22.06.2008 | 2. Thessalonicher 3, 1-5 (5. Sonntag nach Trinitatis)

FÜNFTER SONNTAG NACH TRINITATIS – 22. JUNI 2008 – PREDIGT ÜBER 2. THESSALONICHER 3,1-5

Weiter, liebe Brüder, betet für uns, dass das Wort des Herrn laufe und gepriesen werde wie bei euch und dass wir erlöst werden von den falschen und bösen Menschen; denn der Glaube ist nicht jedermanns Ding. Aber der Herr ist treu; der wird euch stärken und bewahren vor dem Bösen. Wir haben aber das Vertrauen zu euch in dem Herrn, dass ihr tut und tun werdet, was wir gebieten. Der Herr aber richte eure Herzen aus auf die Liebe Gottes und auf die Geduld Christi.

Wird Deutschland Fußball-Europameister? Es gibt wohl kaum eine Frage, die die Menschen in unserem Land in diesen Tagen so sehr bewegt wie diese eine: Gelingt es der deutschen Mannschaft in den kommenden Tagen, auch die restlichen Gegner auf dem Weg zum Titel niederzuringen und den ersehnten Titel zu erringen, oder wird sie doch noch an einem stärkeren Gegner scheitern? Heute in einer Woche werden wir es wissen, und dann wird in unserem Land entweder Riesenjubel oder große Trauer herrschen – doch dann, danach, ist irgendwann wieder alles vorbei, werden die Menschen wieder Zeit haben, sich den Alltagsgeschäften zu widmen, die in der Zwischenzeit liegen geblieben sind.
In der Predigtlesung des heutigen Sonntags macht uns der Apostel Paulus deutlich: Der große Kampf ist am kommenden Sonntag noch längst nicht vorbei, wird nicht für vier Jahre wieder auf Eis gelegt. Nein, wir selber, wir alle miteinander als Glieder der christlichen Gemeinde, stehen in einem Kampf, den wir noch viel ernster nehmen sollten als die Fußball-Europameisterschaft, weil es darin nicht bloß um einen Pokal oder irgendwelche Siegprämien geht, sondern um unsere Zukunft überhaupt. Nein, dieser Kampf ist kein Spiel, sondern Ernst, und eben darum können wir uns ihm nicht entziehen, können uns nicht ausklinken und sagen, dass uns das nicht interessiert. Du bist in diesem Kampf kein Zuschauer, du stehst selber auf dem Platz, und der Gegner, mit dem wir es zu tun haben, der hat es in sich, das sind keine Menschen, sondern das ist der Böse schlechthin mit seinem Team, wie Paulus uns dies hier sehr eindrücklich vor Augen stellt. Und dieser Böse hat nur ein Ziel: Er will, dass wir aufgeben, dass wir uns ausklinken aus der Mannschaft, in der wir seit unserer Taufe spielen; er will, dass sich unsere Mannschaft auflöst, ja mehr noch: Er will mit aller Macht verhindern, dass unser Kapitän, unser Mannschaftsführer Jesus Christus am Ende als Sieger dasteht.  
Genau in dieser Lage befindet ihr euch als Christen, so schärfte es damals der Apostel Paulus schon den Christen in Thessalonich ein, so öffnet der Apostel auch uns die Augen. Und in den Versen unserer heutigen Predigtlesung macht er es uns nun deutlich, wie wir als Christen in diesem Kampf dem Gegner gegenübertreten sollen, ja, wie Christus selber uns an diesem Kampf und an seinem Sieg beteiligen will. Wir sollen und werden in diesem Kampf bestehen und siegen

mit Gebet
mit Nüchternheit
im Gehorsam
in Geduld

I.

