freie Menschen, dürft alles zu euch nehmen, wenn ihr den Segen Gottes darüber erbittet.
Ein Zweites legt uns St. Paulus hier ans Herz: Ihr braucht euch als Christen in euren Entscheidungen nicht davon abhängig zu machen, was andere über euch denken. Ja, auch das gehört mit zu der großen Freiheit, die wir als Christen in unserem Glauben haben dürfen. Entscheidend ist für uns nicht, was andere über uns denken. Entscheidend ist für uns nicht, was alle andere denken oder tun. Entscheidend ist einzig und allein, was Gott über uns denkt und über das, was wir da machen. Und da mögen sich die Leute in unserer Umgebung über uns kaputtlachen oder aufregen, mögen sie blöde Bemerkungen machen oder uns für total durchgeknallt halten – das ist alles nicht wichtig. Hauptsache, wir können es vor Gott verantworten, was wir da tun und sagen. Ja, unser Rückgrat stärkt uns Gott selber damit, will uns davor bewahren, dass wir uns verbiegen, nur um im Urteil unserer Umgebung besser dazustehen. Aber das heißt nicht, dass wir einfach nur machen, worauf wir gerade Bock haben. Das Urteil der Menschen braucht uns in der Tat nicht zu kratzen. Aber was Gott über uns und unser Handeln denkt, das sollte uns nun nicht egal sein; im Gegenteil: Davon hängt letztlich alles für uns ab, ob wir uns an diesem Urteil Gottes über uns orientieren oder nicht.
Und damit sind wir nun schon beim Dritten: Der Apostel Paulus geht selbstverständlich davon aus, dass wir als Christen für andere Menschen in unserer Umgebung erkennbar sind, dass wir unser Christsein vor anderen Menschen nicht verleugnen und verschweigen, sondern dass wir auch in unserem Alltag für unseren Glauben einstehen. Und das zeigt sich für den Apostel hier in den Versen unserer Predigtlesung in einer doppelten Weise: Zum einen zeigt sich das darin, dass wir auch anderen gegenüber deutlich machen, dass uns unser christlicher Glaube wichtig ist. Das passt nicht, dass wir auf der einen Seite unser Christsein raushängen lassen und andererseits ganz offen Gottes Gebote mit Füßen treten. Das passt nicht, dass wir uns als Christen unseres Glaubens schämen und nach außen hin so tun, als seien wir ja so supercool, dass wir den Eindruck erwecken, als ob wir unseren Glauben in Wirklichkeit ja gar nicht ernst nehmen, sondern da nur mitmachen, weil andere das von uns erwarten. Das passt nicht, dass ich auf der einen Seite behaupte, ich sei Christ, dann aber andererseits für Gott keine Zeit habe, wenn er mich zum Gottesdienst einlädt. Das passt nicht, dass ich zum Gottesdienst gehe, aber dann im Gottesdienst selber so tue, als würde ich da nur was absitzen. Nein, da geht es nicht bloß um uns selber, da geht es um die Menschen in unserer Umgebung, denen wir mit unserem Leben so oder so eine Predigt halten. Und das spüren diese Menschen sehr genau, ob wir das wirklich ernst meinen, was wir da glauben, oder ob wir da nur eine Show abziehen. Ich weiß das etwa von Muslimen, dass die durchaus Respekt davor haben, wenn Christen ihren Glauben konsequent leben. Was sie aber für absolut abstoßend halten, ist, wenn jemand behauptet, er sei Christ, und dann ganz anders lebt. Dafür haben Muslime dann nur Verachtung übrig – wer wollte es ihnen verdenken?
Und zum anderen bringen wir unseren Glauben als Christen im Alltag ganz praktisch darin zum Ausdruck, dass wir aus Liebe zum Anderen dann auch zum Verzicht bereit sein können. Nein, ich muss nicht auf meinem Schweineschnitzel bestehen, wenn ich mit einem Muslim zusammen esse; ich muss ihn nicht absichtlich verletzen, um ihm zu zeigen, was für ein freier Mensch ich bin. Denn gewinnen werde ich ihn doch nur mit Liebe, nicht mit Provokation. Ich muss auch und gerade gegenüber anderen Mitchristen nicht demonstrieren, was ich in meiner Freiheit alles kann und darf, wenn diese sich in ihrem Gewissen gebunden fühlen, bei diesem oder jenem nicht mitzumachen, ja vielleicht auch dieses oder jenes nicht zu essen oder zu trinken. Ja, alles ist erlaubt, aber nicht alles baut auf, so formuliert es der Apostel. Ja, auch und gerade das gehört mit zu unserer christlichen Freiheit dazu, dass wir nicht alles tun müssen, was wir können, sondern verzichten können aus Liebe zum Nächsten. Ja, Gott geb’s, dass uns das in unserem Leben immer wieder klar vor Augen steht, was das für uns heißt, dass wir um Christi willen wirklich freie Menschen sind! Amen.