Ich glaube, daß ich geschaffen bin.

Ich glaube, daß ich geschaffen bin.

 

1. Diese Welt ist nicht durch Zufall entstanden.
„Was ist der Ursprung dieser Welt?“ „Wie ist die Welt entstanden?“ „Warum ist diese Welt so, wie sie ist?“ Diese Fragen bewegen die Menschen seit alters her. Die Naturwissenschaften versuchen, diese Frage zu beantworten. Dabei müssen sie bei der Methode, die sie benutzen, Gott erst einmal ausklammern. Dagegen ist auch nichts einzuwenden. Interessant ist jedoch, daß in den Erklärungsversuchen der Naturwissenschaften immer wieder ein anderes Erklärungsprinzip an die Stelle Gottes tritt: der Zufall, der für alle Entwicklungen verantwortlich ist, oder, noch unverblümter religiös formuliert: „die Natur“, die angeblich dieses oder jenes so eingerichtet hat. Die Naturwissenschaften stehen vor einer ganzen Reihe von Phänomenen, die sie letztlich nicht erklären können. Das vielleicht beeindruckendste ist die Tatsache, daß die Entstehung einer jeden Zelle eines jeden Lebewesens auf dieser Erde, vom Einzeller in der Antarktis über einen japanischen Kirschbaum und einen Löwen in Afrika bis hin zu einem jeden Menschen, von derselben hochkomplizierten, ja genialen Sprache in den Genen, dem sogenannten genetischen Code, gesteuert wird. Würde man in der Wüste Sahara einen Computer finden, so würde kein Mensch auf die Idee kommen zu meinen, dieser habe sich dort im Laufe von Jahrmillionen wahrscheinlich selbst entwickelt. Die Wahrscheinlichkeit, daß dieser genetische Code sich durch Zufall entwickelt hat, ist jedoch etwas so groß wie die, daß, wenn man eine Druckerei in die Luft sprengt, dabei aus den umherfliegenden Drucklettern ein fertiges Buch entsteht. Problematisch wird es da, wo Naturwissenschaftler die sich selbst gesteckten Grenzen nicht mehr wahrnehmen und aus ihren Hypothesen, die sie innerhalb dieser Grenzen formulieren, eine Ideologie machen. Dies wird besonders deutlich, wenn man es wagt, sachlich begründete Anfragen – und die gibt es zuhauf! – an die Evolutionstheorie zu richten. Die emotionalen Reaktionen, die solche Anfragen beispielsweise bei vielen Biologielehrern hervorrufen, zeigen, daß für sie diese Theorie eben viel mehr ist als bloß eine Theorie: Sie ist für sie die einzige Alternative, um sich nicht dem Anspruch eines Schöpfers auf ihr Leben stellen zu müssen. Als Christen haben wir jedenfalls guten Grund, nicht an „den Zufall“ oder an „die Natur“, sondern an Gott, den Schöpfer, zu glauben, dem diese Welt ihre Existenz verdankt und der auch hinter der universellen Sprache des Lebens steht.


2. Ich glaube, daß ich geschaffen bin.
Der christliche Glaube braucht die Diskussion um die Entstehung der Welt und des Lebens nicht zu scheuen. Dennoch begnügt er sich nicht damit, Aussagen über die Schöpfung am Anfang dieser Welt zu machen. Sein Ziel erreicht der Glaube an Gott den Schöpfer erst da, wo wir mit dem Kleinen Katechismus Dr. Martin Luthers bekennen: „Ich glaube, daß mich Gott geschaffen hat samt allen Kreaturen“. Natürlich sind wir aufgeklärte Menschen und wissen, daß wir weder vom Himmel gefallen noch vom Klapperstorch gebracht worden sind. Doch dieses Wissen widerspricht nicht dem Glauben, daß jeder einzelne von uns sagen kann, daß er persönlich von Gott so geschaffen worden ist, wie er ist. Gott gebraucht da, wo er mit uns Menschen umgeht, immer wieder „Mittel“. Dies gilt nicht nur da, wo er uns in der Kirche sein Heil schenkt; dies gilt auch in der Schöpfung: Durch unsere Eltern hat Gott uns so gemacht, wie wir sind. Alle Fähigkeiten, die wir besitzen, verdanken wir Gott, und auch alle Grenzen, die wir haben, haben in Gottes Augen ihren guten Sinn. Behinderte und nicht behinderte Menschen, geistig eingeschränkte Menschen und Genies sind alle in der gleichen Weise gute Geschöpfe Gottes. Geschaffen hat Gott uns Menschen als sein Gegenüber, als sein „Ebenbild“, wie es die Heilige Schrift formuliert. Darum erfüllen wir unsere letzte Bestimmung als Menschen nur da, wo wir uns unserem Schöpfer zuwenden, ihn loben und ihm danken für seine Schöpfergüte und von ihm alles in unserem Leben erwarten.


