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Sonderbeilage zur sog. ökumenischen Fassung des Apostolischen Glaubensbekenntnisses

Im Juni dieses Jahres wird die Kirchensynode der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche über einen Antrag zu entscheiden haben, wonach der in der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) gebräuchliche revidierte Text des Apostolischen Glaubensbekenntnisses auch in unserer SELK als Bekenntnistext im Gottesdienst und in der kirchlichen Unterweisung eingeführt werden soll. Als dieser revidierte Text im Jahr 1973 in der EKD eingeführt wurde, hatte unsere SELK damals die Einführung dieses Textes aus theologischen Gründen abgelehnt. Diese damalige Entscheidung halte ich nach wie vor für angemessen und richtig.

Anfang der 70er Jahre erarbeitete die Arbeitsgemeinschaft Liturgische Texte (ALT) eine revidierte Fassung der gottesdienstlichen Texte des Apostolischen und Nizänischen Glaubensbekenntnisses. Diese Revision sollte einem doppelten Ziel dienen: Sie sollte zum einen einen „ökumenischen“ Text der Glaubensbekenntnisse formulieren, der gleichermaßen in der evangelischen wie in der römisch-katholischen Kirche gesprochen werden konnte. Darum gehörten dieser ALT auch Mitglieder aus der römisch-katholischen wie aus der evangelischen Kirche an. Zum anderen sollte bei dieser Revision der Text des Glaubensbekenntnisses an die heutige Sprache angeglichen werden. Dabei begnügte man sich allerdings bei der Revision des Apostolischen Glaubensbekenntnisses nicht mit sprachlichen Angleichungen, sondern legte eine Fassung vor, die an einigen Stellen keine Übersetzung des ursprünglichen lateinischen bzw. griechischen Textes mehr darstellt, sondern aus bestimmten theologischen Gründen bewusst von der Übersetzung des Urtexts abweicht.
Worin die Unterschiede der beiden Versionen des Glaubensbekenntnisses bestehen, lässt sich der folgenden Übersicht entnehmen; die Veränderungen im revidierten Text gegenüber der alten Textfassung sind dabei kursiv gedruckt.

Lateinische Fassung Alte Textfassung Revidierter Text
Credo in deum patrem omnipotentem Ich glaube an Gott den Vater, den Allmächtigen, Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen,
creatorem coeli et terrae. Schöpfer Himmels und der Erde. den Schöpfer des Himmels und der Erde.
     
Et in Jesum Christum Und an Jesus Christus, Und an Jesus Christus,
filium eius unicum, Gottes eingeborenen Sohn, seinen eingeborenen Sohn,
dominum nostrum: unseren Herrn, unsern Herrn,
qui conceptus est de spiritu sancto, der empfangen ist vom Heiligen Geist, empfangen durch den Heiligen Geist,
natus ex Maria virgine, geboren von der Jungfrau Maria, geboren von der Jungfrau Maria,
passus sub Pontio Pilato, gelitten unter Pontius Pilatus, gelitten unter Pontius Pilatus,
crucifixus, mortuus et sepultus, gekreuzigt, gestorben und begraben, gekreuzigt, gestorben und begraben,
descendit ad inferna, niedergefahren zur Hölle, hinabgestiegen in das Reich des Todes,
tertia die resurrexit a mortuis, am dritten Tage auferstanden von den Toten, am dritten Tage auferstanden von den Toten,
ascendit ad coelos, aufgefahren gen Himmel, aufgefahren in den Himmel;
sedet ad dexteram Dei, sitzend zur Rechten Gottes, er sitzt zur Rechten Gottes,
patris omnipotentis : des allmächtigen Vaters, des allmächtigen Vaters;
inde venturus est von dannen er kommen wird von dort wird er kommen,
iudicare vivos et mortuos. zu richten die Lebendigen und die Toten. zu richten die Lebenden und die Toten.
     
Credo in spiritum sanctum, Ich glaube an den Heiligen Geist, Ich glaube an den heiligen Geist,
sanctam ecclesiam catholicam, eine heilige christliche Kirche, die heilige christliche Kirche,
(oder: die heilige katholische Kirche)
sanctorum communionem, die Gemeinde der Heiligen, Gemeinschaft der Heiligen,
remissionem peccatorum, Vergebung der Sünden, Vergebung der Sünden,
carnis resurrectionem, Auferstehung des Fleisches Auferstehung der Toten
et vitam aeternam. und ein ewiges Leben. und das ewige Leben.