Die Christen sind mit ihrer Mannschaft keine Defensivkünstler; ihr Ziel besteht nicht darin, zu mauern und keinen reinzulassen. Gewiss, in der Gefahr, sich in dieser Weise zurückzuziehen, hat die christliche Kirche im Verlauf ihrer Geschichte immer wieder gestanden: Draußen ist die böse Welt, draußen sind die bösen Menschen, mit denen wir nichts zu tun haben wollen; hier drinnen sind die Guten. Also igeln wir uns ein und freuen uns darüber, dass wir uns untereinander so gut verstehen!
Doch damit würden wir unseren Auftrag als Kirche, damit würden wir auch die Worte des Apostels Paulus hier völlig missverstehen. Jawohl, er spricht hier von den falschen und bösen Menschen; und dahinter stehen sicher jede Menge schmerzliche Erfahrungen, die er in seiner Missionstätigkeit gemacht hatte. Aber vor diesen falschen und bösen Menschen soll sich die Gemeinde nicht abschotten; im Gegenteil: „Betet für uns, dass das Wort des Herrn laufe und gepriesen werde wie bei euch!“ – So schreibt der Apostel. Nein, Christen mauern nicht, sondern sie suchen das Heil in der Offensive, nein, nicht ihr eigenes Heil – das ist ihnen ja längst geschenkt! –, sondern das Heil derer, die von Christus noch nichts wissen. Nein, als Christen greifen wir nicht andere Menschen an, versuchen auch nicht, sie zu besiegen und in die Knie zu zwingen. Es geht uns nicht um Macht. Sondern wir haben nur eine einzige Waffe, und diese Waffe ist das Wort Gottes. Nein, diese Waffe richten wir nicht gegen Menschen, sondern als Waffe gebrauchen wir dieses Wort Gottes einzig und allein im Kampf mit den Mächten, die Menschen von Christus und seinem Heil fernhalten wollen. Ja, gegen diese Mächte setzen wir die Waffe des Wortes schlicht und einfach so ein, dass wir Menschen einladen, ihnen von Christus erzählen, von dem Leben, das er allen Menschen schenken will. Und dieses Wort hat Kraft, Menschen für Christus zu gewinnen und sie damit der Gegenseite zu entreißen.
Ach, Schwestern und Brüder, nun klingt das alles fast so, als hätten wir es in der Hand, Menschen zum Glauben an Christus zu führen. Doch genau das meint Paulus nicht. Im Gegenteil: Betet für uns, schreibt der Apostel, betet für uns, dass das Wort Gottes laufe. Wenn sich Gottes Wort ausbreitet, Menschen zum Glauben führt, dass sie gar nicht anders können, als ihrerseits von dem zu erzählen, was ihnen da geschenkt worden ist, wenn sich so Gottes Wort ausbreitet, dann liegt das einzig und allein an Gott selber. Und eben darum ist es so wichtig, dass die Verkündigung des Wortes Gottes, dass das Zeugnis für Christus, das wir als christliche Gemeinde ablegen, immer wieder begleitet und getragen wird vom Gebet. Mit unseren Gebeten bringen wir zum Ausdruck: Wir können es nicht, wir schaffen es nicht, das Wort Gottes zum Laufen zu bringen. Aber wir beten im Vertrauen darauf, dass unsere Gebete bei Gott nicht auf taube Ohren stoßen, dass er seinem Wort immer wieder diese Kraft schenkt, die Herzen von Menschen zu knacken, die doch eigentlich gar nichts von ihm wissen wollten.
„Betet für uns!“ – Nein, Paulus sagt nicht: Alle Gemeindeglieder müssen Apostel, alle Gemeindeglieder müssen Pastoren sein, müssen dazu in der Lage sein, vor anderen Menschen das Wort Gottes zu verkündigen. Nein, diesen Auftrag und diese Gabe haben nicht alle. Wohl aber habt ihr alle miteinander den Auftrag zu beten – ja, ganz konkret auch für die Pastoren, gerade auch für euren Gemeindepastor zu beten, für seinen Dienst in der Gemeinde und darüber hinaus. Ja, Schwestern und Brüder, ich weiß, ihr tut es, denn ohne euer Gebet könnte ich meinen Dienst hier in der Gemeinde so gar nicht versehen. Aber gerade darum bitte ich euch heute mit den Worten des Apostels noch einmal neu ganz konkret: Betet für uns, betet für mich, wenn ich unseren Konfirmanden etwas davon nahezubringen versuche, wie wichtig es ist, zu Christus zu gehören. Betet für uns, wenn wir jetzt in diesen Wochen die Kinderbibelwoche vorbereiten, dass wir dadurch wieder viele Kinder aus unserer Gemeinde und darüber hinaus mit der guten Botschaft erreichen können. Betet für mich, wenn ich meine Gemeindebesuche mache bei den Gemeindegliedern, die sich aus dem Gemeindeleben ausgeklinkt haben und dem Heiligen Abendmahl fernbleiben. Betet für mich, wenn ich mit Menschen spreche, die vom christlichen Glauben keine Ahnung haben. Betet für die Arbeit von Missionar Gevers in unserer Gemeinde, dass das Wort des Herrn auch bei Menschen aus dem Iran, die hier in Berlin leben, laufe. Ja betet gerade auch füreinander in der Gemeinde, wenn ihr in eurem Alltag da, wo ihr gerade steht, in der Schule, am Arbeitsplatz, in der Nachbarschaft, in der Familie, euren Glauben bezeugt, dass gerade auch dadurch das Wort des Herrn laufe, dass noch mehr Menschen den Weg in unsere Mitte finden und gemeinsam mit uns Christus als ihren Herrn anbeten!
Ja, betet für uns – das ist so wichtig, weil wir in einem Kampf stehen, weil wir um die Realität des Widersachers Gottes, des Bösen, wissen. Hören wir darum nicht auf, Gott in den Ohren zu liegen, dass sein Reich zu immer mehr Menschen kommen möge, dass sein Wille geschehen möge, sein Wille, dass allen Menschen geholfen wird und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.

