23.04.2008 | Psalm 98 (Mittwoch nach Kantate)

MITTWOCH NACH KANTATE – 23. APRIL 2008 – PREDIGT ÜBER PSALM 98

Singet dem HERRN ein neues Lied, denn er tut Wunder. Er schafft Heil mit seiner Rechten und mit seinem heiligen Arm. Der HERR läßt sein Heil kundwerden; vor den Völkern macht er seine Gerechtigkeit offenbar. Er gedenkt an seine Gnade und Treue für das Haus Israel, aller Welt Enden sehen das Heil unsres Gottes.
Jauchzet dem HERRN, alle Welt, singet, rühmet und lobet! Lobet den HERRN mit Harfen, mit Harfen und mit Saitenspiel! Mit Trompeten und Posaunen jauchzet vor dem HERRN, dem König! Das Meer brause und was darinnen ist, der Erdkreis und die darauf wohnen.  Die Ströme sollen frohlocken, und alle Berge seien fröhlich vor dem HERRN; denn er kommt, das Erdreich zu richten. Er wird den Erdkreis richten mit Gerechtigkeit und die Völker, wie es recht ist.

Seit letzter Woche hat unsere Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche eine neugestaltete Homepage. Ehrlich gesagt hatte mir die Homepage in ihrer bisherigen Aufmachung auch noch ganz gut gefallen; doch Experten waren der Meinung, es müsse nun doch allmählich ein Relaunch dieser Seiten im Internet her, wie man diese Neuaufmachung auf Neudeutsch so schön nennt. Und diese neugestaltete Homepage sieht nun auch wirklich ganz toll aus, hat noch mehr Funktionen, ist auch vom Design her auf dem neusten Stand. Doch man kann es schon absehen: Sehr lange wird es nicht dauern, bis auch diese supermoderne Homepage veraltet aussehen wird, wieder erneuert werden muss.
So ähnlich wie mit unserer Homepage stellen sich das viele Leute, ja durchaus auch viele engagierte Christen mit dem Gottesdienst vor: Das geht doch nicht, dass man Jahr für Jahr dieselbe Liturgie verwendet, dieselben Lieder singt, dieselben Lesungen aus der Heiligen Schrift hört. Nein, wenn wir auf der Höhe der Zeit bleiben wollen, dann müssen wir doch auch den Gottesdienst regelmäßig einem Relaunch unterziehen, ihn aufpeppen mit neuen Texten, neuen Melodien, ja, neuen Liedern. Sonst ist unser Gottesdienst doch wirklich nicht mehr zeitgemäß! Und genau zu solch einem Relaunch scheint uns doch auch der Wochenpsalm dieser Woche nach Kantate aufzufordern: Singet dem HERRN ein neues Lied, heißt es da.
Doch von solch einem Relaunch ist in Wirklichkeit im 98. Psalm gerade nicht die Rede. Ein Relaunch dient in der Werbewirtschaft ja dazu, den Absatz eines Produkts zu stabilisieren, der sich sonst im Zyklus eines Produktlebens nach einiger Zeit abschwächen könnte. Dazu orientiert man sich dann am Kundengeschmack und passt das Produkt, das eigentlich immer noch dasselbe ist wie vorher, den Erwartungen und Bedürfnissen der Konsumenten an. Doch das neue Lied aus dem 98. Psalm ist eben nicht das ewig alte Lied, dessen Aufmachung von Zeit zu Zeit ein bisschen aufgemotzt werden sollte. Sondern dieses neue Lied ist darum ganz neu, weil es von etwas ganz Neuem singt, nicht von einem neuen Geschmack des Publikums, sondern von etwas ganz Neuem, was Gott getan hat.
