07.12.2014 | St. Lukas 21,25-33 | Zweiter Sonntag im Advent
Pfr. Dr. Gottfried Martens

Nun sieht es so aus, dass es hier mit unserer Kirche und der Selbstständigkeit unseres Seelsorgebezirks sehr schnell vorangehen könnte. Im Januar werden wir schon die entscheidende Gemeindeversammlung haben, und bald darauf werden wir dann hoffentlich endlich mit der Sanierung unseres Kirchgebäudes beginnen können, auf die wir nun schon so lange gewartet haben. Ja, nächstes Jahr soll es hier so richtig rund gehen.

Doch ausgerechnet jetzt, wo wir die Nachricht erhalten, dass wir endlich für die Zukunft unseres Kirchgebäudes Vorsorge treffen können, bekommen wir nun zugleich eine zweite Nachricht, dass gar nicht klar ist, wie lange dieses Kirchgebäude überhaupt noch stehen wird. Diese Nachricht betrifft allerdings nicht nur unsere Dreieinigkeitskirche in Steglitz, sie betrifft ebenso die St. Marienkirche in Zehlendorf, sie betrifft die ganze Südendstraße, betrifft ganz Berlin und Brandenburg, ganz Deutschland, ja die ganze Welt: „Himmel und Erde werden vergehen“, so kündigt es uns kein Geringerer als Christus selber im Heiligen Evangelium dieses Tages an. Wenn Himmel und Erde vergehen, dann ist auch unsere Dreieinigkeitskirche nicht mehr da, ganz klar. So stabil ist die nicht, dass die das überstehen würde.

Wann wird das sein? Wir wissen es nicht, keiner von uns weiß es. Ob diese Kirche noch stehen wird, wenn ich in den Ruhestand gehe – wer weiß es? Ja, wer weiß, ob ich meinen Ruhestand überhaupt hier noch auf Erden verbringen werde! Wir gehen dem Kommen unseres Herrn Jesus Christus entgegen, und wer Augen und Ohren hat, der nimmt wahr, wie viele Ereignisse in dieser Welt uns an das Kommen unseres Herrn Jesus Christus erinnern, ja, darauf hinweisen. So gewiss wir davon ausgehen dürfen, dass auf das Blühen der Bäume der Sommer folgt, so gewiss dürfen wir davon ausgehen, dass Gottes neue Welt schon vor der Tür steht.

Und doch werden wir uns im nächsten Jahr an die Sanierung der Kirche machen, falls Christus bis dahin uns nicht alle Pläne endgültig aus der Hand genommen hat. Ja, warum sanieren wir eine Kirche im Wissen, dass doch Himmel und Erde vergehen werden? Wozu brauchen wir jetzt noch eine Kirche? Drei Antworten gibt uns Christus, unser Herr, darauf im Heiligen Evangelium dieses Sonntags: Wir brauchen eine Kirche, ein Kirchgebäude,

-    um der Angst der Menschen zu wehren
-    um Gottes Wort den Menschen einzuprägen
-    um das Aufatmen einzuüben

I.
Es ist der Kirche ja immer wieder vorgeworfen worden, sie würde den Menschen Angst machen, um sie auf diese Art und Weise in die Arme der Kirche zu treiben. Und man kann ja auch nicht bestreiten, dass so etwas in der Vergangenheit geschehen ist. Man denke nur an die Zeit Martin Luthers, und auch heute gibt es Gruppierungen, gibt es Sekten wie die Zeugen Jehovas, die mit dieser Masche arbeiten. In noch viel stärkerem Maße geschieht dies im Übrigen in vielen islamischen Ländern, in denen versucht wird, die Menschen mit Angst gefügig zu machen und bei der Religion zu halten.

Doch Jesus sagt: Wenn die Kirche verkündigt, was ich sage, dann ist es genau umgekehrt: Angst macht nicht die Kirche, um Menschen einzuschüchtern, sondern Angst wird den Menschen gemacht, die nicht auf das Kommen Christi warten, ja, so kündigt er an: „Die Menschen werden vergehen vor Furcht und in Erwartung der Dinge, die kommen sollen über die ganze Erde.“ Ängste, Untergangsängste werden bei Menschen mitunter gezielt geschürt, um bestimmte Interessen durchzusetzen: Ängste vor Asylbewerbern, Ängste vor dem Untergang des deutschen Volkes, Ängste vor Wirtschaftskrisen, Ängste vor Katastrophen. Aber zugleich ist es auch verständlich, dass Menschen Angst bekommen, Angst vor dem Untergang ihrer Existenz, Angst vor dem Ende des Lebens, Angst vor Katastrophen, die das ganze Leben auf dieser Welt auslöschen könnten. Jesus kündigt es ganz nüchtern an: „Die Kräfte der Himmel werden ins Wanken kommen.“ Keine schöne Vorstellung, wenn all das, was bisher selbstverständlich festzustehen schien, mit einem Mal sich aufzulösen beginnt. Und doch ist es gerade nicht die Aufgabe der Kirche, nun die Furcht der Menschen vor dem, was da kommt, noch zu verstärken und zu schüren. Die Kirche ist nicht einfach das Megaphon menschlicher Ängste, sondern es ist ihr Auftrag, den Menschen inmitten aller Ängste die frohe Botschaft von dem Kommen des Herrn zu verkündigen. Ja, darum brauchen wir diese Kirche als einen Ort, an dem etwas ganz Anderes verkündigt wird, als was man tagtäglich im Fernsehen sehen oder an den Stammtischen hören kann. Darum brauchen wir diese Kirche als einen Ort, an dem gegen die Angstmacherei angepredigt wird und den Menschen eine Hoffnung verkündigt wird, die gerade nicht von dieser Welt ist. Nein, hier wird keine heile Welt gepredigt, sondern die Aussicht auf Gottes neue Welt, die mitten im Vergehen der alten Welt Gestalt annehmen wird. Menschen, die getrieben sind von Angst und Furcht sollen und dürfen hier zur Ruhe kommen, dürfen hören von ihrem Herrn, der stärker ist als alles, was sie bedrohen mag, dessen Wort auch und gerade da noch Bestand hat, wo alles sonst zu vergehen scheint.