Das erste Ziel der ALT konnte nicht erreicht werden: Man konnte sich nicht auf einen gemeinsamen ökumenischen Text des Apostolischen Glaubensbekenntnisses einigen, da die römisch-katholische Kirche nicht auf die Formulierung „katholische Kirche“ verzichten wollte, während die evangelische Kirche nicht dazu bereit war, diese – theologisch ja eigentlich korrekte – Formulierung in ihrer Fassung zu übernehmen. So muss man sich bei ökumenischen Veranstaltungen bis heute auf eine der beiden konfessionellen Textfassungen verständigen.
Die Sprachgestalt des revidierten Textes des Apostolicums orientiert sich an der Sprache der römisch-katholischen Einheitsübersetzung der Bibel; sie ist schwerfälliger und lässt sich von der Gemeinde schwerer mitsprechen als der alte Text. Dies zeigt sich auch mehr als dreißig Jahre nach der Einführung des revidierten Textes immer noch in der Praxis. Mit dieser Revision geht aber zugleich ein ganzes Stück der „Konsonanz“ zwischen dem Text des Glaubensbekenntnisses und dem Text der Lutherbibel verloren; dass das Apostolicum in seiner Sprachgestalt vom biblischen Text geprägt ist, wird für diejenigen, denen der Luthertext der Heiligen Schrift vertraut ist, in der revidierten Fassung weniger klar erkennbar.
Die Revision des Textes des Apostolicums enthält jedoch vor allem eine Reihe schwerwiegender inhaltlicher Veränderungen, die beim ersten Lesen vielleicht erst einmal gar nicht auffallen mögen. Es seien hier nur einige Veränderungen genannt, die besonders problematisch sind:

1. In dem revidierten Text wird von Christus gesagt, er sei „empfangen durch den Heiligen Geist“. Dies ist eindeutig eine falsche Übersetzung des lateinischen „conceptus de spiritu sancto“: Dies heißt ganz klar: empfangen vom Heiligen Geist. In dem revidierten Text wird der Heilige Geist nicht mehr als handelnde Person, sondern nur noch als Mittel und Instrument dargestellt. Diese Reduktion wird dem biblischen Textbefund in Matthäus 1,20 und Lukas 1,35 jedoch in keiner Weise gerecht – abgesehen davon, dass der revidierte Text den lateinischen Urtext schlicht und einfach falsch übersetzt: „de“ heißt nicht „durch“. Dass wir diese falsche Übersetzung des „de“ leider auch in dem bei uns im Gottesdienst verwendeten Text des Nizänischen Glaubensbekenntnisses finden, darf natürlich kein Argument sein, diesen Fehler nun auch noch in das Apostolische Glaubensbekenntnis hineinzunehmen – wobei im Nizänischen Glaubensbekenntnis wenigstens im Dritten Teil sehr deutlich davon die Rede ist, dass der Heilige Geist selber eine handelnde Person ist, sodass hier die falsche Übersetzung wenigstens teilweise richtiggestellt wird.