3. Gottes Schöpfung ist gut.
Es gibt Religionen, die alles Materielle, Irdische als negativ werten und die Erlösung des Menschen darin sehen, daß sie sich von allem Irdischen, Materiellen freimachen und der reinen, gottähnlichen Seele helfen, dem Gefängnis des Leibes zu entkommen. Dieses Verständnis teilt der christliche Glaube nicht. Trotz aller in den Medien immer wieder auftauchender Klischees von der angeblichen „Leibfeindlichkeit“ des christlichen Glaubens sieht dieser im Gegenteil unsere Leiblichkeit und unsere Geschöpflichkeit als etwas ausgesprochen Positives. Weil Gott unseren Leib geschaffen hat, darum ist er gut, darum ist beispielsweise auch unsere Sexualität eine gute Gabe Gottes. Weil Gottes Schöpfung etwas Gutes ist, darum ist der Sohn Gottes auch selber ganz Mensch geworden, mit einem menschlichen Leib, und darum wird uns auch das Heil in der Kirche durch die Sakramente leiblich und nicht bloß geistig vermittelt, sondern unter Einbeziehung unseres Körpers. Der Körper ist nicht ein beliebig austauschbares Gefäß der Seele, die sich dann nach dem Tod des Körpers einfach das nächste Gefäß sucht, sondern Leib und Seele bilden eine untrennbare Einheit: Wir sind das, was wir sind, nur mit Leib und Seele, könnten ohne unseren Leib auch gar nicht miteinander kommunizieren. Entsprechend feiern wir auch zu Ostern die leibliche Auferstehung unseres Herrn und warten darauf, daß auch wir einmal mit einem neuen Leib für immer mit Christus leben werden.

Weil wir als Christen wissen, daß auch unsere „Umwelt“ in Wirklichkeit Gottes gute Schöpfung ist, darum ist es unser Auftrag, mit dieser Umwelt auch sorgsam und verantwortungsvoll umzugehen. Wir sollen uns immer wieder daran erinnern, daß Gott uns die Schöpfung anvertraut hat und wir über unseren Umgang mit ihr einmal vor ihm werden Rechenschaft ablegen müssen. Wenn wir uns als Christen für einen sorgsamen Umgang mit unserer Umwelt einsetzen, tun wir dies nicht, weil wir meinen, wir müßten diese Welt durch unseren Einsatz retten. Das können wir nicht und das brauchen wir nicht. Gerade weil wir aber an Gott den Schöpfer und Vollender dieser Welt glauben, können wir uns ohne Panik den drängenden Fragen widmen, wie wir unseren Nachkommen diese Schöpfung in einem Zustand hinterlassen, der auch ihnen ein gutes Leben auf dieser Erde ermöglicht.


4. Weil das menschliche Leben von Gott geschaffen ist, ist es heilig.
„Heilig“ ist ein kirchlicher Fachausdruck und bedeutet so viel wie: „zu Gott gehörend“. Daß das menschliche Leben heilig ist, heißt also: Es gehört Gott allein; kein Mensch hat das Recht dazu, über dieses Leben zu verfügen und es zu beenden. Diese Botschaft von der Heiligkeit des Lebens haben Christen heute besonders deutlich zu vertreten. Wir leben in einer Zeit, in der menschliches Leben immer mehr danach beurteilt wird, ob und inwieweit es „funktioniert“. Ein Mensch, der nicht richtig funktioniert, der nichts mehr oder noch nichts zu leisten vermag, ist dann eigentlich kein richtiger Mensch. Entsprechend haben sich Menschen seit dem letzten Jahrhundert in unvorstellbarem Ausmaß angemaßt, selber zu entscheiden, welches menschliche Leben „lebenswert“ und welches Leben „lebensunwert“ ist. Behinderte Menschen galten und gelten vielfach als „lebensunwert“. Entsprechend wurde ihre Tötung im Dritten Reich angeordnet, müssen sich heute Eltern von behindert geborenen Kindern schon vielfach Vorwürfe anhören, weshalb sie ihr Kind nicht rechtzeitig „weggemacht“ haben und damit nun die Gesellschaft belasten. Schließlich ist es in Deutschland seit 1995 erlaubt, behinderte Kinder selbst noch kurz vor der Geburt zu töten.  Die Auffassung, daß menschliches Leben zum Nutzen für andere Menschen getötet werden darf, setzt sich in unserem Land immer mehr durch. Dies gilt gleichermaßen für die Diskussion um das „sozialverträgliche Frühableben“, um die aktive Sterbehilfe, um die Frage der Zulässigkeit von Abtreibungen bis hin zu der Entscheidung des Bundestages, die Forschung an Stammzellen von Embryonen, die zu diesem Forschungszweck getötet wurden, wenn auch in bestimmten Grenzen, zuzulassen.

Gregor Gysi hat sehr recht, wenn er in letzter Zeit wiederholt betont hat, daß es ohne den Glauben an Gott letztlich keine verbindliche Begründung von Werten in der Gesellschaft geben kann. Gerade darum ist es eine besondere Aufgabe für uns Christen, aller „Verzweckung“ menschlichen Lebens entgegenzutreten mit dem Bekenntnis zu Gott dem Schöpfer, der allein dem menschlichen Leben seine unverwechselbare Würde verleiht und dem allein die Verfügungsgewalt über unser menschliches Leben gebührt.