15.06.2014 | 2. Korinther 13,11-13 | Trinitatis
Pfr. Dr. Gottfried Martens

In der letzten Zeit ist mir wiederholt eine nur allzu verständliche Frage gestellt worden: Geht bei euch in Steglitz in der Gemeinde alles wirklich friedlich zu? So viele neue, so viele unterschiedliche Menschen – Deutsche, Iraner, Afghanen –, so unterschiedliche kulturelle Prägungen und Lebensschicksale, so viele Sorgen und Ängste: Müsste es da bei euch nicht eigentlich schon längst knallen?

Schwestern und Brüder: Ich gestehe, manchmal bekomme ich in der Tat auch selber etwas wacklige Knie, wenn ich mir bewusst mache, was hier in unserer Gemeinde eigentlich abläuft: Über 500 so unterschiedliche Menschen, die fast alle neu dazu gekommen sind, einander oftmals kaum kennen, die natürlich auch nicht frei sind von Ängsten und Vorurteilen – kann das eigentlich hier in unserer Gemeinde noch lange gutgehen?
Menschlich gesprochen darf man daran in der Tat seine Zweifel haben, aber wir sind eben nicht bloß ein menschlicher Verein, so macht es uns der Apostel Paulus in der Predigtlesung des heutigen Festtages deutlich. Dabei war der heilige Paulus damals schon in einer etwas anderen Lage als wir heute hier in Steglitz: Er hatte die Gemeinde in Korinth gegründet, und solange er dort als Pastor tätig gewesen war, hatte er zu den Gemeindegliedern dort auch ein sehr gutes Verhältnis gehabt, auch wenn die Gemeinde in Korinth sicher keine einfache Gemeinde war. Doch als Paulus dann weiterzog, um sich neuen missionarischen Aufgaben zu widmen, dauerte es nicht lange, da traten in der Gemeinde Leute auf, die meinten, sie müssten sich auf Kosten des alten Pastors in der Gemeinde profilieren, müssten zeigen, was für ein Versager der alte Pastor doch gewesen sei und dass jetzt erst mit ihnen so richtig Schwung in die Gemeinde käme. Paulus hatte sich gegen die bösen Anschuldigungen, die da in Korinth gegen ihn erhoben wurden, zur Wehr gesetzt, und so hatte es zwischen ihm und der Gemeinde in Korinth so richtig gekracht, so können wir es auch in den Kapiteln aus dem 2. Korintherbrief erkennen, die unserer heutigen Predigtlesung unmittelbar vorangehen. Doch Paulus will den Brief nicht im Streit beenden und verweist stattdessen ganz am Ende auf die Kraftquellen, die ein Zusammenleben im Frieden in der Gemeinde ermöglichen. Und dabei verweist er ganz konkret auf keinen Geringeren als auf ihn, den dreieinigen Gott.

Wir feiern heute das Trinitatisfest, das Fest der Allerheiligsten Dreifaltigkeit. Das mag für uns zunächst einmal sehr abstrakt klingen: Mag ja alles theologisch richtig sein, hat aber doch mit unserem Leben nichts zu tun! Doch genau dem widerspricht der Apostel Paulus hier vehement. Natürlich hat das ganz direkt mit eurem Leben zu tun, ja, gerade auch mit eurem Zusammenleben in der Gemeinde, dass Gott sich uns als der dreieinige Gott zu erkennen gegeben hat. Denn das heißt ja: Gott ist nicht weit weg von uns, unerkennbar und unerreichbar fern. Gott will nicht für sich bleiben. Sondern eben darum hat er seinen Sohn Jesus Christus zu uns gesandt, damit da kein tiefer Graben zwischen Gott und uns bleibt, sondern wir wieder zu Gott in seine Gemeinschaft zurückkehren können. Und diese Gemeinschaft, die stiftet Christus dadurch, dass er für uns am Kreuz stirbt, stiftet er dadurch, dass er uns an seiner Liebe zu uns Anteil gibt durch die Gabe des Heiligen Geistes. Der zieht uns in die Gemeinschaft mit dem dreieinigen Gott hinein und schenkt uns zugleich auch Gemeinschaft untereinander. Kurzum: Wenn wir vom dreieinigen Gott sprechen, dann davon, dass er, Gott, die Liebe ist und uns in die Gemeinschaft seiner Liebe aufnimmt.