2. In dem revidierten Text wird formuliert, Christus sei „hinabgestiegen in das Reich des Todes“, während es in der ursprünglichen Textfassung heißt: „niedergefahren zur Hölle“. Problematisch ist an dieser neuen Formulierung, dass hier ein Begriff aus der heidnischen Mythologie („Reich des Todes“), der keinerlei Anhaltspunkt am neutestamentlichen Sprachgebrauch hat (die Formulierung unserer heutigen Lutherbibel in Offenbarung 20,14 ist eine Verfälschung der ursprünglichen, sprachlich korrekten Übersetzung Luthers: „der Tod und die Hölle“), ohne Not in ein christliches Bekenntnis eingebracht wird. Gewiss lässt sich nicht leugnen, dass im alttestamentlichen Sprachgebrauch unterschiedslos, von wenigen Ausnahmen abgesehen, alle Menschen nach ihrem Tod in die „Scheol“ kommen, den Aufenthaltsort der Toten. Im Neuen Testament verändert sich der Sprachgebrauch jedoch ganz entscheidend: Hier wird das griechische Wort „Hades“ als Wiedergabe des hebräischen „Scheol“, von alttestamentlichen Zitaten abgesehen, immer wieder im Sinne von „Hölle“ gebraucht; von einem neutralen Aufenthaltsort nach dem Tod ist im Neuen Testament nicht mehr die Rede. Dies gilt auch für die biblischen Belegstellen für die Lehre von der Höllenfahrt Christi: 1. Petrus 3,18-20; Kolosser 2,15; Epheser 4,9+10. Die letztgenannte Stelle ist im Übrigen auch ein guter Beleg für die Konsonanz von Luthertext und ursprünglichem Apostolicumstext sowie für die Konsonanz innerhalb des Textes des Apostolicums selber: Dem „aufgefahren“ entspricht – auch im lateinischen Text – zuvor das „niedergefahren“. In dem revidierten Text kommt im Übrigen auch eine konfessionelle Verschiebung zum Ausdruck: Während die lutherische Kirche gemeinsam mit der orthodoxen Kirche die Höllenfahrt Christi bereits als Beginn seiner Erhöhung, als Ausdruck seines Ostersieges über Tod und Teufel versteht (die klassische orthodoxe Osterikone ist eine Höllenfahrtsikone!), versteht die reformierte Kirche die Höllenfahrt Christi als Ausdruck seiner tiefsten Erniedrigung. Genau dies wird nun auch mit den Worten „hinabgestiegen in das Reich des Todes“ deutlicher zum Ausdruck gebracht. Die biblischen Belege scheinen hingegen sehr viel stärker die Höllenfahrt Christi als Siegeshandeln zu beschreiben, wie es die lutherische Kirche tut und wie es in der alten Textfassung des Apostolicums auch deutlicher zur Sprache kommt. Dass es heute nicht mehr opportun erscheint, von der Hölle zu reden, ist bekannt. Dass die ALT die Hölle darum aus dem Glaubensbekenntnis entfernt hat, ist unter diesem Aspekt nachvollziehbar – aber gerade darum erst recht fatal. Doch das ändert nichts daran, dass die Heilige Schrift nun einmal sehr deutlich von der Hölle redet. Und das Erstaunliche ist: Gerade da, wo die Kirche sich nicht mehr traut, von der Hölle zu reden, ist in unserem alltäglichen Sprachgebrauch umso mehr von der Hölle die Rede. Dass die Höllenfahrt Christi eine Antwort auf die vielen Höllenerfahrungen der Menschen hier auf Erden darstellt, lässt sich mit dem revidierten Text nicht mehr zum Ausdruck bringen. Und zu dem revidierten Text passt es dann ja auch nicht mehr, was wir an jedem Osterfest so fröhlich singen: „Er hat zerstört der Höllen Pfort und all die Sein’ herausgeführt und uns erlöst vom ewgen Tod.“ (ELKG 82,3)