Solch ein neues Lied sangen damals die Israeliten am Schilfmeer, als Gott sie vor ihren Verfolgern auf wunderbare Weise gerettet hatte. Nein, das war nicht bloß eine leichte Verbesserung ihrer bisherigen Situation – da war wirklich etwas ganz Neues geschehen, da hatte ihnen Gott auf wunderbare Weise neues Leben geschenkt. Solch ein neues Lied sangen die Israeliten, als Gott sie aus der Gefangenschaft in Babylon zurück nach Jerusalem geführt hatte. Nein, auch dies war nicht bloß eine leichte Verbesserung ihrer bisherigen Situation – da war ein unfassliches Wunder geschehen, dass Gott sie, die Israeliten, dort im Exil nicht hatte untergehen lassen. Und solch ein neues Lied singen wir erst recht als Christen, singen von dem größten Wunder überhaupt, singen davon, dass Gott in der Auferweckung seines Sohnes den Tod entmachtet und uns eine Hoffnung geschenkt hat, die über Tod und Grab hinausreicht bis ins ewige Leben. Solch ein neues Lied singen wir darum bei jeder Taufe, in der sich konkret an einem einzelnen Menschen vollzieht, was am Ostermorgen grundlegend für alle Menschen geschehen ist.
Neue Lieder sind das, die wir singen, nicht, weil die Melodien neu wären, nicht weil die Musikinstrumente neu wären, die zur Begleitung dieser Lieder verwendet werden, nicht weil der Text modern und zeitgemäß wäre. Sondern neu sind diese Lieder, weil sie von Gott handeln, von ihm, der allein dazu in der Lage ist, wirklich Neues zu schaffen, mehr als bloß einen Relaunch hinzubekommen.
Und eben darum wären Lieder, die sich nur mit dem befassen, was wir denken, fühlen und empfinden, was wir für Erfahrungen machen, gerade keine neuen Lieder, selbst wenn sie noch so peppig und modern daherkämen, sondern diese Lieder wären letztlich doch alte Lieder, weil sie das immer gleiche alte Lied des Menschen singen, der immer wieder um sich und seine Befindlichkeiten kreist. Das neue Lied, so lehrt es uns der 98. Psalm, lenkt unseren Blick ganz weg von uns hin auf Gottes rettendes Handeln, ja, es lenkt unseren Blick nicht bloß zurück, sondern auch nach vorne: Das neue Lied singt gerade auch von dem großen Kommen, das uns noch bevorsteht, von Gottes Kommen zum Gericht, bei dem er allem Unrecht und allem Leid dieser Welt endgültig ein Ende bereiten wird. Derselbe Gott, der einmal für alle Menschen sichtbar erscheinen wird, er kommt schon jetzt zu uns in jedem Gottesdienst, und wenn wir darüber jubeln und dies besingen, dann ist dies ein neues Lied, auch wenn die Melodie dieses Liedes vielleicht schon mehr als 1000 Jahre alt ist. Denn es ist immer wieder aufs Neue unfasslich, was das eigentlich heißt, dass der Schöpfer und Herr des Weltalls in unsere Mitte kommt, fassbar und spürbar für uns im Sakrament. Da ist es dann in der Tat angemessen, zu jauchzen und zu rühmen, ja, auch die verschiedensten Musikinstrumente einzusetzen. Denn letztlich dient alle Musik, die hier im Gottesdienst erklingt, diesem einen Zweck: Den Einzug des Herrn der Welt in unsere Welt zu begleiten und zu feiern.
Mögen uns darum auch weiter alle Lieder, die in unseren Gottesdiensten gesungen werden, und alle Musik, die hier erklingt, immer wieder neu staunen und jubeln lassen über das, was Gott für uns getan hat und tun will, ja, möge das allein für uns der Maßstab sein, ob Lieder wirklich das neue Lied erklingen lassen, zu dem uns der 98. Psalm auffordert. Nein, wenn es auch immer wieder gleich aussehen mag: Hier geschieht in jedem Gottesdienst etwas ganz Neues, weil Gott uns hier immer wieder ganz neues Leben schenkt. Und mit jedem Gottesdienst kommen wir zugleich dem Tag näher, an dem er, der Schöpfer alles Neuen, endgültig erscheinen wird und wir ebenso endgültig das neue Lied singen werden, das niemals mehr einen Relaunch brauchen wird – das Lied der Vollendeten vor dem Thron Gottes: „Er gedenkt an seine Gnade und Treue für das Haus Israel, aller Welt Enden sehen das Heil unseres Gottes!“ Amen.