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Die Zehn Gebote: Das achte bis zehnte Gebot.

Die Zehn Gebote: Das achte bis zehnte Gebot.

 

DAS ACHTE GEBOT
Du sollst nicht falsch Zeugnis reden
wider deinen Nächsten.

Was ist das?
Wir sollen Gott fürchten und lieben,
dass wir unsern Nächsten nicht fälschlich belügen, verraten,
afterreden oder bösen Leumund machen,
sondern sollen ihn entschuldigen, Gutes von ihm reden
 und alles zum Besten kehren.


Den Hintergrund für das achte Gebot bildete ursprünglich die Rechtssprechung im Volk Israel. Zeugenaussagen hatten für die Urteilsfindung damals eine noch größere Bedeutung als heute; umso wichtiger war es, dass durch diese Zeugenaussagen nicht das Recht, vor allem das Recht der Schwächeren, gebeugt wurde.

Heutzutage haben wir in unserem Land eine sehr viel größere Rechtssicherheit als damals; dafür sollten wir trotz aller Schwächen, die auch unser Rechtssystem gewiss hat, sehr dankbar sein. Es ist nicht selbstverständlich, dass wir in einem Rechtsstaat leben dürfen; als Christen sollten wir uns dafür einsetzen, diese rechtsstaatliche Ordnung zu stützen, und ihrer Unterhöhlung wehren.

In seiner Erklärung im Kleinen Katechismus spricht Martin Luther eine Situation an, die heute genauso aktuell ist wie damals: das Reden über den Nächsten hinter seinem Rücken, durch das dessen Ruf und Ehre beschädigt oder zerstört wird. Dies beginnt beim allgemeinen Tratsch und geht weiter über das ungeprüfte Weitertragen von Gerüchten über andere bis hin zur gezielten Verleumdung. Ausdrücklich untersagt wird in Luthers Erklärung auch das „Verraten“, also das Weitergeben und Aufdecken von Informationen über einen anderen Menschen, die zwar der Wahrheit entsprechen, deren Weitergabe dem anderen aber dennoch schadet.

Warum sind diese Verstöße gegen das achte Gebot in unserer Gesellschaft, ja auch in einer christlichen Gemeinde, so weit verbreitet? Dahinter steht immer wieder das oftmals wohl unbewusste Bemühen von uns Menschen, uns selber in ein besseres Licht zu rücken, indem wir auf die Fehler und das Versagen der anderen schauen: „Ich danke dir, Herr, dass ich nicht bin wie jener …“ Stattdessen sollten für uns Christen einige Grundregeln gelten: Zunächst einmal sollten wir über andere Menschen nur das äußern, was wir ihnen in derselben Weise auch ins Gesicht sagen würden. Darüber hinaus sollten wir uns bei allem, was wir über andere Menschen äußern, stets überlegen, ob das, was wir sagen, sich als wahr nachprüfen lässt, ob ihnen das, was wir sagen, nützt und ob es wirklich notwendig ist, dies, was wir sagen wollen, überhaupt auszusprechen. Erkennen wir bei einem Mitbruder oder einer Mitschwester in der Gemeinde schuldhaftes Verhalten, so sollten wir ihn oder sie nach der „Gemeinderegel“ in Matthäus 18,15 direkt darauf ansprechen und ihn oder sie zu gewinnen und zur Umkehr zu bewegen versuchen, statt uns über ihn oder sie den Mund zu zerreißen. Kurzum: Gerade auch unser Reden über andere Menschen und mit ihnen sollte geprägt sein vom Liebesgebot der Heiligen Schrift: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ (Matthäus 22,39) Nicht vergessen sollten wir dabei auch, dass wir Äußerungen über andere Menschen, die wir weiter getragen haben, in aller Regel so wenig wieder „zurückholen“ können wie die Federn eines aufgeschlitzten Federbettes, das wir am Fenster ausgeschüttelt haben: „So ist auch die Zunge ein kleines Glied und richtet große Dinge an. Siehe, ein kleines Feuer, welch einen Wald zündet’s an!“ (Jakobus 3,5) 

Im Neuen Testament wird das achte Gebot schließlich noch weiter entfaltet zum Gebot, nicht zu lügen: „Darum legt die Lüge ab und redet die Wahrheit, ein jeder mit seinem Nächsten, weil wir untereinander Glieder sind.“ (Epheser 4,25) Auf das Wort von uns Christen sollte man sich stets verlassen können. Dabei warnt uns Christus nicht nur vor der Lüge, sondern auch davor, Worte zu äußern, die zu nichts nütze sind: „Ich sage euch aber, dass die Menschen Rechenschaft geben müssen am Tage des Gerichts von jedem nichtsnutzigen Wort, das sie geredet haben.“ (Matthäus 12,36) Ob wir dieses Wort Jesu bei unserem täglichen Reden immer im Ohr haben?

