05.10.2014 | Hebräer 13,15+16 | Erntedankfest
Pfr. Dr. Gottfried Martens

Wenn man sich die Einträge auf Facebook im Internet anschaut, dann findet man unter beinahe jedem dieser Einträge das Wort „Teilen“. Und wenn man dieses Wort „Teilen“ anklickt, dann verschickt man diesen Eintrag, den man selber gerade gelesen hat, an alle seine Facebook-Freunde. So kann sich eine Nachricht über Facebook innerhalb kurzer Zeit in rasanter Geschwindigkeit verbreiten. Ja, das mit dem Teilen ist schon eine wunderbare Sache.

Darum, was für eine wunderbare Sache das mit dem Teilen ist, geht es auch in der Predigtlesung des heutigen Erntedankfestes. Allerdings muss man schon genau hinschauen, wo hier in dieser Predigtlesung eigentlich vom Teilen die Rede ist. Dabei ist es eigentlich ganz einfach: Der Hebräerbrief redet vom Teilen, wenn er hier schreibt: „durch ihn“, gemeint ist, so formuliert es hier unser Lektionar mit Recht, natürlich: durch Christus. Aber was hat nun  „durch ihn“, „durch Christus“, mit Teilen zu tun?

Gemeint ist: Gott hat mit uns noch viel mehr geteilt als bloß eine Nachricht, die ihm gefällt und die er darum auch ganz gerne noch einigen anderen zum Besten geben möchte. Eine Nachricht auf Facebook zu teilen, kostet nichts, erfordert keinen persönlichen Einsatz. Das kann man schnell mal so nebenbei erledigen, wenn man etwas nett oder sympathisch findet. Doch Gott schickt uns, wie gesagt, nicht bloß eine Statusmeldung aus dem Jenseits, eine kurze, unverbindliche Nachricht. Er lässt uns auch nicht bloß mitteilen, dass er irgendetwas, was ein anderer gesagt hat, vielleicht ganz gut findet. Gott teilt unendlich mehr: Er teilt sich selbst, teilt sein Leben mit uns Menschen, wird selber Mensch, opfert sich für uns, gibt sich für uns in den Tod, damit wir durch ihn neues, ewiges Leben haben. Was für eine Form von „sharing“, von Teilen! Gott versorgt uns nicht mit einigen Zusatzinformationen, sondern rettet uns durch sein Teilen, lässt uns an seinem ewigen, unvergänglichen Leben teilhaben dadurch, dass er auf alles verzichtet, was er hat. Das ist der einzige Kommunismus, der jemals wirklich funktioniert hat: Dass Gott aus Liebe zu uns uns Menschen an allem Anteil gegeben hat, was er besitzt.

Wenn der Verfasser des Hebräerbriefs hier nun schreibt: „So lasst uns nun durch ihn, Christus, allezeit das Lobopfer darbringen“, dann meint er damit: Wir haben es nicht mehr nötig, irgendetwas zu tun, um unser Verhältnis zu Gott in Ordnung zu bringen, um Gott vielleicht gar gnädig zu stimmen. Wir müssen ihn nicht mit irgendwelchen Opfern versöhnen, wir müssen nicht bestimmte Gesetze einhalten, fünfmal am Tag beten, den Ramadan einhalten, kein Schweinefleisch essen, keinen Alkohol trinken, damit wir eine Chance haben, einmal ins ewige Leben zu kommen. Christus hat alles gemacht, er hat schon alles mit uns geteilt. Wir sind reich beschenkte Menschen, ja, Menschen, denen das Wichtigste im Leben nicht mehr genommen werden kann. Das ist die Grundlage für alles, was wir als Christen tun – eben durch ihn, Christus, den großen Teiler.

