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7. Das Kirchenjahr (Teil3)

7. Das Kirchenjahr (Teil3)
Die Festlegung des Beginns des bürgerlichen Jahres auf den 1. Januar erfolgte in Deutschland endgültig erst im Jahr 1776. Gefeiert wurde der 1. Januar als kirchlicher Feiertag jedoch schon sehr viel länger: Er ist der Tag der Beschneidung und Namengebung Jesu, der Tag, an dem der Sohn Gottes beginnt, die Forderungen des Gesetzes zu erfüllen, und zum ersten Mal sein Blut auf dieser Erde vergießt. Daran erinnert das Evangelium des Tages, St. Lukas 2,21, das kürzeste Evangelium des Kirchenjahrs. Mit der Festlegung des Jahreswechsels zum 1. Januar wurde dieser bald auch gottesdienstlich begangen; dabei kam der Gedenktag des nicht sonderlich bedeutenden römischen Papstes Silvester zu ganz neuen, unerwarteten Ehren. Grundsätzlich tut die Kirche gut daran, sich in der Gestaltung des Kirchenjahres am biblischen Heilsgeschehen und nicht an mehr oder weniger zufälligen weltlichen Anlässen zu orientieren. Andererseits ist es durchaus sinnvoll, daß die Kirche mit einem Gottesdienst am „Altjahrsabend“ daran erinnert, wer der Herr der Zeit ist, wem wir das, was wir erlebt haben, verdanken, und vor wem wir uns mit unserem Leben zu verantworten haben.Das Epiphaniasfest am 6. Januar gehört zu den ältesten christlichen Festen überhaupt. Es fällt heute bei uns in Deutschland und in der gesamten westlichen Kirche mit der Feier des Weihnachtsfestes in der russisch-orthodoxen Kirche zusammen, da diese sich bei der Festsetzung ihrer Feiertage immer noch an dem ungenaueren julianischen Kalender orientiert und somit mittlerweile 12 Tage hinter unserem exakteren Kalender „hinterherhinkt“. „Epiphanias“ heißt auf Deutsch „Erscheinung“; gemeint ist die Erscheinung der Herrlichkeit Gottes in Jesus Christus: „Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit.“ (St. Johannes 1,14) Als Evangelium dieses Tages setzte sich bald der Bericht von der Huldigung des neugeborenen Kindes durch die Weisen aus dem Morgenland (St. Matthäus 2,1-12) durch, was dem Fest den volkstümlichen Namen „Heilige Drei Könige“ gegeben hat (wobei im Evangelium selber weder von Königen noch von drei Personen die Rede ist!). Das Evangelium beschreibt das Hinzukommen der ersten Heiden, also Nichtjuden, zu Jesus; insofern ist das Thema „Mission“ mit dem Epiphaniasfest in besonderer Weise verbunden. Leider ist das Epiphaniasfest in Berlin und Brandenburg im Unterschied zu anderen Bundesländern kein staatlicher Feiertag und wird somit in seiner Bedeutung oftmals gar nicht recht wahrgenommen. Nach der alten Leseordnung war das Epiphaniasfest der einzige kirchliche Feiertag des Jahres mit zwei Evangelienlesungen nacheinander: Neben den Bericht von den Weisen aus den Morgenland trat das Evangelium von der Taufe Christi (St. Matthäus 3,13-17). Nach der neuen Leseordnung ist die Taufe Christi nunmehr dem 1. Sonntag nach Epiphanias zugeordnet. Da in vielen Gemeinden jedoch das Epiphaniasfest erst am darauffolgenden Sonntag gefeiert wird und damit die Lesungen dieses Sonntags verdrängt, besteht leicht die Gefahr, daß das Fest der Taufe Christi nur noch selten gefeiert wird. Dagegen versucht unsere neue Lutherische Kirchenagende diesen 1. Sonntag nach Epiphanias aufzuwerten, indem sie anregt, ihn ebenfalls als besonderes Christusfest mit der liturgischen Farbe „weiß“ zu feiern. Die Zahl der folgenden Sonntage nach Epiphanias hängt von dem jeweiligen Beginn der Fastenzeit ab: Liegt das Osterfest sehr früh, kann es geschehen, daß auf den 1. Sonntag nach Epiphanias oder gar auf das Epiphaniasfest selber gleich der Letzte Sonntag nach Epiphanias folgt. In anderen Jahren, in denen das