27.09.2009 | St. Johannes 11, 1-3. 17-27. 41-45 (16. Sonntag nach Trinitatis)
16. SONNTAG NACH TRINITATIS – 27. SEPTEMBER 2009 – PREDIGT ÜBER ST. JOHANNES 11,1-3.17-27.41-45
Es lag aber einer krank, Lazarus aus Betanien, dem Dorf Marias und ihrer Schwester Marta. Maria aber war es, die den Herrn mit Salböl gesalbt und seine Füße mit ihrem Haar getrocknet hatte. Deren Bruder Lazarus war krank. Da sandten die Schwestern zu Jesus und ließen ihm sagen: Herr, siehe, der, den du lieb hast, liegt krank.
Als Jesus kam, fand er Lazarus schon vier Tage im Grabe liegen. Betanien aber war nahe bei Jerusalem, etwa eine halbe Stunde entfernt. Und viele Juden waren zu Marta und Maria gekommen, sie zu trösten wegen ihres Bruders. Als Marta nun hörte, dass Jesus kommt, geht sie ihm entgegen; Maria aber blieb daheim sitzen. Da sprach Marta zu Jesus: Herr, wärst du hier gewesen, mein Bruder wäre nicht gestorben. Aber auch jetzt weiß ich: Was du bittest von Gott, das wird dir Gott geben. Jesus spricht zu ihr: Dein Bruder wird auferstehen. Marta spricht zu ihm: Ich weiß wohl, dass er auferstehen wird - bei der Auferstehung am Jüngsten Tage. Jesus spricht zu ihr: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt; und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben. Glaubst du das? Sie spricht zu ihm: Ja, Herr, ich glaube, dass du der Christus bist, der Sohn Gottes, der in die Welt gekommen ist.
Da hoben sie den Stein weg. Jesus aber hob seine Augen auf und sprach: Vater, ich danke dir, dass du mich erhört hast. Ich weiß, dass du mich allezeit hörst; aber um des Volkes willen, das umhersteht, sage ich's, damit sie glauben, dass du mich gesandt hast. Als er das gesagt hatte, rief er mit lauter Stimme: Lazarus, komm heraus! Und der Verstorbene kam heraus, gebunden mit Grabtüchern an Füßen und Händen, und sein Gesicht war verhüllt mit einem Schweißtuch. Jesus spricht zu ihnen: Löst die Binden und lasst ihn gehen! Viele nun von den Juden, die zu Maria gekommen waren und sahen, was Jesus tat, glaubten an ihn.
Es gibt ein Leben nach dem Tod. Für Computerspieler ist das eine Selbstverständlichkeit. Da gibt es Computerspiele, bei denen hat man von vornherein gleich mehrere Leben, und wenn man eines verbraucht hat, dann nimmt man eben das nächste. Bei anderen Computerspielen ist das nicht ganz so einfach. Da hat man beispielsweise 100 Lebenspunkte, und wenn man die irgendwann verbraucht hat oder umgebracht wird, dann ist man raus aus dem Spiel. Aber glücklicherweise gibt es auch da dann ja eine nächste Runde, und dann ist man mit voller Lebenspunktzahl wieder mit von der Partie.