3. In der revidierten Textfassung wird statt „aufgefahren gen Himmel“ formuliert: „aufgefahren in den Himmel“. Begründet wurde dies damit, dass die Präposition „gen“ heute nicht mehr gebräuchlich sei. Dies ist jedoch, wie ein aufmerksamer Zeitungsleser bald bemerken wird, ein Irrtum. Vor allem jedoch kommt auch in diesem Präpositionswechsel wieder eine konfessionelle Vorentscheidung zum Ausdruck: Für die reformierte Theologie Calvins war die Lehre von der Himmelfahrt Christi eine entscheidende Begründung dafür, dass Christus mit seinem Leib und Blut nicht im Brot und Wein des Heiligen Altarsakraments gegenwärtig sein könne: Er ist ja „in den Himmel“ gefahren, und nun sitzt er dort oben und kann von dort nicht mehr leibhaftig zu uns kommen. Im Gegenteil müssen wir uns mit unserer Seele bei der Feier des Heiligen Abendmahls in den Himmel schwingen, um dort Christus zu empfangen. Dagegen vertrat die lutherische Kirche schon im 16. Jahrhundert ein sehr viel moderneres – und zugleich biblischeres – Verständnis von Himmel: Der Himmel ist gerade nicht ein lokal umgrenzter Aufenthaltsraum, der womöglich auch noch Christus als eine Art von „Gefängnis“ dient, aus dem er nun nicht mehr herauskommen kann. Sondern umgekehrt ist der Himmel überall da, wo Christus ist, der seinerseits nicht an Raum und Zeit gebunden ist. Von daher ist der Himmel für uns gerade im Heiligen Abendmahl zu finden: Wenn Christus im Brot und Wein des Heiligen Mahles mit seinem Leib und Blut gegenwärtig ist, dann müssen wir unsere Seele eben nicht mehr vom Altar weg in den Himmel schwingen, sondern dann haben wir hier auf Erden schon teil am Himmel. Von daher ist es sehr viel angemessener zu formulieren, dass Christus „gen“ Himmel aufgefahren ist als „in den Himmel“; das „gen“ entspricht auch besser dem lateinischen „ad“. Außerdem entspricht das „gen“ auch der Formulierung der Lutherbibel in Lukas 24,51 und Apostelgeschichte 1,11.
Schließlich noch eine Nachbemerkung zum „Himmel“: Der revidierte Text des Apostolicums bezeichnet Gott als den Schöpfer „des Himmels und der Erde“. Das klingt scheinbar „korrekter“; in Wirklichkeit wird mit dem Gebrauch des doppelten Artikel jedoch verdunkelt, dass „Himmel und Erde“ nach hebräischer Redeweise eine Umschreibung für das All sind und nicht zwei einzelne „Teile“ darstellen, wie dies heutzutage etwa auch die Zeugen Jehovas mit ihren merkwürdigen Jenseitsvorstellungen missverstehen. Martin Luther hat dieses Verständnis von „Himmel und Erde“ im Sinne des gesamten Alls in seiner Übersetzung von 1. Mose 1,1 und Psalm 124,8 genial erfasst, indem er den Artikel vor „Himmel und Erde“ bewusst weggelassen hat. Dabei konnte er sogar schon so modern sein zu behaupten, dass eben auch die Gestirne „Erden“ seien! Auch dieser Bezug auf den Luthertext mit seiner großartigen Erfassung des Hebräischen geht im revidierten Text des Apostolicums verloren – gewiss eine Kleinigkeit, aber eben doch auch keine ganz unwichtige!

4. Der lateinische Ausdruck „communio sanctorum“ lässt sich nur schwer wiedergeben. Er bezeichnet die gemeinsame Anteilhabe an den heiligen Gaben, also das Heilige Abendmahl. Am ehesten ließe er sich noch mit der Formulierung „Gemeinschaft am Heiligen“ wiedergeben. An diesem Punkt sind beide Texte des Apostolicums schwach: Die Formulierung „Gemeinde der Heiligen“ lässt im heutigen Sprachgebrauch an die Kirchengemeinde vor Ort denken und legt das Missverständnis nahe, als würde sich hier die gottesdienstliche Gemeinde als eine Gruppierung von sündlosen Menschen charakterisieren. Andererseits hat sich schon Martin Luther selber gegen die Wiedergabe von „communio“ mit „Gemeinschaft“ gewendet. Mit diesem Wort wird etwas Konkretes abstrahiert; in unserem heutigen Sprachgebrauch hat das Wort „Gemeinschaft“ oft die Nebenbedeutung eines bestimmten Gefühls oder einer bestimmten Erfahrung. Beides ist jedoch im Glaubensbekenntnis selber nicht gemeint, sondern die von allem Gefühl und aller Erfahrung unabhängige Teilhabe am Leib und Blut des Herrn. Martin Luther schreibt dazu in seinem Großen Katechismus: Es „ist auch übel und unverständlich verdeutscht: ‚eine Gemeinschaft der Heiligen’. Wenn man’s deutlich geben sollte, müsste man’s auf deutsche Art ganz anders reden. … Darum sollte es auf recht Deutsch und unserer Muttersprache heißen ‚eine christliche Gemeine oder Sammlung’“.

