28.10.2009 | St. Johannes 15, 17-25 (Tag der Apostel St. Simon und Judas)

TAG DER APOSTEL ST. SIMON UND JUDAS – 28. OKTOBER 2009 – PREDIGT ÜBER ST. JOHANNES 15,17-25

Jesus sprach: Das gebiete ich euch, dass ihr euch untereinander liebt.
Wenn euch die Welt hasst, so wisst, dass sie mich vor euch gehasst hat. Wäret ihr von der Welt, so hätte die Welt das Ihre lieb. Weil ihr aber nicht von der Welt seid, sondern ich euch aus der Welt erwählt habe, darum hasst euch die Welt. Gedenkt an das Wort, das ich euch gesagt habe: Der Knecht ist nicht größer als sein Herr. Haben sie mich verfolgt, so werden sie euch auch verfolgen; haben sie mein Wort gehalten, so werden sie eures auch halten. Aber das alles werden sie euch tun um meines Namens willen; denn sie kennen den nicht, der mich gesandt hat. Wenn ich nicht gekommen wäre und hätte es ihnen gesagt, so hätten sie keine Sünde; nun aber können sie nichts vorwenden, um ihre Sünde zu entschuldigen. Wer mich hasst, der hasst auch meinen Vater. Hätte ich nicht die Werke getan unter ihnen, die kein anderer getan hat, so hätten sie keine Sünde. Nun aber haben sie es gesehen, und doch hassen sie mich und meinen Vater. Aber es muss das Wort erfüllt werden, das in ihrem Gesetz geschrieben steht: »Sie hassen mich ohne Grund« (Psalm 69,5).

Wenn man für den Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Fernsehens Gebühren zahlt, dann geht man als gutwilliger Mensch erst einmal davon aus, dass man damit dazu beiträgt, dass wenigstens auf diesen Kanälen die gesendeten Beiträge ein gewisses Niveau haben und den Grundregeln journalistischen Anstands entsprechen. Doch in Wirklichkeit werden unsere Gebühren für ganz andere Zwecke verwendet, so konnte man es in den letzten Wochen gleich mehrfach beim Anschauen diverser Politmagazine feststellen. Diese Politikmagazine haben nämlich für die deutsche Bevölkerung etwas geradezu Ungeheuerliches aufgedeckt: Fromme Christen und Taliban unterscheiden sich im Wesentlichen gar nicht, so verkündigten sie allen Ernstes in ihren Reportagen. Sowohl fromme Christen als auch radikale Muslime sind nämlich bereit, für ihren Glauben, wenn es sein muss, auch zu sterben. Also sind fromme Christen genauso gefährlich wie muslimische Selbstmordattentäter. Dass diese bewusst versuchen, viele andere Menschen mit in den Tod zu reißen, um auf diese Weise ins Paradies zu gelangen, während Christen lediglich dazu bereit sind, sich für ihren Glauben, wenn es denn sein muss, von Muslimen umbringen zu lassen, ohne einem von ihnen auch nur ein Haar zu krümmen, ist ein so unwesentlicher Unterschied, dass man den als Journalist in seinem Bericht ruhig vernachlässigen darf. Und so hetzt man in diesen Beiträgen in einem gehässigen Stil gegen alles, was nach Mission klingt, wirft Missionseinrichtungen vor, sie würden ihre Zöglinge gleichsam als Kanonenfutter verheizen in dem unsinnigen Versuch, andere Menschen von ihrem bisherigen Glauben abzubringen.
In den Versen des Heiligen Evangeliums dieses Aposteltages redet nach den Kriterien dieser Politmagazine ebenfalls ein gefährlicher Fundamentalist, vor dem man sich gehörig in Acht nehmen muss. Ein unerträgliches Schwarz-Weiß-Denken lässt sich bei ihm erkennen: Er redet von der Welt, die seine Jünger hasst, redet davon, dass er seine Jünger aus der Welt erwählt habe. Und diese Jünger schickt er nun allen Ernstes in diese Welt los, die sie hasst, riskiert damit, dass sie dort misshandelt, ja umgebracht werden. Was für ein blinder Fanatismus! Und genau so ist es dann ja auch tatsächlich gekommen: Jesus hat in der Tat genau das gemacht, was diese Politmagazine in ihren Beiträgen anprangern, hat seine Leute losgeschickt, und fast alle Apostel, vermutlich auch die beiden, deren Tag wir heute begehen, sind deswegen umgebracht worden, weil sie ihn, Christus, und seine Botschaft verkündigt haben. Ja, wir würden heute Abend nicht hier in der Kirche sitzen, wenn Jesus sich damals politisch korrekt verhalten hätte, wenn er feierlich erklärt hätte, dass natürlich jede Religion zu Gott führt, wenn es ihn denn überhaupt gibt, und dass seine Jünger natürlich nur Entwicklungshilfe leisten sollen und nicht anfangen werden, sich mit anderen über religiöse Fragen zu unterhalten.