So sieht sie aus, die virtuelle Realität, die mit unserer tatsächlichen Lebenswirklichkeit so herzlich wenig zu tun hat. Nein, wir tragen an unserem Körper eben keinen Reset-Schalter, den man nur einmal kurz drücken und das Programm neu starten muss, wenn unser jetziges Leben irgendwann an sein Ende kommt. Und wir hüpfen in aller Regel eben auch nicht mehr einfach putzmunter durch die Gegend, wenn unsere Lebenspunktzahl schon deutlich geschrumpft ist, und verschwinden dann schnell mal kurz und schmerzlos von der Bildfläche, wenn die Lebenspunktzahl von eins auf null abnimmt. Sondern das merken wir in aller Regel sehr deutlich in unserem tatsächlichen Leben, wie unsere Lebenspunktzahl allmählich schrumpft, wie wir dem Ende unseres Lebens entgegengehen, wie wir unser Punktekonto eben nicht wieder neu aufladen können, die Entwicklung nicht einfach wieder umkehren können. Nein, der Tod ist nicht eine spielerische Unterbrechung unseres Lebens, sondern eine brutale Realität, eine Realität, die sich letztlich in zwei Worten zusammenfassen lässt: „zu spät“. Solange wir am Leben sind, haben wir noch die Möglichkeit, mit anderen Menschen zu kommunizieren, für andere Menschen da zu sein, haben wir noch die Möglichkeit, Entscheidungen zu treffen. Ja, solange wir leben, leben wir schlicht und einfach noch. Aber dann kommt der Punkt, an dem das alles aus und vorbei ist. Wenn das Herz aufhört zu schlagen, wenn das Gehirn endgültig seinen Betrieb einstellt, dann kann man das nicht mehr rückgängig machen, dann haben wir endgültig keine Möglichkeit mehr, ins Leben zurückzukehren und zu tun, was wir tun konnten, als wir noch lebten. Ja, irgendwann ist dann eben alles zu spät. Und genau das erfahren wir ja ganz schmerzlich auch immer wieder, wenn wir mit dem Tod eines anderen Menschen konfrontiert werden: Gestern konnten wir noch mit ihm sprechen, konnten ihm Fragen stellen, konnten ihm noch unsere Liebe, unsere Zuwendung zeigen. Doch jetzt ist alles zu spät; jetzt liegt er da, und wir können nun nicht mehr nachholen, was wir zuvor versäumt hatten, können die Zeit nicht wieder zurückdrehen, können ihn nicht wieder zurückholen aus dem Zustand, in dem er sich jetzt befindet. Hilflos bleiben letztlich all unsere Versuche, ihm doch noch irgendeine Art von Leben zukommen zu lassen: Ob wir nun feierlich geloben, den Verstorbenen für immer in unseren Herzen weiterleben zu lassen, oder ob wir ihn bei Herrn von Hagens plastinieren lassen, damit er auch nach seinem Tod scheinbar noch Sexspielchen betreiben kann – der Mensch ist und bleibt tot, unabänderbar, unwiderruflich; es kommt alles zu spät.
Zu spät – genau diese Erfahrung hatten im Heiligen Evangelium dieses Sonntags auch Maria und Martha gerade gemacht. Ihr geliebter Bruder, ihr Ernährer, ihr rechtlicher Vertreter Lazarus war gestorben. Wie damals üblich, hatte man ihn gleich mit Leichentüchern umwickelt und in ein Grab gepackt – Stein davor, alles aus, alles zu spät. Vier Tage waren seitdem vergangen, und damit war auch das letzte Fünkchen Hoffnung gestorben: Bis zum dritten Tag, so glaubte man damals, befindet sich die Seele noch irgendwo in der Nähe des Körpers, hofft, vielleicht doch noch in ihn zurückkehren zu können. Ab dem vierten Tag ist sie weg, gibt es endgültig keine Möglichkeit mehr, an einem solchen Menschen noch das Wunder der Totenauferweckung zu vollziehen. Marta bringt die Geschichte hier ganz pragmatisch auf den Punkt: „Herr, er stinkt schon; denn er liegt seit vier Tagen.“ Matsch lässt sich eben nicht mehr auferwecken. Es ist eben alles zu spät.
„Es ist alles zu spät!“ – Da läuft die Marta hier in unserer Predigtlesung Jesus entgegen und begrüßt ihn mit diesen Worten, in denen doch auch ein leichter Vorwurf mitzuklingen scheint: „Herr, wärst du hier gewesen, mein Bruder wäre nicht gestorben.“ Ja, wärst du doch nur hier gewesen; wir haben dir doch schon vor einer Woche Bescheid gegeben, dass Lazarus so krank ist. Doch statt gleich hierher zu kommen, hast du herumgetrödelt, kommst jetzt erst am vierten Tag nach der Beerdigung. Jetzt ist doch nach menschlichem Ermessen alles zu spät!
Ach, wie gut können wir die Marta in ihrer Reaktion verstehen! Sie macht da eine Erfahrung, die auch vielen von uns nicht fremd ist: Da befinden wir uns in höchsten Nöten, wissen nicht mehr aus noch ein, wissen nicht mehr, wie es bei uns überhaupt weitergehen soll, und dann schreien wir zu Gott, schreien wir zu Christus, bitten ihn um Hilfe, bitten ihn darum, dass er eingreifen möge, alles doch noch zum Guten wenden möge. Und dann passiert, so empfinden wir es, erst einmal gar nichts. Christus lässt sich Zeit, trödelt herum, so haben wir den Eindruck, lässt uns einfach hängen. Nichts tut er, mögen wir denken, bis schließlich alles zu spät ist, bis das Kind endgültig in den Brunnen gefallen ist und man ja doch nichts mehr machen kann. Ja, warum reagiert Christus nicht rechtzeitig genug, warum kommt er zu spät, kommt nur noch, um uns ein wenig Trost zu spenden angesichts dessen, was längst geschehen ist, so mögen wir uns fragen, ja, so mögen wir auch ihn selber fragen wie Marta.
