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Die Zehn Gebote: Das erste und zweite Gebot.

Die Zehn Gebote: Das erste und zweite Gebot.

 

DAS ERSTE GEBOT
Ich bin der Herr, dein Gott.
Du sollst nicht andere Götter haben neben mir.

Was ist das?
Wir sollen Gott über alle Dinge fürchten, lieben und vertrauen.


In seiner Auslegung der Zehn Gebote arbeitet Martin Luther die besondere Bedeutung des Ersten Gebots heraus: Dieses Gebot zielt auf das ganze Herz des Menschen und damit auf seinen Glauben. Im Glauben an Gott erfüllt der Mensch alle Gebote; umgekehrt liegt allen Übertretungen der anderen Gebote letztlich eine Übertretung des Ersten Gebots zugrunde. Martin Luther macht diese Zuordnung der Gebote zum Ersten Gebot deutlich, indem er die Erklärung der anderen Gebote in seinem Kleinen Katechismus alle mit den Worten beginnen lässt: „Wir sollen Gott fürchten und lieben, dass wir …“

In seinem Großen Katechismus macht Martin Luther sehr eindringlich deutlich, dass mit den „anderen Göttern“ nicht bloß irgendwelche Fremdreligionen oder heidnischen Gottheiten gemeint sind: „Woran du nun, sage ich dein Herz hängst und worauf du dich verlässt, das ist eigentlich dein Gott.“ Jeder Mensch hat also seinen Gott, dem er vertraut; die Frage ist nur, ob er an den rechten Gott oder an falsche Götter, an Abgötter glaubt. Der „allgemeinste Abgott auf Erden“ heißt für Luther „Mammon, das heißt Geld und Gut“. An dieser Einschätzung dürfte sich auch 500 Jahre später wenig geändert haben.

Mit anderen Worten formuliert fragt das Erste Gebot: Wer oder was ist die Nummer eins in deinem Leben? Geld und Besitz, Karriere, Familienleben, Auto, Hobbys, das Ansehen bei anderen Menschen – oder Gott? Dabei ist all dies andere Aufgezählte ja nichts Schlechtes; nur darf es niemals an die Stelle Gottes treten und Ihn verdrängen, sondern soll sich Ihm unterordnen und im Konfliktfall zurücktreten. Gott allein sollen wir über alle Dinge fürchten, lieben und vertrauen.

Diese kurze, eindrückliche Erklärung des Ersten Gebots im Kleinen Katechismus erweist sich bis heute als hochaktuell: Wen oder was fürchten wir mehr in unserem Leben? Wie andere Menschen uns beurteilen, oder wie Gott uns einmal beurteilen wird? Immer wieder prägt die Furcht vor dem Urteil anderer Menschen unser Leben und unser Verhalten: Wir schämen uns, uns als Christen in der Öffentlichkeit zu erkennen zu geben; wir haben Angst, als altmodisch oder weltfremd angesehen zu werden, wenn wir offen aussprechen, was Gottes Wort zu unserem Leben zu sagen hat. Ja, selbst Kirchen stehen in der Gefahr, sich mehr an Meinungsumfragen, an Wünschen und Bedürfnissen der Menschen als an Gottes Urteil zu orientieren.

Wenn wir Gott über alle Dinge fürchten, dann wird für uns zweitrangig, was andere Menschen über uns denken mögen. Wenn wir Gott über alle Dinge fürchten, dann werden wir nicht dem Aberglauben Vorschub leisten und uns vor Dinge und Praktiken fürchten, die angeblich „Unglück bringen“: Dann werden wir nicht auf Holz klopfen oder „Toi, toi, toi“ rufen, um Unglück zu vertreiben, oder uns davor scheuen, uns über eine Türschwelle die Hand zu reichen.

Wen oder was lieben wir mehr in unserem Leben? Gott oder die Güter dieses Lebens? Worauf können wir in unserem Leben eher verzichten: auf Geld und Besitz oder auf den Besuch des Gottesdienstes? Worum kreisen unsere Gedanken am meisten in unserem Leben? Worum kreisen sie zuerst an jedem Morgen? Nach welchen Kriterien richten wir Termine in unserem Leben ein? All dies sind Fragen, bei deren Beantwortung deutlich wird, wer oder was auch in unserem Leben die Nummer 1 ist, wen oder was wir „über alle Dinge“ lieben.

Und wem vertrauen wir mehr in unserem Leben? Gott oder uns selbst oder unserem Bankkonto oder vielleicht gar den Sternen? Ich kann nicht Gott über alle Dinge vertrauen und zugleich an die Macht von Sternbildern oder gar an irgendwelche Horoskope glauben. Ich kann nicht Gott über alle Dinge vertrauen und zugleich zu irgendwelchen Wahrsagern gehen. Ich kann nicht Gott über alle Dinge vertrauen und zugleich in Frage stellen, ob das, was Er mir in Seinem Wort sagt, auch für mich gilt. Ich kann nicht Gott über alle Dinge vertrauen und mich zugleich in Sorgen verzehren oder Ihm dauernd Vorwürfe machen, warum Er mich in meinem Leben so und nicht anders geführt hat.