Das achte Gebot leitet uns von daher, positiv gewendet, gerade auch zum Schweigen in vielen Situationen an. Dies gilt in besonderer Weise für diejenigen, die von Berufs wegen zum Schweigen verpflichtet sind, natürlich gerade auch für Pastoren; aber es gilt darüber hinaus in entsprechender Weise auch für uns Christen insgesamt. Erwähnt sei schließlich auch, dass es Situationen geben kann, in denen eine Notlüge eine „Liebespflicht“ sein kann, wie Martin Luther es formuliert. Dabei darf die Notlüge aber immer nur dem Schutz anderer und nicht dem eigenen Vorteil dienen. Ein klassisches Beispiel hierfür ist das Verhalten von Mitbürgern im Dritten Reich, die Juden bei sich versteckt hielten und zu deren Schutz natürlich lügen mussten. Wenn sie selber oder die Nachbarn der Gestapo „die Wahrheit“ gesagt hätten, wäre dies vielmehr schwere Sünde gewesen.

 

DAS NEUNTE GEBOT
Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus.

Was ist das?
Wir sollen Gott fürchten und lieben,
dass wir unserm Nächsten nicht mit List nach seinem Erbe
oder Hause stehen und mit einem Schein des Rechts an uns bringen,
sondern ihm dasselbe zu behalten förderlich und dienstlich sein.

 

DAS ZEHNTE GEBOT
Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib, Knecht,
Magd, Vieh oder alles, was sein ist.

Was ist das?
Wir sollen Gott fürchten und lieben,
dass wir unserm Nächsten nicht sein Weib, Gesinde oder Vieh abspannen,
abdringen oder abwendig machen, sondern dieselben anhalten,
dass sie bleiben und tun, was sie schuldig sind.

 

Schon im Alten Testament selber ist die Unterscheidung von neuntem und zehntem Gebot nur schwer zu vollziehen. Während in 2. Mose 20,17 im neunten Gebot vom „Haus“ und im zehnten Gebot von Mensch und Vieh die Rede ist, spricht in 5. Mose 5,21 das neunte Gebot von der Frau des Nächsten und das zehnte von seinem Besitz. Für unsere Ohren befremdlich ist natürlich auch die Einordnung der Ehefrau des Nächsten in einer Reihe mit Rind und Esel. Dies spiegelt die damalige Gesellschaftsordnung in Israel wider, gilt aber natürlich nicht in gleicher Weise für uns Christen.

Im Neuen Testament wird der Sinn des neunten und zehnten Gebots auf das Herz des Menschen hin vertieft. So fasst Paulus die beiden Gebote mit den Worten „Du sollst nicht begehren“ (Römer 7,7; 13,9) zusammen, ohne die „Objekte“ des Begehrens zu benennen, und Christus selber bringt in der Bergpredigt das zehnte Gebot mit dem sechsten zusammen, wenn er verkündigt: „Wer eine Frau ansieht, sie zu begehren, der hat schon mit ihr die Ehe gebrochen in seinem Herzen.“ (Matthäus 5,27) So läßt uns gerade das neunte und zehnte Gebot erkennen, dass vor Gott nicht nur die vollbrachte Tat, sondern schon bereits die verkehrte Ausrichtung des Herzens Sünde ist, die immer wieder der Vergebung bedarf.

Dennoch geht es beim neunten und zehnten Gebot auch um ganz praktisches Verhalten. So kritisiert Luther in seinem Großen Katechismus in besonderer Weise das Vorgehen scheinbar sehr ehrenwerter Leute, die mit einem „Schein des Rechts“ dem Nächsten Dinge entwenden, weil diesem die entsprechenden juristischen Mittel fehlen, um sich dagegen zur Wehr setzen zu können: „So kommt nun das am meisten bei Rechtshändeln vor, die auf Grund eines Rechtstitels angestrengt werden, mit dessen Hilfe man dem Nächsten etwas abzugewinnen und abzudrängen sich vornimmt. So, um ein Beispiel zu geben, wenn man um eine große Erbschaft, liegende Güter usw. hadert und verhandelt. Da führt man ins Feld und nimmt zu Hilfe, was nur einen Schein von Recht an sich haben will; man putzt es heraus und schmückt es so aus, dass das Recht dem zufallen muss, und so behält man das Gut mit einem solchen Rechtstitel, dass niemand eine Klage oder einen Anspruch dagegen geltend machen kann.“ Wie aktuell solche Beispiele auch heute sind, braucht wohl kaum weiter erläutert zu werden.

Mit dem Verbot des „Begehrens“ warnt das neunte und zehnte Gebot uns in besonderer Weise vor dem Neid. Wenn wir immer wieder auf das schauen, was die anderen haben und wir nicht haben und selber das Empfinden kultivieren, wir seien gegenüber anderen zu kurz gekommen und würden von wem auch immer schlechter behandelt als andere, dann schaden wir zunächst einmal uns selber: Neid macht krank, ja kann einen Menschen geradezu zerfressen. Neid vergiftet aber auch unser Verhältnis zu Gott. Wenn wir neidisch sind, unterstellen wir Gott damit, dass er nicht gut genug für uns gesorgt habe. Das beste Heilmittel gegen den Neid ist von daher die Dankbarkeit für all das, was Gott uns geschenkt hat, und die Erinnerung daran, dass wir als Christen keine Angst zu haben brauchen, dass wir in unserem Leben etwas verpassen. Denn das Beste steht uns Christen doch ohnehin noch bevor; dies kann uns keiner nehmen.