Nein, darauf bekommen wir keine einfache, logisch nachvollziehbare Antwort, so wenig wie Marta damals eine einfache, logisch nachvollziehbare Antwort von Jesus erhalten hat. Doch St. Johannes schildert uns hier im 11. Kapitel seines Evangeliums etwas, was leider bei der Auswahl der Verse unserer heutigen Predigtlesung ausgelassen worden ist: Als Jesus an das Grab des Lazarus tritt, da gehen ihm die Augen über, so übersetzt Martin Luther, da fängt Jesus an zu weinen. Jesus steht am Grab eines lieben Freundes und weint – ach, Schwestern und Brüder, wie tröstlich ist es, diese Worte in der Heiligen Schrift zu lesen! Jesus ist der Tod seines Freundes Lazarus nicht gleichgültig; er hat nicht gebummelt, weil ihm Lazarus nichts bedeutet hätte. Im Gegenteil: Jesus weint über den Tod des Lazarus, weint darüber, wie viel Leid, wie viel Schmerz, wie viel Verzweiflung der Tod in dieser Welt mit sich bringt. Nein, diese Welt, in die er, Jesus, gekommen ist, die ist nicht mehr so, wie sie einmal ursprünglich von Gott gemeint war, die ist zutiefst gezeichnet vom Tod, vom wirklichen Tod, den man nicht mit einem Mouseclick rückgängig machen kann. Ja, wenn du Jesus fragst, warum er scheinbar so langsam reagiert, wenn du vielleicht gar den Eindruck hast, ihm sei dein Leid, deine Verzweiflung angesichts des Todes eines geliebten Menschen gleichgültig, dann schau ihn dir an, deinen Herrn, wie er da am Grab des Lazarus steht und seinen Tränen freien Lauf lässt. Nein, diesem Herrn ist es nicht egal, wenn auch du selber am Grab eines geliebten Menschen stehst und dir die Tränen über die Wangen laufen; der kann dich so gut verstehen, ganz gewiss!
Doch Jesus begnügt sich eben nicht bloß damit zu weinen. Er gibt Marta und gibt damit auch uns in der Tat eine Antwort auf die Frage, warum er scheinbar zu spät kommt, scheinbar immer wieder zu spät kommt, nicht verhindert, dass wir Menschen sterben müssen, dass wir von anderen Menschen scheinbar endgültig Abschied nehmen müssen. Ganz behutsam geht er dabei vor. Zunächst einmal müssen wir noch einmal auf Marta selber schauen: Nein, sie begnügt sich nicht damit, Jesus den leisen Vorwurf zu machen, dass er ja wohl reichlich spät, ja wohl zu spät gekommen ist. Sondern sie verbindet diesen Hinweis mit einem bemerkenswerten Vertrauensbekenntnis: „Aber auch jetzt weiß ich: Was du bittest von Gott, das wird dir Gott geben.“ Nein, sie wagt es nicht, Jesus um die Auferweckung ihres Bruders zu bitten; ob diese Hoffnung in ihrem Bekenntnis mitschwingt – wir wissen es nicht. Aber jedenfalls traut sie es Jesus zu, dass er selbst in dieser scheinbar völlig verfahrenen, ja scheinbar völlig aussichtslosen Situation noch neue Wege zu eröffnen vermag, auch wenn sie selber nicht weiß, wie die denn aussehen sollen. Und Jesus – der packt das entscheidende Thema direkt an: „Dein Bruder wird auferstehen“, so spricht er es Marta zu. Nein, Jesus beschränkt sich nicht darauf, bei Marta ein bisschen Seelenmassage zu betreiben; er redet nicht um den heißen Brei herum, sondern weiß, was allein im Angesicht des Todes zu trösten vermag: die Hoffnung der Auferstehung.