Osterfest später im April gefeiert wird, kann es bis zu sechs Sonntagen nach Epiphanias geben. Immer gefeiert wird dabei der Letzte Sonntag nach Epiphanias als Fest der Verklärung Christi mit dem Evangelium aus St. Matthäus 17,1-9. Auch hier geht es wieder um die Erscheinung der Herrlichkeit Christi, die sich als Leitmotiv durch alle Evangelien der Epiphaniassonntage hindurchzieht. Während sich so die Länge der Epiphaniaszeit nach dem Ostertermin und damit nach dem Mondkalender richtet, steht die Länge der Weihnachtsfestzeit immer fest: Sie endet jeweils 40 Tage nach Weihnachten am 2. Februar, dem Tag der Darstellung des HERRN, auch Mariae Reinigung oder Mariae Lichtmeß genannt. An diesem Tag kamen Maria und Joseph mit dem Jesuskind in den Tempel, um das Reinigungsopfer für Maria darzubringen, die nach dem jüdischen Gesetz bis 40 Tage nach ihrer Geburt als kultisch unrein galt, und um Jesus als den erstgeborenen Sohn der Familie von der Verpflichtung des erstgeborenen Sohnes zum Dienst im Tempel freizukaufen. Zwischen dem Letzten Sonntag nach Epiphanias und dem Beginn der Fastenzeit am Aschermittwoch liegen die drei Sonntage der Vorfastenzeit, in denen bereits der Gesang des Halleluja verstummt und die somit bereits auf die folgende Fastenzeit verweisen.An die erste Hälfte des Kirchenjahres, die „Festhälfte“, in der die großen Feste des christlichen Glaubens begangen werden und die vom Ersten Sonntag im Advent bis zum Trinitatisfest reicht, schließt sich die festlose Hälfte des Kirchenjahrs an. In ihr werden die Sonntage einfach als Sonntage „nach Trinitatis“ gezählt. Je nachdem, wie früh oder später Ostern und damit entsprechend auch Trinitatis selber in dem jeweiligen Jahr liegt, umfaßt diese Zeit 22 bis 27 Sonntage. Mit der neuen Leseordnung haben diese Sonntage jeweils eine stärkere thematische Akzentuierung erhalten; so ist zum Beispiel der 6. Sonntag nach Trinitatis in besonderer Weise als Taufsonntag gestaltet. Grundsätzlich läßt sich diese lange festlose Zeit jedoch nicht in erkennbarer Weise gliedern. Einen besonderen Charakter unter den „Sonntagen nach Trinitatis“ hat eigentlich nur der 10. Sonntag nach Trinitatis, der als Gedenktag der Zerstörung Jerusalems und damit zugleich als „Israelsonntag“ begangen wird. Ansonsten fallen in dieser Zeit eher einige datumsmäßig feststehende Festtage auf: Am 24. Juni feiert die Kirche den Tag der Geburt St. Johannes des Täufers, den „Johannistag“, der an den Vorläufer Christi erinnert und zugleich darauf verweist, daß nun das Jahr sich wieder auf Weihnachten zu bewegt. Am 29. September begeht die Kirche den Tag des Erzengels St. Michael und aller heiligen Engel, das Michaelisfest. Dieser Tag wird ebenso wie St. Johannis als Christusfest begangen und gefeiert. In früheren Zeiten wurde mit dem Michaelisfest die Zählung der Sonntage nach Trinitatis durch eine Zählung der Sonntage „nach Michaelis“ abgelöst. Übriggeblieben davon ist noch der 1. Sonntag nach Michaelis, der traditionell in der Kirche als Erntedankfest gefeiert wird. Dieses Fest hat in ländlich geprägten Gemeinden naturgemäß einen größeren Stellenwert als in Stadtgemeinden. Dennoch hat es seinen guten Sinn, einmal im Jahr Gott in besonderer Weise für die Gaben seiner Schöpfung zu danken. Eine besondere Bedeutung in der lutherischen Kirche hat natürlich sodann auch der Reformationstag am 31. Oktober. Er erinnert an die Veröffentlichung der 95 Thesen durch Martin Luther am 31. Oktober 1517 und hat seinen guten Sinn auch heute noch, obwohl wir mittlerweile wissen, daß der berühmte „Thesenanschlag“ Luthers vermutlich nur eine fromme Legende ist und wahrscheinlich in Wirklichkeit niemals stattgefunden hat. Der Reformationstag