Und das ist nicht bloß eine schöne Theorie, sondern das wirkt sich ganz praktisch aus, ja, auch im Zusammenleben hier in der Gemeinde: Alle miteinander leben wir von der Gnade unseres Herrn Jesus Christus, leben davon, dass wir uns nicht mit unseren guten Werken, mit der Einhaltung der Gebote Gottes einen Platz im Himmel sichern müssen, leben davon, dass wir nicht deshalb in den Himmel kommen, weil wir besser sind als andere. Alle miteinander leben wir von der Gnade, von der Vergebung, die Christus uns schenkt. Und das ermöglicht und stiftet Gemeinschaft, Gemeinschaft zwischen Menschen, die doch eigentlich so unterschiedlich sind und doch darin ganz gleich, dass sie ganz aus der Gnade unseres Herrn Jesus Christus leben. Alle miteinander leben wir zugleich von der Liebe Gottes, in dessen Augen jeder von uns so wichtig ist, dass er seinen Sohn für uns alle ohne Ausnahme in den Tod gegeben hat. Das lässt uns einander mit anderen Augen wahrnehmen, wenn ich auch in dem Bruder, in der Schwester in der Gemeinde einen Menschen erkenne, der für Gott so wichtig ist, dass er auch für ihn, für sie das Allerliebste geopfert hat. Wie sollte mir da eine Schwester, ein Bruder unwichtig sein, wie sollte ich da denken, ich sei wichtiger für Gott als sie oder er? Und alle miteinander leben wir aus der Kraft der Gemeinschaft des Heiligen Geistes, die nicht bloß ein schönes Gefühl ist, sondern eine göttliche Wirklichkeit, in die wir hineingezogen wurden in der Heiligen Taufe, wie heute auch die kleine Elena, und in die wir immer wieder hineingezogen werden, wenn wir Gottes Wort hören und das Heilige Mahl empfangen. Ja, diese Gemeinschaft des Heiligen Geistes ist ein Kraftfeld, in dem wir leben und das Wirkungen hervorruft, die menschlich gesprochen doch gar nicht möglich erscheinen, die Menschen im Frieden und in Liebe zusammenleben lässt, die doch eigentlich so unterschiedlich sind.

Ja, das Wunder, das wir hier in unserer Gemeinde erleben, beruht nicht darauf, dass wir alle miteinander so nette Menschen sind – das sind wir nebenbei natürlich auch! Sondern dieses Wunder beruht darauf, dass der dreieinige Gott ein lebendiger Gott, ja die Realität schlechthin ist und uns an seiner Gemeinschaft Anteil gibt. Und das prägt das Zusammenleben in einer christlichen Gemeinde, das prägt auch unser Zusammenleben, so zeigt es uns der Apostel hier:

Wo der dreieinige Gott am Werk ist, da herrscht Freude in der Gemeinde – Freude, die nicht bloß ein schönes Gefühl ist und unendlich mehr als bloß ein wenig Spaß. Da herrscht Freude, die stärker ist als alles Leid und alles Schwere, was Menschen erfahren. Ja, es bewegt mich immer wieder, eben diese Freude bei euch zu erleben, auch und gerade angesichts dessen, was ihr in eurem Leben schon durchgemacht habt und immer noch durchmacht! Wo der dreieinige Gott am Werk ist, da werden Menschen zurechtgebracht und getröstet – ja, auch das erlebe ich immer wieder zu meiner Freude bei uns in unserer Gemeinde, wie ihr dazu bereit seid, auf Gottes Wort zu hören, euch von Gottes Wort auch korrigieren zu lassen, euch vor allem aber von ihm aufrichten zu lassen. Ach, wie viele gute, geistliche Gespräche habe ich mit so vielen von euch in diesen letzten Monaten schon geführt! Und da, wo der dreieinige Gott am Werk ist, wird einer Gemeinde schließlich auch Frieden geschenkt, betont der Apostel. Darauf wollen, darauf dürfen wir hier bei uns auch weiter vertrauen, dass der dreieinige Gott tun wird, was wir nicht können, dass er uns immer wieder gemeinsam auf das blicken lässt, was wirklich wichtig ist, auf das Ziel unseres Lebens, nicht bloß auf den Aufenthalt in Deutschland, sondern auf unsere Staatsbürgerschaft im Himmel. Dazu wollen wir einander helfen, dafür sind wir in der Gemeinde da, dass ja keiner auf dem Weg zu diesem Ziel auf der Strecke bleibt.

Damals in Korinth und in anderen christlichen Gemeinden brachten die Christen diesen Frieden, der ihnen von Christus geschenkt wurde, dadurch zum Ausdruck, dass sie vor der Feier des Heiligen Abendmahls sich einander den Friedenskuss gaben. Keiner sollte unversöhnt mit anderen den Leib und das Blut des Herrn am Altar empfangen. Nun ja, das mit dem heiligen Kuss müssen wir vielleicht nicht unbedingt in dieser Form hier in unserer Gemeinde wieder einführen. Das könnte unseren Gottesdienst nun vielleicht doch zu lebendig werden lassen und ihn vielleicht doch auch zu sehr verlängern, wenn ihr da erst mal richtig loslegt. Aber so etwas Ähnliches passiert hier bei uns ja doch auch: Als damals die ersten Perser bei uns in die Gemeinde kamen, da hat es sich gleichsam von selbst entwickelt, dass wir einander in den Arm genommen haben, schon allein weil eine sprachliche Kommunikation mitunter nur schwer möglich war. Und das mit dem In-den-Arm-Nehmen, das hat sich nun hier bei uns in den letzten Monaten immer weiter entwickelt, gleichsam ganz von selbst. So bringen wir zum Ausdruck, wie sehr wir uns übereinander und aneinander freuen. Nein, das ist nicht nur eine Äußerlichkeit, das ist schon mehr, das ist auch ein sichtbarer Ausdruck des Friedens, den Gott uns in unserer Gemeinde schenkt. Nehmen wir darum auch weiterhin einander in den Arm, und freuen wir uns aneinander! Gerade auch so feiern wir Trinitatis – das Fest des dreieinigen Gottes, der die Liebe ist und uns ganz fest in seine Arme schließt! Amen.