24.12.2014 | St. Matthäus 1,18-25 | Heilige Christnacht
Pfr. Dr. Gottfried Martens

Mit hochroten Köpfen saßen sich der Mann und die Frau in der Talkshow bei Britt mittags um eins gegenüber: Die Frau war schwanger, der Mann bezweifelte, dass das Kind von ihm sei. Mit dramatischer Musik untermalt wurde dann schließlich das Ergebnis des Vaterschaftstests verkündet, wobei man sich eigentlich schon vorher ausrechnen konnte, dass aus dieser Beziehung wohl nicht mehr viel werden würde: War das Kind nicht von ihm, würde der Mann die Frau verlassen; war das Kind doch von ihm, war die Frau geneigt, den Mann sitzen zu lassen, der ihr so wenig vertraut hatte.

Solch eine ähnliche Geschichte wird uns scheinbar auch im Heiligen Evangelium dieser Christnacht erzählt: Da erfährt ein Mann, dass seine Verlobte schwanger ist – und eines ist ihm klar: Das Kind ist nicht von ihm. Denn da er mit ihr noch nicht verheiratet war, hatte er mit ihr auch noch nicht geschlafen; so einfach war das, ja, so ernst nahm man die Ehe damals nicht ohne Grund. Aber nun war es irgendwie doch passiert: Die Verlobte war schwanger, und für den Verlobten ist klar: Ich muss diese Frau verlassen; die hat einen anderen. Allerdings ist dieser Mann hochanständig: Er lässt die Frau ja nicht einfach sitzen, weil sein Ego gekränkt ist, sondern er will sie dem neuen Liebhaber überlassen, ohne dabei ihr Leben zu riskieren. Denn wenn das herausgekommen wäre, dass die Frau den Verlobten nach der Verlobung betrogen hätte, hätte das für sie die Steinigung bedeutet. Also ist der Mann dazu bereit, sich selber in ein schlechtes Licht zu rücken, den Eindruck zu erwecken, er würde die Frau sitzen lassen, nur um das Leben der Frau zu schonen. Doch schließlich entscheidet er sich doch dafür, bei der Frau zu bleiben und das Kind, das nicht von ihm ist, als sein Kind zu adoptieren. Eine Patchwork-Familie gleich am Anfang des Neuen Testaments.

Talk bei Britt um eins – nur auf etwas höherem Niveau? O nein, damit hätten wir überhaupt nicht erfasst, worum es hier bei St. Matthäus in Wirklichkeit geht: Nicht um ein Beziehungsdrama mit glücklichem Ausgang, sondern um ein unfassliches, einmaliges Geschehen: Gott selbst greift in diese Welt ein und bringt damit unsere menschliche Logik durcheinander, all das, was uns unumstößlich erscheint.

Josef wird hier in dieser Geschichte damit konfrontiert, dass Gott sich seinen Weg in diese Welt bahnt, indem er Maria vom Heiligen Geist schwanger werden lässt. Was für ein Unsinn, werden die meisten Menschen in unserem Land heutzutage einwenden. Das weiß doch schon jeder 10jährige, das weiß doch jeder Zuschauer von Britts Talkshow, dass eine Frau ohne einen Mann nicht schwanger werden kann! Und so machen es die meisten Menschen bei uns so ähnlich, wie es Josef damals auch machen wollte: Sie wenden sich ab von Maria und dem Kind, wollen von solch einer Geschichte nichts wissen. Ja, anständig wollen sie ein; aber dass Gott direkt in diese Welt, direkt in unser Leben eingreift – das geht ihnen dann doch zu weit. Einmal im Jahr am Heiligen Abend lässt man sich die Lieder von der Jungfrau Maria vielleicht noch ganz gerne gefallen; da will man ja auch eher was fürs Gefühl und nicht so sehr etwas für den Verstand haben. Aber sobald man nachher draußen die klare Winterluft schnuppert, ist es dann wieder vorbei mit der reinen Magd Maria, die uns das Blümlein bracht. Da lebt man dann doch lieber wieder in einer Welt, in der Gott draußen vorbleibt, in der man sich lieber verlässt auf das, was man selber schafft und verdient.