Wir merken schon am Ersten Gebot, dass kein Mensch mit Recht behaupten kann, er könne und würde die Zehn Gebote halten. Immer wieder werden die Gebote, wird vor allem das Erste Gebot uns zu einem Beichtspiegel. Doch zugleich und vor allem ist das Erste Gebot eine große Einladung: eine Einladung, dem zu vertrauen, der allein uns in allen Nöten helfen kann, in denen sonst alle Abgötter versagen. Und es ist eine Einladung, dem zu vertrauen, der uns immer wieder unser Versagen an Seinen Geboten vergeben und in uns das neue Herz schaffen will, das allein die Gebote recht erfüllen kann.

Dieser Gott, den wir über alle Dinge fürchten und lieben und ihm allein vertrauen sollen, dieser Gott hat sich uns in Jesus Christus sichtbar zu erkennen gegeben. Damit sind wir nicht mehr darauf angewiesen, uns selber Bilder von Gott zu machen – was im Alten Testament dem Volk Israel streng verboten war. Vielmehr dürfen wir uns an das Bild Gottes halten, das wir Menschen uns selber nie und nimmer ausgedacht hätten: an das Bild des Gekreuzigten, der auch unser Versagen gegenüber dem Ersten Gebot am Kreuz getragen hat.


DAS ZWEITE GEBOT
Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht unnütz gebrauchen;
denn der Herr wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen missbraucht.

Was ist das?
Wir sollen Gott fürchten und lieben,
dass wir bei seinem Namen nicht fluchen, schwören, zaubern, lügen oder trügen,
sondern ihn in allen Nöten anrufen, beten, loben und danken.


Dass Gott sich uns Menschen zu erkennen gegeben hat und wir Ihn darum anreden und seinen Namen gebrauchen können, ist ein großes Geschenk und Privileg. Dieses Privileg sollen wir nicht durch eine leichtfertige oder gar bewusst missbräuchliche Verwendung des Namens Gottes mit Füßen treten. Dies geschieht, wo Menschen immer wieder den Namen Gottes achtlos im Munde führen („O Gott“, „Ach Gott“, „Gottchen“, „Herrje“ <= Herr Jesus>). Wenn bei uns dauernd das Telefon klingelt und wir beim Abnehmen merken, dass der Anrufende mit uns in Wirklichkeit gar nicht sprechen will, dann sind wir verärgert. So erzürnen wir auch Gott, wenn wir Seinen Namen missbräuchlich verwenden oder gar dumme Witze über Ihn reißen. Der Respekt, mit dem der Name Gottes des HERRN im Judentum behandelt wird, steht auch uns Christen gut an.

Wir missbrauchen den Namen Gottes auch, wenn wir uns auf Praktiken einlassen, bei denen dieser Name Gottes gleichsam als Zauberformel zur Heilung von Krankheiten oder ähnlichem verwendet wird („weiße Magie“). Und erst recht missbrauchen wir den Namen Gottes, wenn wir mit Berufung auf ihn vor anderen die Unwahrheit sagen. Überhaupt sollten wir als Christen mit dem Schwören mehr als vorsichtig sein: Auf das Wort von uns Christen sollte man sich auch ohne Schwurformel verlassen können. Formulierungen wie „ich schwöre“ sollten wir als Christen vermeiden; denn letztlich ist der Schwur nichts anderes als eine bedingte Selbstverfluchung: „Ich möchte nicht länger leben, wenn das nicht wahr ist, was ich sage“. Darum wendet sich Jesus in der Bergpredigt (Mt 5,33-37) auch so eindringlich gegen das Schwören. Nur da, wo ich meinem Nächsten in einer Notlage mit dem Zeugnis der Wahrheit helfen kann, ist mir das Schwören erlaubt. Von daher kann im Übrigen auch der Verzicht auf eine religiöse Eidesformel gerade ein Bekenntnis zum christlichen Glauben sein.

 Wir brauchen den Namen Gottes jedoch nicht aus Angst, ihn zu missbrauchen, ganz zu verschweigen. Wir sollen und dürfen ihn verwenden im Gebet, und wir sollen und dürfen ihn verwenden, um anderen Menschen von Gott zu erzählen und sie in Seine Gemeinschaft einzuladen. Gott täglich im Gebet anzusprechen, sollte für uns eine selbstverständliche Übung sein, damit auch da, wo wir in Nöte geraten, keine Flüche über unsere Lippen kommen, sondern wir gerade auch dann unsere Hilfe bei dem suchen, der allein uns helfen und uns retten kann. Eben darum lobt Martin Luther im Großen Katechismus übrigens auch die „Kindergewohnheit“, sich zu bekreuzigen und sich so Gott in allen Lebenslagen anzubefehlen.

Dabei dürfen wir Gott als „Vater“ ansprechen. So hat er sich uns schon in unserer Taufe zu erkennen gegeben, als der Name Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes über uns genannt wurde und wir Kinder unseres Vaters im Himmel wurden. Darum wissen wir: Wenn wir von „Gott“ reden, dann reden wir vom Vater Jesu Christi – der auch unser Vater ist. Sein Name soll von uns geheiligt werden.