5. Sprachlich-philologisch unhaltbar ist schließlich auch die „Übersetzung“ der lateinischen Formulierung „carnis resurrectio“ mit „Auferstehung der Toten“. Das lateinische Wort „caro“ heißt nicht „Tote“, sondern „Fleisch“ – nicht im Sinne des Fleisches, das man in der Metzgerei kaufen kann, sondern im Sinne der leiblich-körperlichen Dimension des von Gott geschaffenen Menschen. Es mag sein, dass die ALT mit der Ersetzung des Wortes „Fleisch“ Missverständnissen dieses Wortes wehren wollte. Doch dies rechtfertigt in keiner Weise, dass man sich völlig willkürlich so weit von dem verbindlichen Urtext entfernt, wie dies in der revidierten Fassung des Apostolicums geschieht. Dies lässt sich auch nicht mit dem Verweis auf die Formulierung des Nicänums begründen, wo von der „Auferstehung der Toten“ die Rede ist. Die Formulierung „Auferstehung der Toten“ ist ja nicht falsch; aber sie steht nun mal im Apostolicum ursprünglich so nicht da. Hier hat man nicht zufällig ein anderes Wort verwendet. Denn mit dieser sehr starken Formulierung „Auferstehung des Fleisches“ wandte sich schon die alte Kirche gegen damals weit verbreitete Vorstellungen, wonach der Mensch nach seinem Tod „irgendwie geistig“ oder als „Seele“ weiterlebt. Demgegenüber verwies man mit der Formulierung der „Auferstehung des Fleisches“ auf die Verbindung der leibhaften Auferstehung Jesu mit unserer leibhaften Auferstehung: Christus selber sagt von seinem Auferstehungsleib, er sei „Fleisch“ (Lukas 24,39), und durch die Anteilhabe an diesem „Fleisch“ werden eben auch wir einmal leibhaft auferstehen (Johannes 6,54). Dass man in unserer heutigen Zeit, in der esoterische Vorstellungen von einem bloß „geistigen Weiterleben“ nach dem Tod weit verbreitet sind, die Betonung der Leiblichkeit der Auferstehung in dieser Weise preisgibt, wie dies in der revidierten Fassung des Apostolicums geschieht, ist schwerlich nachvollziehbar. Unsere christliche Hoffnung ist eben etwas ganz anderes als eine bloße Variante der gemeinmenschlichen Hoffnung, dass mit dem Tod nicht einfach alles aus ist; sie gründet allein in der leiblichen Auferstehung Jesu am Ostermorgen und ist von daher nicht logisch und einsichtig, sondern zutiefst anstößig. Doch genau dieser Anstoß ist in der revidierten Fassung des Apostolicums beseitigt. Abgesehen davon wird mit dem Verzicht auf das „Fleisch“ auch die Dimension der Neuschöpfung abgeschwächt: „Fleisch“ meint in der Bibel eben nicht nur die Leiber der Menschen, wie zum Beispiel 1. Mose 7,21 zeigt.

Fassen wir von daher den Befund zusammen, so lässt sich feststellen:

1. Sollte unsere SELK den revidierten Text des Apostolicums übernehmen, so würde sie damit keinen „ökumenischen Text“ übernehmen, sondern sich einfach der Sprachgestalt des Glaubensbekenntnisses in der unierten Evangelischen Kirche Deutschlands anpassen. Ob man eine solche Anpassung als „ökumenisch“ bezeichnen kann, wage ich zu bezweifeln.

2. Sollte unsere SELK den revidierten Text des Apostolicums übernehmen, würde sie sich damit von dem Zusammenstimmen des Textes der Lutherbibel mit dem Text des Glaubensbekenntnisses ein ganzes Stück entfernen.

3. Sollte unsere SELK den revidierten Text des Apostolicums übernehmen, würde sie damit einen Text in ihren Gottesdiensten verwenden, der an einigen wichtigen Punkten keine Übersetzung des ursprünglichen und in unserer Kirche verbindlichen Wortlauts darstellt, sondern in einer philologisch völlig unhaltbaren Weise von ihm abweicht. Man muss in diesem Zusammenhang sehr ernsthaft fragen, ob eine lutherische Kirche, die sich ausdrücklich an die lutherischen Bekenntnisschriften gebunden hat, überhaupt dazu berechtigt ist, sich in dieser Weise von dem Text, der ihr vorgegeben ist, willkürlich zu entfernen.