Vom Hass der Welt spricht Jesus hier in den Worten des Heiligen Evangeliums, vom Hass der Welt, der seine Jünger immer wieder voll treffen wird. Schwestern und Brüder, uns geht es hier in Deutschland als Christen ja vergleichsweise noch gut. Aber einen Vorgeschmack dessen, wie sich Dinge auch in unserem Land sehr schnell einmal ändern könnten, konnten wir in den letzten Wochen gleich mehrfach erhalten: Wer die hetzerischen Beiträge in den Politmagazinen gesehen hat, der weiß, wie leicht sich Demagogie gegen all die Christen einsetzen lässt, für die Christentum mehr bedeutet, als sich für den Schutz der Robben in Neufundland und für soziale Gerechtigkeit einzusetzen. Und wer Ende September am „Marsch für das Leben“ in der Berliner Innenstadt teilnahm und miterlebte, wie Christen nur noch unter dem Schutz eines großen Polizeiaufgebots friedlich für den Schutz der Schwächsten in der Gesellschaft demonstrieren konnten, wie ihnen Hassparolen und Schmährufe gegen den christlichen Glauben entgegenschallten, ja wie schließlich in der Nähe des Bebelplatzes, wo einst die Nazis jüdische Bücher verbrannten, nun wieder ein jüdisches Buch, die Bibel, von den Gegendemonstranten angezündet wurde, der konnte ebenfalls etwas davon erahnen, was Jesus damals meinte, als er davon sprach, dass die Welt seine Jünger hassen werde.
Was regt die Welt so sehr auf an den Christen? Schauen wir uns die beiden Beispiele an, die ich gerade genannt habe, dann kann man Folgendes feststellen: Die Welt erträgt es zum einen nicht, dass Christen behaupten, dieses Leben hier auf Erden sei nicht alles, es gebe ein neues, ewiges Leben, im Vergleich zu dem auch alle Leiden dieser Zeit nicht ins Gewicht fallen. Ja, das ist natürlich eine Provokation für all diejenigen, die fest davon überzeugt sind, dass es nur dieses eine Leben gibt und dass man alles tun muss, um dieses Leben zu genießen. Lebenshingabe und Opfer – nein, nicht im Sinne eines freiwillig gesuchten Martyriums, sondern als letzte Konsequenz einer liebenden Zuwendung zu den Menschen, ja, solche Lebenshingabe und solches Opfer passen nicht in eine Spaßgesellschaft hinein, in eine Ideologie, die für Gott und sein Reich keinen Platz lässt. Und wenn das Wohlbefinden des Einzelnen im Diesseits das letzte Maß aller Dinge ist, dann hat dieser Einzelne eben auch das Recht dazu, darüber zu entscheiden, ob ein Leben lebenswert oder lebensunwert ist, dann kann man es einem Menschen nicht zumuten, sich sein Leben durch die Existenz eines anderen Lebens, das ihm nicht passt, einschränken zu lassen. Die Aufregung über Christen, die bereit sind, für Christus ihr Leben zu lassen, und die Aufregung über Christen, die umgekehrt Leben für eine unantastbare Gottesgabe halten, sind, so paradox es klingt, letztlich doch zwei Seiten derselben Medaille.
„Maria, hättst du abgetrieben, ihr wäret uns erspart geblieben“ – So skandierten die Gegendemonstranten beim Marsch für das Leben und brachten damit genau auf den Punkt, was Jesus damals schon seinen Jüngern ankündigte: Der Hass der Welt, er richtet sich zuerst und vor allem gegen ihn, Christus, gegen seinen Anspruch, der Sohn Gottes zu sein, gegen seinen Anspruch, Herr und Richter der Welt zu sein, gegen seinen Anspruch, dass sich an der Stellung zu ihm entscheidet, ob Menschen gerettet werden oder verlorengehen. Diesen Anspruch Jesu können Muslime nicht ertragen, versuchen ihn dort, wo sie die entsprechende Mehrheit haben, auf unterschiedlichste Weise zum Schweigen zu bringen. Und diesen Anspruch Jesu kann eben auch eine postmoderne Gesellschaft nicht ertragen, in der alles erlaubt ist und seinen Platz hat – nur nicht dieser Selbstanspruch, den Jesus vertritt. Und wer ihn dennoch als Christ zu vertreten wagt, muss damit rechnen, mit der Fundamentalismuskeule niedergeknüppelt zu werden.
