12.11.2014 | 1. Johannes 2,18-25 | Mittwoch nach dem drittletzten Sonntag des Kirchenjahrs
Pfr. Dr. Gottfried Martens


Glücklicherweise ist sie mittlerweile in unserem Land verboten: die schwarze Fahne des Islamischen Staates, der im Augenblick den Nahen Osten mit furchtbarem Terror überzieht. Nicht so einfach verbieten lässt sich allerdings, was auf dieser schwarzen Fahne zu lesen ist: Das Glaubensbekenntnis des Islam, das besagt, dass Gott keinen Sohn hat, dass entsprechend Jesus Christus nicht Gottes Sohn ist.

In diesen Tagen und Wochen wird in unserem Land viel darüber diskutiert, wie man denn mit diesem Phänomen des Islam, wie man mit dem Phänomen des islamischen Terrors umgehen soll. Kann man es sich wirklich so einfach machen, dass man behauptet, der Islamische Staat habe nichts mit dem Islam zu tun, wie so viele Islam-Versteher es in diesen Tagen behaupten? Müssen wir uns nicht doch sehr viel ernster damit auseinandersetzen, dass sich diese mordenden Muslime immer wieder auf den Koran, auf den Propheten Mohammad selber berufen?

Ja, die Politik in unserem Land tut gut daran, sich diesen Fragen, sich dieser Auseinandersetzung noch gründlicher zu stellen, als sie dies bisher getan hat. Doch in unserer heutigen Predigtlesung wird uns als Christen ein noch tieferer Blick auf die Geschehnisse dieser Tage und Wochen, ja ganz konkret auch auf den Islam geschenkt, als eine politische Analyse dies je leisten könnte:

„Kinder, es ist die letzte Stunde“, so schreibt der heilige Johannes hier an die Empfänger seines Briefes. Und dann spricht er von den Antichristen, die gekommen sind und noch kommen, und er macht auch gleich deutlich, woran man diese Antichristen erkennen kann: dass sie Jesus, den Sohn Gottes, leugnen.  Ja, da kann es einem schon ein wenig kalt den Rücken herunterlaufen, wenn wir hier lesen, wie Johannes hier so direkt Bezug nimmt auf den Inhalt der Fahne des Islamischen Staates.

Schwestern und Brüder: Dass wir uns nicht missverstehen: Wenn Johannes hier schreibt: „Kinder, es ist die letzte Stunde“, dann stellt er uns hier keinen Weltuntergangsfahrplan vor Augen. Sondern er erinnert uns daran, was geschehen ist, seit Christus mit seinem Tod am Kreuz und seiner Auferstehung die Macht des Widersachers Gottes gebrochen und ihn damit zugleich noch ein letztes Mal herausgefordert hat. Nein, diese Welt entwickelt sich nicht einfach allmählich in ein Paradies, in ein großes Friedensreich, nicht in eine Gesellschaft, in der schließlich alle Menschen im selben Glauben vereint sind. Sondern in dieser Welt tobt seit der Auferstehung Christi ein Kampf, versucht der Widersacher Christi, dem, der ihn besiegt hat, Menschen zu entreißen, sie zu verführen, dass sie ja nicht an dem Anteil bekommen, was er, Christus, für sie getan hat.

Wir können die Entwicklungen in dieser Welt, wir können gerade auch den Islam nicht verstehen, wenn wir nicht um diese Hintergründe wissen. Um den Islam zu verstehen, müssen wir uns klarmachen, dass er auch historisch gesehen vom christlichen Glauben ausgegangen ist, letztlich eine große Sekte darstellt, die gar nicht in sich selber verstanden werden kann, sondern die den christlichen Glauben zum eigenen Selbstverständnis als Gegenüber unabdingbar braucht. Der Islam will den christlichen Glauben überbieten, vervollkommnen – und wendet sich eben darin zugleich gegen das Zentrum des christlichen Bekenntnisses selber, eben gegen dieses Bekenntnis, dass Jesus der Sohn Gottes ist und nur durch Jesus Gemeinschaft mit Gott möglich ist.

