24.12.2014 | Jesaja 1,3 | Heiliger Abend (Christvesper)
Pfr. Dr. Gottfried Martens

Nun haben wir eben die Vorführung der Weihnachtsgeschichte durch die Kinder erlebt. Ein Mitwirkender fehlte dabei allerdings, der eigentlich immer seinen festen Platz an der Krippe hat, nämlich der Esel.

Es gibt ja Gemeinden, die so mutig sind, bei ihrem Krippenspiel am Heiligen Abend einen lebendigen Esel einzusetzen. Das macht das Krippenspiel natürlich immer besonders spannend und hat in manchen Fällen auch schon zu einigen Verwüstungen des Kirchraums geführt, wenn der Esel nicht so wollte wie diejenigen, die das Krippenspiel aufführten. Das wollten wir uns dann doch lieber ersparen und haben darum lieber die Variante ohne Esel gewählt.

Dazu kommt ein anderes: In der Weihnachtsgeschichte in der Bibel wird überhaupt kein Esel erwähnt. Es wird nicht berichtet, auf welche Weise Maria und Josef von Nazareth nach Bethlehem gereist sind, ob die schwangere Maria wenigstens solch einen Esel zur Verfügung hatte oder den ganzen Weg über das Gebirge zu Fuß laufen musste. Es gibt ja viele unter uns, die wissen, was das heißt, lange Wege zu Fuß laufen zu müssen, und wie anstrengend das ist. Und es wird in der Bibel auch nicht berichtet, dass damals an der Krippe in Bethlehem ein Esel oder auch ein Ochse gestanden hat.  Wahrscheinlich waren es eher Schafe und Ziegen, die da um das neugeborene Jesusbaby herumliefen und sich wunderten, dass ihr Futtertrog mit einem Mal belegt war.

Und doch ist es gut und biblisch, wenn in den Darstellungen der Geburt Jesu immer auch ein Ochse und ein Esel abgebildet sind. Denn es gibt tatsächlich ein Wort in der Bibel, dass davon spricht, dass Ochs und Esel an einer Krippe stehen: Beim Propheten Jesaja heißt es im ersten Kapitel: „Ein Ochse kennt seinen Herrn und ein Esel die Krippe seines Herrn; aber Israel kennt’s nicht, und mein Volk versteht’s nicht.“

Wenn ich jemanden als „Ochse“ oder als „Esel“ anrede, dann empfindet der das in aller Regel nicht als besonderes Kompliment. Ochsen und Esel gelten bei uns als ziemlich blöde. Aber so blöde sind Ochsen und Esel dann doch auch wieder nicht, dass sie nicht wüssten, wem sie gehören, wer für sie sorgt, ja, wo sie hingehen müssen, damit sie bekommen, was sie zum Leben brauchen.

Doch nun klagt in den Worten des Propheten Jesaja kein Geringerer als Gott selber darüber, dass sich sein eigenes Volk sehr viel blöder anstellt als ein Ochse oder ein Esel: Ausgerechnet sein eigenes Volk kapiert es nicht, wer für es sorgt, wem es eigentlich gehört, ja, wo es hingehen muss, um zu bekommen, was es braucht. Was für ein Wahnsinn! Ach, wenn die Menschen, die zu Gott gehören, doch wenigstens so intelligent wären wie ein Esel!

Und eben darum stehen Ochs und Esel an der Krippe, ja auch an unserer Weihnachtskrippe hier in Bethlehem. Sie sprechen dich ganz direkt an: Wir kennen unseren Herrn, wir sind da, wo unser Herr zu finden ist. Und wie ist es bei dir? Weißt du, dass das kleine Baby, das da in diesem Futtertrog liegt, dein Herr ist? Ja, akzeptierst du das auch, dass dieses Kind der Bestimmer ist in deinem Leben, dass dieser Jesus Christus, der da in dem Futtertrog liegt, die Nummer eins in deinem Leben ist? Ja, denkst du überhaupt an ihn in deinem Leben, wenn du heute Abend wieder hier aus der Kirche gehst, oder spielt er dann in deinem Leben eigentlich gar keine Rolle mehr, ist er nur ein romantisches Beiwerk für einen Abend im Jahr? Denkst du an ihn wenigstens an diesem Abend, oder sind deine Gedanken auch an diesem Abend eigentlich schon ganz woanders, bei der anschließenden Feier, bei den Geschenken, bei der gemütlichen Stimmung? Ist dir eigentlich klar, was dieses Kind in der Krippe in seinem Leben für dich gemacht hat? Auf alles verzichtet hat dieser Jesus Christus aus Liebe zu dir, hat sich für dich schließlich sogar ans Kreuz nageln lassen, nur um dein Herz mit seiner Liebe zu gewinnen, um gerade so der Herr deines Lebens zu werden.

Ja, nimm dir Ochs und Esel als Vorbild! Die wissen, was ihr Herr ihnen Gutes tut – und dabei tut dein Herr dir doch noch viel, viel mehr Gutes als bloß, dass er dir jeden Tag genug zu futtern gibt! Nimm dir Ochs und Esel als Vorbild und komme zur Krippe deines Herrn, dorthin, wo du ihm begegnest, ja wo er dir die Speise schenkt, die du wirklich für dein Leben brauchst: seinen Leib und sein Blut, das Heilmittel für das ewige Leben. Ja, schau auf den Esel, der sich durch nichts und niemanden davon abbringen lässt, dort an der Krippe stehen zu bleiben. Er weiß: Es ist die Krippe seines Herrn. Schau auf den Esel und lerne von ihm: Lass auch du dich durch nichts und niemand davon abbringen, bei deinem Herrn Jesus Christus zu bleiben, seine Krippe, seinen Altar immer wieder aufzusuchen! Laufe nicht von diesem Herrn weg zu anderen Herren, die dein Leben bestimmen, die dir sagen, wofür du Zeit hast und wofür nicht! Lerne von dem Esel eine gute geistliche Sturheit, lass die Leute reden, was sie wollen: Du bleibst bei der Krippe, du bleibst bei deinem Herrn Jesus Christus, du weißt, was er für dich und dein Leben bedeutet, was er für dich getan hat!

Ja, es ist gut, dass der Esel dort an der Krippe steht. Er ist kein romantisches Beiwerk, sondern er hält dir jedes Mal eine Predigt, wenn du auf die Krippe blickst. Hör ihm zu, mach es ihm nach, bleib bei deinem Herrn – dein ganzes Leben lang!

Und weil wir Menschen ja so vergesslich sind und uns so schnell wieder dümmer als ein Esel anstellen, bekommen nun zumindest erst einmal die Kinder gleich alle einen Esel geschenkt, damit sie hoffentlich das ganze kommende Jahr daran denken: Ich will es wie dieser Esel machen und immer wieder zu meinem Herrn kommen. Denn ein Ochse kennt seinen Herrn, und ein Esel die Krippe seines Herrn – ja, ich hoffe, ihr auch! Amen.