Was bleibt uns denn dann, wenn Gott schon alles mit uns geteilt hat?  Es bleibt uns „die Frucht der Lippen, die seinen Namen bekennen“, so formuliert es der Verfasser des Hebräerbriefes hier etwas bildhaft mit Rückbezug auf eine Stelle im Alten Testament. Versuchen wir es mal mit unserer Begrifflichkeit zu formulieren: Uns bleibt, das zu teilen, was wir selber empfangen haben. Es ist doch eigentlich so einfach: Da haben viele Facebook-Benutzer keine Scheu, Fotos von sich, die sie eher leicht bekleidet oder in anderen nicht immer vorteilhaften Posen zeigen, oder auch irgendwelche dümmlichen Filme als besonders empfehlenswert zu veröffentlichen. Warum tun wir uns eigentlich immer wieder so schwer damit, die beste Nachricht der Welt mit anderen, ja, auch mit unseren Facebook-Freunden, zu teilen? Wir verlieren dadurch doch nichts, so wenig, wie wir beim Teilen auf Facebook etwas verlieren. Aber andere können eine Menge gewinnen, wenn sie auch die beste Nachricht der Welt erfahren, die Nachricht von Gottes Teilen mit uns, die Nachricht, dass auch sie eingeladen sind, Anteil zu bekommen an Gottes unvergänglichem Leben! Ja, ich weiß, es gibt nicht wenige Schwestern und Brüder unter uns, die dieses Sharing doch eine Menge gekostet hat: ihren Besitz, ihre Heimat, nicht selten auch ihre Gesundheit. Doch euch war dabei eben klar: Diese gute Nachricht kann ich nicht für mich behalten, diese gute Nachricht, dass Gott nicht weit weg ist, dass wir vor ihm keine Angst haben müssen, sondern dass er aus Liebe zu uns alles teilt. Und so habt ihr fröhlich und gerne geteilt, was ihr empfangen habt, habt auf eure ganz besondere Weise ein „Lobopfer“ dargebracht, ein Lobopfer, zu dem eben auch zählt, dass ihr nun hier irgendwo in einem Asylbewerberheim sitzt und dabei sogar noch Angst haben müsst, hier aus Deutschland wieder abgeschoben zu werden. Und auch hier hört ihr mit diesem Lobopfer eurer Lippen nicht auf, erzählt immer noch weiter, was ihr empfangen habt, und so haben wir nun das Ergebnis eures Sharing hier Sonntag für Sonntag in der Kirche sitzen. Ja, wie wunderbar! So geht teilen!

Aber dann spricht der Hebräerbrief hier noch von einer anderen Form von Teilen. Ja, auch dabei geht es um ein Opfer, um ein Opfer, das etwas kostet, das Verzicht bedeutet. Und doch ist auch dieses Opfer nicht dazu da, unser Verhältnis zu Gott in Ordnung zu bringen, ist auch dieses Opfer nur Ausdruck unserer Freude darüber, was Gott alles mit uns geteilt hat.

Wir feiern heute das Erntedankfest. Einmal im Jahr sieht unser Altarraum ganz anders aus als sonst, ist mit Lebensmitteln geschmückt, die in diesem Jahr gewachsen sind und uns daran erinnern, dass es alles andere als selbstverständlich ist, dass wir jeden Tag genug zu essen haben. Ja, Gott gibt uns Teil an seinem unvergänglichen Leben. Er gibt uns aber auch Teil an den Gaben seiner Schöpfung, gibt uns allen miteinander ohne Ausnahme sogar mehr, als wir zum Leben brauchen.

Und damit befähigt er uns noch zu einem weiteren Teilen, einem ganz praktischen, sichtbaren, fühlbaren Teilen: Was Gott uns schenkt, ist eben gerade nicht dazu da, dass wir es alles für uns behalten, sondern dass wir davon bewusst anderen abgeben, eben mit anderen teilen, mit Menschen, die diese Teilhabe besonders nötig haben. Genauso funktioniert ja auch unser Zusammenleben hier in unserem Seelsorgebezirk in Steglitz: Da gibt es auf der einen Seite sehr viele unter uns, die gerade das Nötigste zum Leben haben, ja, die mitunter, wenn sie sich beispielsweise im Kirchenasyl befinden, sogar ganz und gar auf das Teilen anderer angewiesen sind. Und da gibt es auf der anderen Seite einige wenige unter uns, die nicht nur dazu in der Lage sind, von dem, was sie haben, abzugeben, sondern die das gerne, von Herzen und reichlich tun. Und dann gibt es darüber hinaus sogar so manche Menschen, die gar nicht zu unserem Seelsorgebezirk gehören und die das, was sie besitzen, auch mit uns teilen, um uns die Möglichkeit zu geben, unsere Arbeit hier in Steglitz fortsetzen zu können. Ja, nur staunen können wir immer wieder darüber, wie gut das Gedächtnis unser Schwestern und Brüder ist, dass sie es eben nicht vergessen, Gutes zu tun und mit anderen zu teilen, dass sie es nicht vergessen, wie reich sie von Gott selber beschenkt sind.

Ja, den Segen des Teilens, den wollen und werden wir auch weiter hier in unserer Mitte erfahren, werden erleben, wie dieses Teilen alle Beteiligten nicht ärmer, sondern reicher macht, wie Gott seinen Segen gerade auf dieses Teilen legt, weil er daran Gefallen hat.

Weißt du, wie reich du beschenkt bist? Weißt du, was Gott alles mit dir geteilt hat und teilt? Dann hoffe ich, dass dir dies im Gedächtnis bleibt, auch bis du nachher an unseren Kollektenkästen vorbeigehst, ja, viel länger noch, auch in den Wochen und Monaten, die nun vor uns liegen. Du musst doch keinen Cent zahlen, um in den Himmel zu kommen, du musst keinen Cent zahlen, um teilhaben zu dürfen am Leib und Blut deines Herrn! Wenn das kein Grund ist zum Teilen?! Amen.