II.
Und damit sind wir schon bei dem zweiten Grund, warum wir diese Kirche brauchen, ganz gleich, wann Himmel und Erde vergehen werden. Wir brauchen sie, damit Menschen Gottes Wort hören, es sich einprägen, es immer besser kennenlernen.

Ja, es ist schon ein atemberaubender Satz, den Jesus hier spricht: „Himmel und Erde werden vergehen; aber meine Worte vergehen nicht.“ Das Wort Christi wird länger Bestand haben als das gesamte Universum, wird nicht im Laufe der Zeit verblassen und seine Kraft verlieren. Das Wort Christi, das du hier und heute in dieser Kirche hörst, das wird in alle Ewigkeit seine Kraft, seine Geltung behalten. Das Wort Christi, das über dir in deiner Heiligen Taufe gesprochen wurde, das wird dann immer noch Bestand haben, wenn von dieser Kirche noch nicht einmal mehr eine Ruine übriggeblieben ist. Das Wort der Vergebung, das dir in der Absolution zugesprochen worden ist, das wird auch dann noch Bestand haben, wenn dein irdisches Leben an sein Ende kommt und dir am Ende Hören und Sehen vergeht. Das Fleisch gewordene Wort Christi, sein Leib und sein Blut, von dir mit deinem Munde empfangen, wird auch dann noch Bestand haben, wenn einmal alle Galaxien und Spiralnebel sich in nichts aufgelöst haben. Ja, auch dann noch wird die Zusage deines Herrn gelten: „Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der hat das ewige Leben, und ich werde ihn am Jüngsten Tage auferwecken.“

Höre darum auf dieses Wort, präge es dir ein! Es verleiht dir Ewigkeit, es hat auch und gerade dann für dein Leben entscheidende Bedeutung, wenn all das andere, was dir im Augenblick in deinem Leben so wichtig erscheinen mag, längst vergangen ist! Übe es immer wieder ein, auf dieses Wort zu hören und es deutlich zu unterscheiden von all den vielen anderen Wörtern, die du sonst hörst und die so überzeugend klingen! Komme darum hierher in dieses Haus, wo du dieses Wort immer besser kennenlernen kannst. Es geht um nicht weniger als um dein Leben!

III.
Und noch einen dritten Zweck erfüllt diese Kirche, ganz gleich, ob nun im sanierten oder nicht sanierten Zustand: Sie hilft dir, das Aufatmen einzuüben.
Ja, immer wieder kommen wir hier in diese Kirche als Menschen mit gebeugtem Gang, als Menschen, die so viel schwere Lasten mit sich herumschleppen, die eigentlich nur noch nach unten sehen können, weil sie gar nicht mehr damit rechnen, dass da noch etwas vor ihnen liegt, für das es sich lohnt, aufzublicken, nach vorne zu blicken. Wir kommen hierher als Menschen, die wissen, dass sie vor allem auch Gott selber nicht anblicken können, dass sie vergehen müssten vor seiner Heiligkeit angesichts all dessen, womit sie Gottes Anspruch in seinen Geboten nicht gerecht geworden sind.

Doch hier in der Kirche wird uns nun zugerufen: „Die Herzen in die Höhe!“ Blickt nach vorne, dem Herrn entgegen, der jetzt bei euch Einzug hält unter den Gestalten von Brot und Wein im Heiligen Mahl. Blickt nach vorne, dem Herrn entgegen, der nun gleich wieder die ganze Last eurer Sünde und Schuld von euch nehmen will, der euch eine Zukunft, eine ewige Zukunft schenken will, der euch aufatmen lassen will mitten in dem Unheil eures täglichen Lebens!

Ja, Woche für Woche dürfen wir so dieses Aufatmen einüben, dürfen wir unseren Blick immer wieder korrigieren lassen von unten nach oben, dürfen einüben, uns mit unserem Leben ganz auszurichten auf ihn, Christus, den kommenden Herrn. Und das ist die allerbeste und wichtigste Vorbereitung auf den Tag, an dem er, der wiederkommende Herr, tatsächlich dann sichtbar erscheinen wird. Während so viele Menschen nur gebannt auf all das Schreckliche schauen werden, was in dieser Welt geschieht, während so viele Menschen vor Furcht vergehen werden, werden wir an diesem Tag genau dasselbe tun, was wir Sonntag für Sonntag eingeübt haben: „Wenn aber dieses anfängt zu geschehen, dann seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht!“ Nicht Schrecken, nicht Dunkelheit, nicht Chaos stehen am Ende unseres Lebens, am Ende unserer Welt. Sondern am Ende wird sich unsere Erlösung nahen, unser Erlöser, unser Herr und Retter Jesus Christus.

Üben wir es darum gerade jetzt in der Adventszeit ein, unsere Köpfe zu erheben, nach oben, nach vorne zu blicken, voller Freude auf Christus zu warten, seinem Kommen entgegenzuschauen! Ja, wäre das schön, wenn wir mit der Sanierung dieser Kirche vor dem Kommen des Herrn gar nicht mehr fertig würden! Doch so lange es noch nicht so ist, lasst uns hier in dieser Kirche weiter zusammenkommen und fröhlich unserer Zukunft entgegenblicken – mit erhobenem Haupt! Amen.