26.11.2014 | Offenbarung 21,10-11.22-27 | Mittwoch nach dem Ewigkeitssonntag
Pfr. Dr. Gottfried Martens

In früheren Jahren bin ich gerne mal in den Urlaub gefahren in wärmere Länder mit schönen Hotels, die ich mir vorher aus schönen Katalogen aus dem Reisebüro herausgesucht habe. Das kann ich mir alles jetzt aus verschiedenen Gründen nicht mehr so leisten. Aber ich erinnere mich noch gut daran, wie ich in früheren Jahren in den Wochen vor dem Urlaub, wenn ich schon ziemlich urlaubsreif war und auf dem Zahnfleisch kroch, nachts manchmal in diesen Katalogen geblättert habe und mir das Hotel angeschaut habe, in dem ich bald darauf liegen und entspannen würde. Schöne Bilder mit strahlender Sonne, einem schönen Pool und einem traumhaften Blick aufs Meer. Das tat richtig gut, diese Bilder zu betrachten; das half mir, die Zeit bis zum Urlaub durchzuhalten – und glücklicherweise war es dann in den Hotels tatsächlich auch immer so schön, wie es auf den Bildern zu sehen war. Ich weiß, das ist nicht unbedingt in jeder Reisekatalog-Schilderung so.

So etwas Ähnliches wie ich damals vor meinem Urlaub macht auch der Seher Johannes hier in der Predigtlesung des heutigen Abends. Der schaut sich auch wunderschöne Bilder an, Bilder von etwas, was er in Zukunft dann auch live erleben würde. Gewiss, was er sich hier anschaut, ist unendlich mehr als bloß eine Urlaubsunterkunft, in die man mal für höchstens ein paar Wochen einzieht und die man dann doch wieder verlassen muss, um in den Alltag zurückzukehren. Aus der Unterkunft, die Johannes sich hier anschaut, werden wir nie mehr ausziehen müssen, die wird für immer unser Zuhause bleiben. Diese Unterkunft haben wir uns allerdings auch nicht selber aus einem Katalog ausgesucht, sondern die hat Gott schon längst vorher für uns gebucht, hat uns die Buchungsbestätigung in die Hand gedrückt am Tag unserer Taufe. Nicht wir mussten dafür eine Anzahlung leisten, sondern Gott selber hat uns eine Anzahlung für diese Unterkunft übergeben, seinen Heiligen Geist, damit wir gewiss sein dürfen: Da werden wir einmal einziehen. Und während Urlaubskataloge ja manchmal die Wirklichkeit auch ein bisschen schön färben und die nicht so schönen Dinge verschweigen, müssen wir bei den Bildern, die uns heute Abend vor Augen gestellt werden, keine Sorgen haben, dass sie ein wenig mit Fotoshop nachbearbeitet sind, dass sie die Unterkunft viel rosiger darstellen, als sie in Wirklichkeit ist. Im Gegenteil: Die Worte, die Johannes hier gebraucht, vermögen die Schönheit dessen, was uns dann in dieser Unterkunft erwartet, nur ganz ansatzweise wiederzugeben. Es wird in Wirklichkeit noch viel wunderbarer sein, als die Bilder, die wir hier vor Augen gestellt bekommen, es zum Ausdruck bringen können. Ja, wir dürfen gespannt sein!

Und so wollen wir heute Abend einfach mal im Katalog der neuen Stadt Jerusalem herumblättern und uns an dem erfreuen, was wir dort sehen. Ja, das tut uns gut, das brauchen wir. Wir sind ja auch in gewissem Sinne alle miteinander urlaubsreif. Da gibt es so viel in unserem Leben, was uns bedrückt, was uns Kräfte raubt, was uns manchmal beinahe verzweifeln lässt. Ja, da gibt es so manchen unter uns, der am eigenen Leibe etwas davon spürt, dass die Umzugsvorbereitungen allmählich konkreter werden, dass diese Bilder, die uns hier gezeigt werden, vielleicht gar nicht mehr in so ferner Zukunft liegen. Und alle miteinander sollten wir eben auch nicht vergessen, dass es auch schon morgen soweit sein kann, dass wir alle miteinander in diese Stadt einziehen werden, wenn Christus wiederkommt und den Tag anbrechen lassen wird, der keinen Abend mehr kennen wird. Ja, es lohnt sich auch von daher, heute Abend in den Bildern herumzublättern, die uns Johannes hier vor Augen stellt:

Da sehen wir zunächst einmal ganz viel Licht. Kein blendendes, unangenehmes Licht, sondern ein warmes Licht, das alles, was wir sehen, und auch uns selbst strahlen lässt. Nein, wir gehen keiner dunklen Zukunft entgegen, unser Leben wird nicht in der Finsternis enden, nicht in einem schwarzen Loch. Sondern es geht in der Tat dem Licht entgegen. In diesen Novembertagen, in denen wir den Eindruck haben, dass es eigentlich kaum noch richtig hell wird, können das vielleicht besonders gut nachempfinden, wie schön es sein wird, für immer in hellem Licht zu leben. Licht ist ein Heilmittel gegen Depressionen, gegen Traurigkeit, und in der Tat: Traurigkeit und Depressionen wird es in Gottes neuer Stadt nicht mehr geben, nur noch Freude und Aufatmen.