II.

Betet für uns, schreibt der Apostel; aber er mahnt zugleich auch zur Nüchternheit: „Der Glaube ist nicht jedermanns Ding“, so fährt er fort.
„Der Glaube ist nicht jedermanns Ding“ – nein, damit ist nicht gemeint, dass es sozusagen religiös musikalische und religiös unmusikalische Menschen gibt, dass der Glaube bei manchen Menschen eine Art natürlicher Veranlagung ist, während andere damit nun mal nichts anfangen können. Nein, in diesem Sinne ist der Glaube niemandes Ding, denn kein Mensch ist von sich aus dazu in der Lage zu glauben. Das ist und bleibt immer ein Wunder, wenn ein Mensch bekennen kann: „Ich glaube an Jesus Christus.“ Aber gerade weil es ein Wunder ist, sollen wir eben nicht meinen, wir seien dazu in der Lage, es mit irgendwelchen Tricks und Mittelchen zu schaffen, jeden beliebigen Menschen rumzukriegen und zum Glauben an Christus zu führen.
Ja, natürlich ist das für uns frustrierend, wenn wir immer und immer wieder versuchen, Menschen zu Christus einzuladen, und wir dabei immer wieder auf Granit stoßen. Natürlich ist das für uns frustrierend, nicht nur, weil wir merken, dass unsere Mühe scheinbar vergeblich ist, sondern vor allem, weil wir doch selber sehen, wie wichtig es für diese Menschen wäre, den Weg zu Christus zu finden. Ja, natürlich ist das für mich immer wieder frustrierend, wenn ich Menschen im kirchlichen Unterricht die frohe Botschaft von Christus nahezubringen versuche, wenn ich selber den Eindruck habe: Jetzt haben sie es endlich kapiert! – und wenn diese Menschen dann bald darauf doch wieder in der Versenkung verschwinden und man immer wieder hinter ihnen herlaufen muss. Natürlich ist das für mich frustrierend, wenn ich Gemeindeglieder darauf anspreche, dass sie sich doch früher so aktiv am Gemeindeleben beteiligt hätten, und sie mir erklären, das hätten sie früher nie ganz ernst gemeint. Da mag mir, da mag uns allen manchmal dann der Gedanke durch den Kopf gehen: Es hat ja doch alles keinen Zweck, was soll die ganze Mühe! Oder aber: Was habe ich falsch gemacht? Wenn ich mit diesem Menschen anders umgegangen wäre, dann würde er vielleicht jetzt glauben! Doch Paulus lehrt uns, die Dinge viel nüchterner zu sehen: Der Glaube ist nicht jedermanns Ding. Wir dürfen keine 100%igen Erfolgsquoten in unserer kirchlichen Arbeit erwarten, und wir brauchen umgekehrt nicht zu resignieren, wenn wir auf unsere scheinbaren Misserfolge blicken. Das ändert nichts daran, dass die Verkündigung des Wortes Gottes doch eine Verheißung hat, dass gerade auch unser Gebet für diese Verkündigung und die Menschen, die sie hören, eine Verheißung hat. Christus ist und bleibt der Herr, der Sieger; ihn haben wir im Rücken; er stärkt und bewahrt uns vor dem Bösen, will uns immer wieder helfen, unsere Hoffnung ganz auf ihn und nicht auf uns selber zu setzen. Ja, gerade so lehrt er uns, die Dinge ganz nüchtern zu sehen, die in der Kirche geschehen.