Doch Jesus richtet diese Worte an seine Jünger ja nicht, um ein Klagelied anzustimmen oder kräftig über diese böse Welt zu schimpfen. Im Gegenteil: Er will mit diesen Worten seine Jünger aufrichten und trösten.
Ja, trösten können uns diese Worte unseres Herrn, wenn auch wir das in unserem Alltag ganz direkt erleben, dass uns der Hass derer entgegenschlägt, die von ihm, Christus, und seinem Wort nichts wissen wollen. Da läuft nicht irgendetwas schief, da haben wir nicht irgendetwas falsch gemacht, wenn wir angefeindet und angegiftet werden wegen unseres Glaubens. Eher sollten wir uns schon fragen, ob wir uns als Christen nicht oft allzu schnell und allzu leicht an diese Welt anpassen, ob uns das Urteil der Menschen vielleicht manchmal doch wichtiger ist als das Urteil Gottes. „Wäret ihr von der Welt, so hätte die Welt das Ihre lieb“, so formuliert es Christus hier. Es lohnt sich, über diese Worte immer wieder nachzudenken, wenn wir auch als Kirche in der Versuchung stehen, uns in unserer Verkündigung an das anzupassen, was die Leute gerne hören wollen, was dem heutigen Zeitgeist entspricht. Hass, nicht Applaus ist die Normalreaktion, mit der wir als Christen in unserer Verkündigung rechnen sollten. Ja, Christus, weiß, wie es uns geht, wenn wir es wagen, für ihn, um seines Namens willen den Mund aufzumachen.
Doch Christus tröstet uns nicht bloß damit, dass er das ja alles schon vorausgesagt hat, was seine Kirche in den darauffolgenden Jahrhunderten, ja, in ganz besonderer Weise in diesen letzten hundert Jahren hat durchleiden müssen. Sondern er tröstet uns auch damit, dass wir gerade da, wo wir mit unserem Glauben auf Ablehnung und Anfeindung stoßen, mit ihm, Christus, in besonderer Weise verbunden sind. Seit unserer Taufe haben wir doch Anteil an seinem Lebensgeschick; er hat als erster und noch einmal in ganz anderer Weise durchgemacht, was auch wir in viel geringerer, im Vergleich zu ihm zumeist eher homöopathischer Dosis durchleiden müssen, und gerade da, wo wir Ablehnung, Hass und Feindschaft erleben, steht er hinter uns, stärkt uns den Rücken, will uns erfahren lassen, dass es nicht unser eigener, sondern sein Weg ist, den wir da gerade gehen.
Und gerade auf diesem Hintergrund gewinnen dann die einleitenden Worte des Heiligen Evangeliums noch einmal einen besonderen Klang: Wenn Jesus seine Jünger auffordert, sich untereinander zu lieben, dann ist das nicht bloß eine Aufforderung, nett zueinander zu sein. Sondern gerade da, wo wir als Christen in unserer Gesellschaft zunehmend zur Minderheit werden, haben wir es umso dringender nötig, dass wir die Gemeinschaft der Gemeinde haben, dass wir hier in der Gemeinde erleben, dass wir hier anders miteinander umgehen, als dies sonst oft genug in der Welt der Fall ist. Ja, diese Liebe untereinander, die kann uns helfen, dann auch die Anfeindungen von außen zu ertragen. Und zu dieser Liebe untereinander gehört eben schließlich auch, dass wir auch als Christen aus unterschiedlichen Kirchen enger zusammenrücken, wenn es darum geht, gemeinsam von Christus Zeugnis abzulegen, gemeinsam gegen den Strom zu schwimmen. Es kann uns auch als lutherischen Christen nicht egal sein, wenn die römisch-katholische Kirche in der Öffentlichkeit angegriffen und angegiftet wird, auch wenn wir längst nicht alle Positionen dieser Kirche teilen. Aber es sind eben doch auch unsere Brüder und Schwestern, die oft genug auch für Positionen angegriffen werden, die auch wir vertreten. Und genauso ist es mit den evangelikalen Christen, die jetzt im Augenblick in besonderer Weise am Pranger der Medien stehen. Auch deren Positionen teilen wir als lutherische Christen nicht unbedingt in allem; aber wenn sie in der Öffentlichkeit diffamiert werden, dann steht es auch uns gut an, uns an ihre Seite zu stellen. „Das gebiete ich euch, dass ihr euch untereinander liebt“, sagt Christus. Ja, wir tun gut, seinen Worten zu folgen. Denn die Welt mag sich noch so über ihn aufregen, mag noch so sehr die anfeinden, die ihm folgen: Er ist und bleibt doch der auferstandene Herr, dem keine Macht der Welt mehr etwas anzuhaben vermag, ja, der stärker ist auch als der Tod. Simon und Judas hatten damals Recht: Das sollen wirklich alle Menschen erfahren. Amen.