Doch Josef bleibt bei Maria, verzichtet darauf, sich auf seinen eigenen Ego-Trip zu begeben, ist dazu bereit, auf das Wort des Engels zu hören, dass dieses Kind, das gerade nicht von ihm stammt, sein Retter ist, der Gott mit uns. Und genau dazu will Josef auch uns anleiten und ermutigen, heute in dieser Heiligen Nacht: Traue es Gott zu, dass er in dieser Welt nicht draußen vor bleibt, dass er tatsächlich in diese Welt gekommen ist, in sie eingegriffen hat, und zwar so, dass wir Menschen dabei gar nicht mithelfen mussten! Traue es Gott zu, dass er in diese Welt gekommen ist, um dich zu retten, weil du es nötig hast, von ihm gerettet zu werden, weil du gerade nicht dadurch in den Himmel kommst, dass du dich nett und anständig verhältst, wie der Josef das damals versucht hat. Wenn du dadurch in den Himmel kommen könntest, dass du immer freundlich und hilfsbereit in deinem Leben gewesen bist, dich immer für gute Zwecke engagiert hast und dafür vielleicht auch ordentlich gespendet hast, wenn du dadurch in den Himmel kommen könntest, dass du nie mit der Polizei zu tun hattest und jedenfalls moralisch sehr viel besser dastehst als so viele andere Menschen in diesem Land, ja, wenn du so in den Himmel kommen könntest, dann bräuchten wir heute nicht Weihnachten zu feiern, dann wäre Gottes Kommen in diese Welt überflüssig, wenn du dir selber den Weg in den Himmel bahnen könntest.

Aber du kannst es eben nicht, bist angewiesen auf dieses kleine Kind, dessen Geburt wir in dieser Nacht feiern, bist angewiesen darauf, dass es damals in dem Futtertrog gelegen hat, bist angewiesen darauf, dass dieses Kind sich für dich drei Jahrzehnte später hat ans Kreuz nageln lassen. Ja, du bist angewiesen darauf, dass dieses Kind auch dich rettet von deinen Sünden. Ganz egal ist es dabei, ob dein Leben immer glatt gelaufen ist und du dir selber nichts vorzuwerfen hast, oder ob dein Leben auch von Brüchen gezeichnet ist und du selber genau weißt, dass es da so vieles in deinem Leben gibt, was du selber gar nicht mehr in Ordnung bringen kannst. Ihn, Jesus, den Retter, brauchst du, weil in Gottes Augen das Vertrauen auf den eigenen Anstand nicht weniger Sünde ist als der offene Verstoß gegen eines seiner anderen Gebote.

Und so stehst du heute Nacht genau an dem Punkt, an dem Josef damals auch gestanden hat: Bleibst du bei Maria, bleibst du bei dem Kind, bleibst du bei der Kirche, deren Urbild Maria, die Gottesmutter, ist, bleibst du bei ihm, Jesus, deinem Retter, oder gehst du wieder weg, verlässt du Jesus und mit ihm auch die Kirche, oder nimmst du ihn, Jesus, an, wie damals auch Josef ihn angenommen hat, ihn als seinen Retter benannt hat?

Nein, es geht hier nicht um Talkshow-Unterhaltung. Es geht um dein ewiges Leben, es geht um die wichtigste Entscheidung deines Lebens. Schau darum auf Josef, mach es wie er, bleibe nicht auf dem Ego-Trip, sondern vertraue darauf, dass Gottes Wort dir mehr zu sagen hat als dein eigener Verstand. „Fürchte dich nicht“, sagte der Engel damals zu Josef. Nein, fürchte dich nicht, bei Jesus zu bleiben, dein Leben ihm ganz anzuvertrauen! Du brauchst dein Leben nicht selber gelingen zu lassen. Jesus tut viel mehr für dich: Er wird dich retten, ja auch aus deiner Trennung von Gott, aus dem, was du nicht wieder heil zu machen vermagst, wird dich retten von allen deinen Sünden. Sein Name ist Programm: Jesus, Retter, Heiland. Amen.