Und daran hat sich bis heute nichts geändert. Ich erlebe es immer wieder einmal, dass Gemeindeglieder ganz entsetzt zu mir kommen, nachdem sie an einer Beerdigung teilgenommen hatten, die von einem freien Redner geleitet wurde, ja manchmal sogar auch, nachdem sie an einer Beerdigung teilgenommen hatten, die von einem Pastor geleitet wurde, der an diesem Tag offenbar seinen Auftrag vergessen hatte: Da wurde dann viel davon geredet, was für ein wunderbarer Mensch der Verstorbene war und dass er für immer in unseren Herzen weiterleben wird, da wurde das ganze mit allen möglichen Erinnerungen an das Leben des Verstorbenen, vielleicht auch mit der entsprechenden Musik, umrahmt. Und das mögen die Angehörigen selber möglicherweise auch sehr schön gefunden haben, was da bei der Beerdigung ablief. Nur – ein wirklicher Trost kann dies alles doch nicht sein. Ein wirklicher Trost kann doch nur darin bestehen, dass dieser Mensch, der da, ganz gleich ob nun im Sarg oder als Urne, in die Erde gelegt wird, einmal auferstehen wird, in ein neues Leben hinein, in dem der Tod einmal endgültig hinter ihm liegen wird. Alles andere taugt und trägt am Ende nicht, auch nicht eine vage Hoffnung, dass wir ja vielleicht nach unserem Tod irgendwie weiterleben.
„Dein Bruder wird auferstehen.“ Marta versteht diesen Satz zunächst einmal als theologisch richtige Aussage über das, was einmal am Ende der Zeiten passieren wird: „Ich weiß wohl, dass er auferstehen wird – bei der Auferstehung am Jüngsten Tag.“ Und diese Antwort ist ja auch nicht falsch. Der Lazarus wird tatsächlich einmal auferstehen am Jüngsten Tag, denn das, was Jesus mit ihm da am Ende unserer Geschichte anstellt, das war eben nur sehr vorläufig: Der Lazarus ist schließlich eben doch ein zweites Mal in sein Grab gelegt worden, wieder mit Leinentüchern umwickelt worden, diesmal nun endgültig verwest und hat seine Auferstehung in der Tat noch vor sich. Ja, dieses jüdische Glaubensbekenntnis, das ja auch wir eben miteinander hier im Gottesdienst gesprochen haben, ist in der Tat richtig: Ich warte auf die Auferstehung der Toten und das Leben der zukünftigen Welt. Und doch könnte man diesen Hinweis auf das, was einmal am Jüngsten Tag passieren wird, nun doch leicht als Vertröstung verstehen: Ja, irgendwann in der Zukunft wird sich einmal etwas ereignen. Aber jetzt liegt diese Auferstehung noch ganz weit weg, jetzt hat sie noch nichts mit mir, mit meinem Leben zu tun.
Doch damit hätte Marta, hätten auch wir das Entscheidende noch gar nicht erfasst, das Entscheidende, das Jesus nun in einem der wichtigsten Worte der ganzen Heiligen Schrift zusammenfasst: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt; und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben.“ Nein, die Auferstehung findest du nicht erst irgendwo in der Zukunft, und erst recht ist die Auferstehung zum ewigen Leben kein natürlicher Prozess, der sich irgendwann an jedem verstorbenen Menschen vollzieht. Sondern Auferstehung und Leben sind so untrennbar mit Christus verbunden, dass Christus sagen kann: Die Auferstehung und das Leben – das bin ich, ich selber. Wenn ihr die Auferstehung sucht, dann haltet euch an mich; wenn ihr das wahre Leben sucht, das auch der Tod nicht zerstören kann, dann haltet euch an mich, dann glaubt an mich.