III.

Im Kampf stehen wir als christliche Gemeinde, im Kampf, Seite an Seite mit Christus, der allein uns in diesem Kampf schließlich auch siegen lässt. Aber eben darum ist es so wichtig, dass wir in diesem Kampf immer wieder auf ihn, auf sein Wort hören und diesem Wort allein gehorchen.
Als Gemeinde stehen wir ja immer wieder in der Versuchung, uns in unserer Verkündigung, in unserer ganzen Arbeit nicht mehr allein an dem auszurichten, was die Apostel uns im Auftrag unseres Herrn gesagt und geboten haben. Ja, die Versuchung ist so groß, dass wir stattdessen auf das schielen, was die Leute gerne hören wollen, was bei ihnen gut ankommt, was sie nach unserem Empfinden nicht abstößt. Ein Wohlfühl- und Kuschelevangelium kommt dann dabei heraus, eine Botschaft, in der vom Gericht Gottes nicht mehr die Rede ist, in der aus Geboten des Herrn eine unverbindliche Privatmeinung gemacht wird. Es mag sein, dass man damit sogar Erfolg hat, dass die Leute das so richtig gut finden und in Scharen kommen. Doch wo wir uns an den Erwartungen und Wünschen der Menschen orientieren, verlieren wir zugleich doch die geistliche Vollmacht, werden wir in dem Kampf, in den wir gestellt sind, am Ende nicht bestehen können.
Doch Schwestern und Brüder, ich bin froh, dass ich diese Warnungen nun gar nicht allzu sehr auszuführen brauche, dass ich zu euch dasselbe sagen kann, was der Apostel damals den Christen in Thessalonich schrieb: „Wir haben aber das Vertrauen zu euch in dem Herrn, dass ihr tut und tun werdet, was wir, das heißt: was die Apostel gebieten.“ Froh bin ich, dass ich genau dies immer wieder bei uns in der Gemeinde erlebe, was für ein geistliches Gespür, was für einen geistlichen Durchblick ihr besitzt, wie wichtig es euch ist, nach dem zu fragen, was Christus uns durch das Wort der Apostel gebietet. So werden wir auch weiter bei ihm, Christus, bleiben, an der Seite des Siegers.

IV.

Nach vorne lenkt der Apostel von daher abschließend unseren Blick: „Der Herr richte eure Herzen aus auf die Liebe Gottes und auf die Geduld Christi.“ – So schreibt er. Ja, genau das sind die beiden Eckpunkte, auf die unser Glaube als Christen gegründet ist: Die Liebe Gottes, die er uns ganz konkret gezeigt hat, als er seinen Sohn Jesus Christus für uns hat am Kreuz sterben lassen, und die Wiederkunft unseres Herrn, auf die wir als Christen in Geduld warten. Da am Kreuz, da hat Christus den Mächten des Bösen die entscheidende Niederlage zugefügt; seitdem sind sie endgültig auf der Verliererstraße und werden da auch nicht mehr runterkommen. Und bei seiner Wiederkunft wird Christus dann auch einmal für alle Menschen sichtbar werden lassen, was doch jetzt schon Realität ist: Dass er der Herr der ganzen Welt ist, der Sieger über Tod und Teufel, nein, nicht bloß ein unverbindliches religiöses Angebot unter vielen, sondern der, vor dem einmal alle Menschen auf die Knie sinken werden. Noch ist es nicht so weit, noch bleibt uns nichts anderes übrig als zu warten, noch wird uns als Christen viel Geduld abverlangt. Doch dieses geduldige Warten lohnt sich; denn das Ende ist eben nicht mehr offen.
Ob Deutschland Fußball-Europameister wird, ist im Augenblick noch fraglich. Doch selbst wenn die Deutschen gewinnen sollten, würde das letztlich an unserem Leben nichts ändern. Doch dass Christus am Ende dieser Welt, am Ende auch unseres Lebens als der Sieger dastehen wird, das steht jetzt schon fest – und das allein ist die wichtigste Nachricht für unser Leben, nein, nicht nur für unser eigenes Leben, sondern für das Leben aller Menschen. Darum betet, betet, dass das Wort des Herrn laufe und gepriesen werde wie bei euch! Amen.