4. Sollte unsere SELK den revidierten Text des Apostolicums übernehmen, würde sie damit einen Text verwenden, der gleich an mehreren Punkten den gemeinten Sachverhalt schwächer und unklarer wiedergibt, als dies in der bisher in unserer Kirche üblichen Textgestalt der Fall war. Dies gibt auch die Theologische Kommission unserer SELK, die sich mit der Frage des revidierten Textes der Glaubensbekenntnisse befasst hat, in ihrem Votum zu diesem Thema offen zu und erklärt, „dass die alte Fassung bestimmte theologische Aussagen in größerer Klarheit zur Geltung bringt (…) oder bestimmte theologische Sachverhalte deutlicher zuspitzt.“ Dennoch plädiert die Mehrheit der Theologischen Kommission am Ende für eine Verwendung des revidierten Textes mit dem mehr als fragwürdigen Argument, der revidierte Text enthalte „keine explizite Irrlehre“. Das heißt: Man kann den revidierten Text des Apostolicums zwar falsch verstehen, muss es aber nicht. Wir können uns, wenn wir den Text verwenden, dabei ja das Richtige denken.
Doch so kann und darf man mit Bekenntnistexten eben nicht umgehen. Bekenntnistexte sollten stets so klar und eindeutig wie möglich formuliert sein; dies ergibt sich eigentlich von selbst angesichts ihrer Funktion als Taufbekenntnis, als Lehrbekenntnis, als Lobpreis Gottes und als Grenzziehung gegenüber der Irrlehre. Es ist gerade nicht „ökumenisch“, einen Text gemeinsam zu sprechen, bei dem die Beteiligten bei dem, was sie sagen, möglicherweise jeweils etwas Unterschiedliches meinen. Dieser Umgang mit dem Bekenntnis erinnert sonst allzu sehr an die nur scheinbar „salomonische Lösung“, mit der im 19. Jahrhundert gemeinsame Abendmahlsfeiern von lutherischen und reformierten Christen in der preußischen unierten Staatskirche ermöglicht werden sollten: Als Spendeformel sollten die „biblischen Worte“ verwendet werden: „Christus spricht: Das ist mein Leib“. Und jeder, der zum Altar kam, konnte sich dann darunter vorstellen, was er glaubte: Ob Christus diese Worte wirklich so meinte, wie er dies sagte, oder ob sie doch nur bildlich-symbolisch zu verstehen seien. Auch diese Spendeformel „Christus spricht: Das ist mein Leib“ enthielt „keine explizite Irrlehre“; und doch feierten lutherische Christen in Preußen lieber heimlich ihre Gottesdienste in Wäldern und Scheunen und ließen sich schikanieren und verhaften, als sich unter dem Vorzeichen einer Verschleierung des klaren Bekenntnisses an „ökumenischen Sakramentsfeiern“ zu beteiligen.

5. Sollte unsere SELK den revidierten Text des Apostolicums übernehmen, so würde dies faktisch dazu führen, dass es in den Gemeinden unserer Kirche künftig zwei verschiedene Fassungen des Glaubensbekenntnisses geben würde. Schon jetzt ist deutlich zu erkennen, dass viele Gemeinden unserer Kirche den revidierten Text des Apostolicums selbst dann nicht in ihren Gottesdiensten einführen würden, wenn er von der Kirchensynode beschlossen würde. Damit würden wir das gemeinsame Bekennen innerhalb der eigenen Kirche preisgeben zugunsten einer Anpassung an die evangelische Landeskirche. Selbst wenn es all die anderen Argumente, die gegen die Übernahme des revidierten Textes des Glaubensbekenntnisses nicht gäbe, so wäre schon allein dies für mich ein zu hoher Preis, den wir für die Einführung des veränderten Glaubensbekenntnisses zahlen müssten.
In den evangelischen Landeskirchen wurde der revidierte Text des Apostolicums in den 70er Jahren trotz zahlreicher energischer Proteste letztlich ohne große theologische Diskussion sehr schnell eingeführt. Ähnlich verhielt es sich in der römisch-katholischen Kirche in der Aufbruchstimmung jener Jahre, wobei man sich hierbei zugleich auf das Argument zurückzog, dass letztlich ohnehin nur der lateinische Text der verbindliche bleibe. Unsere Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche tut hingegen gut daran, sich mit den Texten theologisch auseinanderzusetzen und nicht theologische Bedenken mit dem Verweis auf scheinbare praktische Vorteile beiseite zu wischen. Schließlich geht es im Bekenntnis um nicht weniger als um unser Heil!