Nein, Schwestern und Brüder, meine Auferstehung ist nicht bloß ein Thema für die Zukunft, auch nicht bloß ein Thema, mit dem ich mich irgendwann mal im Alter beschäftigen kann, wenn ich dafür Zeit habe. Sondern meine Auferstehung ist jetzt und hier das entscheidende Thema meines Lebens, denn meine Auferstehung hängt davon ab, dass ich mit Christus verbunden bin, dass ich in der Gemeinschaft mit ihm lebe. Ohne Christus keine Auferstehung zum ewigen Leben, ohne Christus keine begründete Hoffnung über den Tod hinaus. Nein, Christus kommt nicht zu spät; der ist die Auferstehung und das Leben; der vermag neues Leben selbst dann noch zu schaffen, wenn dies doch menschenunmöglich erscheint. Aber darum geht es ihm, Christus, dass du nicht zu spät kommst, dass du nicht dein Leben verpennst, dass du nicht ohne ihn bleibst, der die Auferstehung und das Leben in Person ist. Darum geht es ihm, dass am Ende deines Lebens eben nicht ein freier Redner steht, der etwas davon erzählt, was für ein wunderbarer Mensch du warst, sondern dass man von dir Abschied nehmen kann in der Gewissheit, dass dein Tod nicht das Ende war, sondern der Durchgang ins Leben der zukünftigen Welt. Ja, genau darum geht es ihm, Christus, wenn er dich gleich wieder hier vorne an seinen Altar lädt, um mit seinem Leib und Blut in dir Wohnung zu nehmen: Da kommt er in deinen sterblichen, vergehenden Körper hinein, er, der die Auferstehung und das Leben ist, da darfst du auch heute wieder hier vom Altar zurückkehren an deinen Platz und gewiss sein: Jetzt trage ich meine Auferstehung in mir, jetzt trage ich das Leben in Person in mir. Wie sollte mein Leib einfach für immer in der Erde verwesen, wenn er doch schon Anteil erhalten hat an der Auferstehung; wie sollte für mich mit dem Tod alles aus sein, wenn doch das unvergängliche Leben in mir wohnt? Ja, genau das will Christus, dass du so an ihm Anteil gewinnst, dich rechtzeitig immer wieder zu ihm rufen lässt, bevor es für dich zu spät ist, dass du dich so zu ihm bekennst, wie Marta sich damals zu ihm, ihrem Herrn, bekannt hat.
Und alles Weitere ergibt sich dann gleichsam von selbst: Wenn Christus etwas sagt, dann sind das nicht bloß anrührende poetische Worte; sondern dann öffnet er uns die Augen für die letzte und tiefste Realität überhaupt: Wenn er die Auferstehung und das Leben ist, dann hat er natürlich die Macht dazu, auch einen Menschen wieder zum Leben zu erwecken, auf den die Verwesung längst übergegriffen hatte. Ja, was Christus damals mit dem Lazarus getan hat, ist nur ein Kinderspiel im Vergleich zu dem, was er einmal mit dir tun wird, was er auch einmal mit denen tun wird, von denen du jetzt schon auf einem Friedhof Abschied genommen hast. Den Lazarus hat er nur für ein paar Jahre wieder in sein altes Leben zurückgerufen; ob der Lazarus selber das auch für so toll gehalten hat wie seine Schwestern und die vielen Menschen, die da herumstanden, wissen wir nicht. Bei unserer Auferstehung, bei der Auferstehung unserer Lieben wird unendlich Größeres geschehen, unendlich Größeres, das seinen Anfang genommen hat am Ostermorgen, als Christus selber sein Grab verlassen hat, nicht ohne vorher noch seine Leinentücher fein ordentlich gefaltet zurückgelassen zu haben: Ja, wenn wir einmal bei Christus an die Reihe kommen werden, dann wird er uns rufen, auch wenn scheinbar doch gar nichts mehr in der Erde von uns übrig geblieben sein wird. Dann wird er uns rufen, und wir werden herauskommen aus dem Grab, nicht als Zombie, nicht als reanimierte Leiche, sondern mit einem neuen Leib, der nie mehr vergehen, der nie mehr stinken wird. Dann wird er uns rufen bei dem Namen, mit dem er uns schon bei unserer Taufe gerufen hat, dann wird er uns rufen, und wir werden ihn erkennen, weil wir ihm in unserem Leben doch immer und immer wieder begegnet sind hier im Sakrament.
Nein, Schwestern und Brüder, ich spreche hier nicht von einem Computerspiel, nicht von einer virtuellen Realität. Was sich am Ostermorgen in Jerusalem ereignet hat, was sich heute hier am Altar ereignet, das ist keine virtuelle Realität, das ist geschehen und geschieht, ganz unabhängig davon, was wir uns einbilden mögen. Nein, es wird nicht einfach alles noch mal von vorne losgehen; ganz Neues, Großartiges, Wunderbares erwartet uns. Nein, diese Auferstehung findet nicht erst irgendwann statt; sie fängt schon hier und jetzt an, wenn du eins wirst mit dem, der die Auferstehung und das Leben ist. Die Zukunft hat schon begonnen. Amen.