Aber es ist eben nicht irgendein geschaffenes Licht, was uns dann so strahlen lassen wird. Sondern dieses Licht, in dem wir einmal leben werden, ist ein ungeschaffenes Licht, ist Gott selber, ist das Lamm auf dem Thron, Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrhaftiger Gott vom wahrhaftigen Gott. Auch der allerschönste Sonnenschein kommt gegen diesen Glanz nicht an, der durch dieses Licht erzeugt wird. Ja, dieses Licht spendet Leben, unvergängliches, ewiges Leben, Leben, das nicht mehr vom Tod bedroht ist.

Und dieses Licht, ja, er, Gott selber, ist nun in dieser Stadt Gottes überall gegenwärtig. Die ganze Stadt ist ein einziger Tempel, erfüllt mit der Gegenwart des lebendigen Gottes. Da fehlt uns in der Tat das Vorstellungsvermögen, um uns klarzumachen, was das heißt. Aber es bedeutet jedenfalls so viel, dass wir niemals weit weg von Gott sein werden, dass sich da niemals irgendjemand zwischen uns und Gott schieben wird, sondern dass Gott immer ganz direkt für uns da sein wird, so direkt, dass er uns die Tränen von unseren Augen abwischen wird.

Und noch etwas entdecken wir auf den Bildern von diesem neuen Jerusalem: Es wird da ausreichend Platz sein, nicht nur für einige wenige, sondern für Menschen aus allen Völkern. Ja, das betont die Johannesoffenbarung immer und immer wieder, dass Gottes neue Welt wirklich für Menschen aus allen Völkern gedacht ist, für Menschen mit ganz unterschiedlichen Mentalitäten und Sprachen, mit ganz unterschiedlichen Lebensgeschichten, mit ganz unterschiedlichen Kulturen. Aber in einem sind sie dann eben doch eins: Dass Christus das Licht ihres Lebens geworden ist und dass sie von daher einmal für immer in diesem Licht leben werden. Sehr bunt und lebendig wird es also einmal in der neuen Stadt Gottes zugehen – und doch werden alle miteinander diese Buntheit als etwas Schönes, etwas Wunderbares erleben, was alle miteinander bereichert, weil alle miteinander doch demselben Herrn dienen, jeder auf seine besondere Art und Weise.

Und da ist noch ein Letztes, was wir auf diesen Bildern erkennen: Da fehlt alles Böse, alles Bedrohliche. Es ist einfach nicht mehr da. Die Tore der Stadt können immer offenstehen. Man braucht sich vor keinem Bösen mehr zu fürchten, vor keiner Lüge, vor keiner Gemeinheit, auch vor keiner Abschiebung. In dem hellen Licht der Gegenwart Gottes hat all das keinen Platz mehr, was uns schmerzt und Angst macht. Einfach aufatmen dürfen die, die dort leben. Ja, das Böse wird für sie so weit weg sein, dass sie daran nie mehr irgendeinen Gedanken verschwenden werden. Nein, es stimmt eben nicht, dass wir erst dadurch erfahren, dass das Gute gut ist, wenn wir zugleich auch das Böse kennen. In der neuen Stadt Gottes werden wir das Gute ganz und gar schätzen, ohne vom Bösen noch irgendeine Ahnung zu haben.

„Wir“ sage ich die ganze Zeit. Ja, da ist eben noch etwas, was wir auf diesen Bildern erkennen können: Wir sind selber auf diesen Bildern schon zu sehen, die uns St. Johannes hier zeigt: Zu sehen sind dort alle, die im Lebensbuch des Lammes geschrieben sind. Darum müssen wir keine Angst haben, ob wir dort tatsächlich einmal einziehen werden. Unser Einzug hängt nicht von uns, nicht von unseren guten Werken ab. Gott hat schon Fakten geschaffen, hat uns schon eingetragen, hat uns schon die Bürgerschaft in dieser neuen Stadt Gottes verliehen. Und darum tun wir gut daran, immer wieder einmal in den Bildern von dieser neuen Stadt herumzublättern, nicht nur in der Woche nach dem Ewigkeitssonntag. Dann wissen wir, wo es mit uns hingeht, dann können wir auch das, was wir jetzt erfahren, noch einmal in einem anderen Licht wahrnehmen – eben in dem Licht, das uns aus der neuen Stadt Gottes jetzt schon entgegenstrahlt. Amen.