Auch in Bezug auf den Islam gilt also, dass die größte Bedrohung des christlichen Glaubens, der christlichen Kirche nicht von außen kommt, sondern letztlich von innen. Ja, dies gilt für den Islam selber, und es gilt nicht weniger für diejenigen innerhalb der christlichen Kirche, die selber das Bekenntnis zu Jesus Christus als Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrhaftigen Gott vom wahrhaftigen Gott verweigern und immer noch davon träumen, dass man in einem herrschaftsfreien Diskurs doch letztlich den christlichen Glauben und den Islam miteinander vereinen könnte. O nein, so erinnert uns St. Johannes hier, es geht bei diesem Bekenntnis zu Christus als dem Sohn Gottes doch nicht um eine theologische Spitzfindigkeit; es geht um nicht weniger als um unsere Rettung, um nicht weniger als das ewige Leben: „Wer den Sohn leugnet, der hat auch den Vater nicht; wer den Sohn bekennt, der hat auch den Vater.“

Was für ein starker Satz: Wir dürfen Gott den Vater „haben“! Gott bleibt nicht einfach unverfügbar für uns, sondern wer sich zu Christus als dem Sohn Gottes bekennt, der wird damit auch in die Gemeinschaft mit Gott dem Vater aufgenommen, wird mit ihm so eng verbunden, dass St. Johannes hier ernsthaft davon sprechen kann, dass wir Gott den Vater „haben“ dürfen. Und dieses Bekenntnis zu Christus als dem Sohn Gottes hat eben einen ganz bestimmten Ort, so deutet es St. Johannes hier zugleich an: Es ist zunächst und vor allem die Heilige Taufe, in der Menschen mit dem Heiligen Geist gesalbt werden und zugleich diese entscheidende Wahrheit ihres Lebens aussprechen: Ja, ich glaube an Gott den Vater, ich glaube an Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn, ich glaube an den Heiligen Geist. Und auf diesem Hintergrund wird dann auch noch einmal verständlich, dass dieses Bekenntnis notwendigerweise eine Kehrseite hat, eben die Absage an den Anspruch des Islam, wie sie bei jeder Taufe eines früheren Muslim hier an diesem Taufstein ja auch laut ausgesprochen wird. Lüge und Wahrheit können nicht einfach nebeneinanderstehen, und um nicht weniger als um Lüge und um Wahrheit geht es im Verhältnis derer, die Christus als den Sohn Gottes leugnen, und derer, die sich zu ihm als dem Sohn Gottes bekennen, so betont es St. Johannes hier.

„Kinder, es ist die letzte Stunde!“ – St. Johannes erinnert uns eindringlich daran, was in dieser Welt, was aber auch im Leben eines jeden Einzelnen seit dem Tag seiner Taufe geschieht: Wir stehen in einem Kampf, in dem es um nicht weniger als um unsere ewige Seligkeit geht. Entscheidend wichtig ist in diesem Kampf, dass wir bei dem bleiben, was wir von Anfang an gehört haben, dass uns die Botschaft der Heiligen Schrift, dass uns die Verkündigung der Kirche immer vertrauter wird, dass wir auf dieser Grundlage zwischen Lüge und Wahrheit immer deutlicher unterscheiden können. Wer die Wahrheit in der Person von Jesus Christus erkannt hat, der wird sich dann schließlich auch nicht von den Drohungen der Antichristen, auch nicht von den Drohungen des Islam beeindrucken lassen, so bezeugen es uns die unzähligen Christen im Nahen Osten und in anderen Ländern, in denen die Gesetze des Islam herrschen. Lieber sind sie dazu bereit, ihre Heimat, ihren Besitz, ihre Gesundheit, ja ihr Leben aufs Spiel zu setzen, als ihn, Christus, den Sohn Gottes, zu verleugnen. Lassen auch wir uns von ihnen aufwecken und erkennen, was die Stunde geschlagen hat! Stellen wir uns dem Kampf, zu dem wir gerufen sind, und halten wir fest an dem, was wir gehört und gelernt haben! Diesen Kampf können uns kein Staat und keine Polizei abnehmen, erst recht nicht irgendwelche randalierenden Hooligans oder gar Neonazis. Die einzige Waffe, die wir in diesem Kampf haben, sind die Verheißungen unseres Herrn. Und der hat uns doch schon in unserer Taufe versprochen, was er uns schenkt: das ewige Leben! Amen.