ist kein Heldengedenktag für Martin Luther, sondern ein Tag, an dem wir Gott danken, daß er selber seine Kirche immer wieder durch sein Wort erneuert und gerade so in alle Wahrheit leitet. Er gehört unmittelbar zusammen mit der Feier des Gedenktags der Heiligen am 1. November, an dem die Kirche Gott für alle Heilige dankt, die uns mit ihrem Leben und ihrem Zeugnis zum Glauben an Christus ermutigt haben und die nun mit der ganzen himmlischen Kirche bereits vor dem Thron Gottes stehen und mit ihrer Fürbitte für die Kirche auf Erden einstehen. Die Zuordnung von Reformationstag und Gedenktag der Heiligen macht deutlich, daß sich die lutherische Kirche nicht als eine abgetrennte „Sonderkirche“ versteht, sondern im Gegenteil bewußt als durch Gottes Wort erneuerte katholische Kirche.Die Zahl der Sonntage nach Trinitatis schwankt in jedem Jahr; fest stehen jedoch jeweils die drei letzten Sonntage des Kirchenjahrs, die sich mit den „letzten Dingen“ (Tod, Auferstehung, Gericht und Ewigkeit) befassen. Sie zielen auf den letzten Sonntag des Kirchenjahrs, den Ewigkeitssonntag, bei dem der Blick der Gemeinde nicht bloß wie bei einem „Totensonntag“ zurückgelenkt wird auf das, was vergangen ist, sondern nach vorne gelenkt wird auf die Freude der Ewigkeit, der wir als Christen entgegenblicken dürfen. Zwischen dem Vorletzten Sonntag des Kirchenjahrs und dem Ewigkeitssonntag liegt der Buß- und Bettag, das letzte Überbleibsel der ursprünglich vier Bußtage des Kirchenjahrs. Auch dieses letzte Überbleibsel ist nun mittlerweile kein staatlicher Feiertag mehr, was nicht zuletzt daran liegt, daß er auch von den Kirchgliedern selber nur noch wenig beachtet wurde. Leider verschwindet damit auch ein ganzes Stück weit das Bewußtsein der Bedeutung des Eintretens der Kirche vor Gott für das ganze Volk und die ganze Gesellschaft in Buße und Fürbitte. Seit dem Mittelalter ist es üblich, die jeweilige Kirchenjahreszeit und die jeweiligen Feste durch bestimmte symbolische Farben, die liturgischen Farben, an der liturgischen Gewandung des Pfarrers und der Bekleidung von Altar und Kanzel darzustellen:Weiß ist die Farbe des Lichtglanzes Gottes und der Herrlichkeit Christi, die Farbe der Freude, der Reinheit und himmlischen Vollkommenheit; es ist die Farbe der Christusfeste (einschließlich St. Johannis, St. Michaelis und der Marienfeste), der Weihnachtsfestzeit bis Epiphanias und dem Fest der Taufe Christi sowie des letzten Sonntags nach Epiphanias, der Osterzeit bis zum Samstag vor Pfingsten, des Trinitatisfestes und des Ewigkeitssonntags. Rot ist die Farbe des Feuers und der Liebe, die Farbe des Heiligen Geistes und des Blutes. Sie wird verwendet zum Pfingstfest, an Apostel- und Märtyrertagen, am Reformationsfest, am Kirchweihfest und bei Gottesdiensten anläßlich von kirchlichen Zusammenkünften. Grün ist die Farbe des Lebens, der wachsenden Saat und der Hoffnung. Sie erinnert daran, daß das zarte Pflänzchen des Glaubens regelmäßig begossen werden muß, auch wenn keine besonderen Festtage anstehen. Grün ist die Farbe der ungeprägten Zeiten: der Sonntage nach Epiphanias und nach Trinitatis und der Vorfastenzeit. Violett ist die Farbe der Buße und der ernsten Besinnung, der Sehnsucht nach Leben. Sie ist die Farbe der Advents- und Fastenzeit sowie der Buß- und Bettage. Schwarz ist eigentlich keine liturgische Farbe, wird aber gerade als Verneinung der Farbe verwendet am Karfreitag, wobei es ihrer Verwendung in der Gewandung des Liturgen entspricht, daß der Altar als solcher ganz unbekleidet bleibt. So kann man schon allein an den liturgischen Farben ein ganzes Stück weit die besondere kirchenjahreszeitliche Prägung des jeweiligen Gottesdienstes erkennen.