30.11.2013 | St. Johannes 1,35-42 | St. Andreas
Pfr. Dr. Gottfried Martens


Ich kenne sie mittlerweile, diese Blicke: Irgendetwas stimmt da bei euch doch nicht; das kann doch nicht mit rechten Dingen zugehen, dass da so viele Leute zu euch in die Gemeinde, in den Gottesdienst kommen! Wahrscheinlich meinen die meisten, die kommen, es gar nicht ernst, wollen hier nur irgendwelche Vorteile oder eine nette Gemeinschaft haben. Oder ihr habt hier irgendeinen Trick drauf, den ihr den anderen nicht verratet!

Schwestern und Brüder: Ich kann sie ja verstehen, diese Blicke, diese Fragen. Was wir hier in unserer Gemeinde erleben, ist ja in der Tat schwer zu erklären, ist in der Tat ein Wunder. Nein, das liegt nicht daran, dass wir hier irgendwelche Tricks gebrauchen würden – im Gegenteil: Bei uns hier in der Gemeinde geschieht nichts anderes, als was uns im Heiligen Evangelium dieses heutigen Festtags auch geschildert wird: eigentlich überhaupt nichts Spektakuläres, und eben doch etwas, was Auswirkungen hat für Menschen – Auswirkungen für die Ewigkeit.
 
„Siehe, das ist Gottes Lamm!“ – Mit dieser Botschaft Johannes des Täufers ging die ganze Geschichte damals los. Menschen werden auf ihn, Jesus, verwiesen, der als das Lamm Gottes sein Leben hingibt für die Sünde der Welt. Ja, genau damit geht es auch bei uns immer wieder los: Wir sind hier nicht bloß eine soziale Einrichtung, ein Verein zur Beratung von Flüchtlingen. Sondern wir sind Kirche Jesu Christi, verkündigen das Heil, das in Jesus Christus beschlossen liegt, verkündigen, was er, Jesus Christus, für uns getan hat, als er am Kreuz unsere Sünden auf sich genommen hat.

Und das macht Menschen neugierig: Damals gingen der Andreas und der andere Jünger einfach hinter Jesus her, wollten sehen, wo er wohnt, wer er ist. Heute kommen Menschen in unsere Gemeinde, die zumeist erst einmal auch noch gar nicht so viel von diesem Jesus wissen, die vielleicht auch schon etwas davon gehört haben, dass er am Kreuz gestorben ist, die vielleicht etwas davon ahnen, dass das für sie und ihr Leben wichtig sein könnte. Aber das reicht natürlich nicht – sie wollen mehr wissen, mehr erfahren von diesem Jesus.
Und was sagen wir? Wir sagen nichts anderes als Jesus selber damals auch: Kommt und seht! Kommt und erlebt unsere Gottesdienste mit, kommt und setzt euch mit rein in den Taufunterricht, kommt und erfahrt, wie Christen in der Gemeinschaft mit Jesus Christus leben! Nein, wir verwenden keine Tricks, wir setzen auch niemanden hintergründig unter Druck, wir machen auch die Hilfe, die wir hier anbieten, nicht davon abhängig, dass sich die Leute auch taufen lassen. Wir sagen einfach nur: Kommt und seht! Und dann kommen die Leute und sehen – und erfahren in ihrem Leben eine Lebenswende, die man oft nur schwer in Worte fassen kann. Auch Johannes berichtet hier nicht im Einzelnen darüber, was denn da eigentlich genau abgelaufen ist, als Andreas und sein Kumpel da bei Jesus zu Gast waren. Nur die Folgen schildert er: Sie können das, was sie dort erlebt haben, nicht für sich behalten, müssen es gleich anderen weitersagen: Wir haben den Messias gefunden!

Genauso erleben wir es auch hier bei uns: Menschen kommen zu uns – kommen und bleiben – und fangen schließlich an, auch andere zu Jesus einzuladen, geben sich damit zu erkennen als Menschen, die nun auch selber an ihn, Jesus, glauben. Ja, so einfach funktioniert das in der Tat in unserer Gemeinde mit unserem Wachstum: Menschen kommen in die Gegenwart Jesu Christi, in das Wirkungsfeld seines Geistes, werden selber verändert und fangen an, wieder die nächsten anzusprechen. So funktioniert Mission hier in unserer Mitte, so funktioniert Mission hier in Berlin, genau wie damals am See Genezareth.

Als erster ist der Petrus dran, der Bruder des Andreas. Nein, Petrus hieß er nicht schon immer. Er bekommt von Jesus einen neuen Namen, der zeigt, dass er nun einen neuen Auftrag hat, dass nun für ihn ein neues Leben begonnen hat. Neue Namen bekommen auch viele unserer Täuflinge bei ihrer Taufe, neue Namen, die deutlich machen, dass für diese Menschen nun ein neues Leben begonnen hat, dass sie nun ihre Vergangenheit, ihre Zugehörigkeit zu Mohammad oder Ali ganz hinter sich gelassen haben.
 
Ja, so einfach ist das alles, so einfach und zugleich doch auch so wirksam. So wirksam ist die Begegnung mit Jesus, die Erfahrung seiner Gegenwart, dass wir die Bewegung, die damit in Gang gesetzt wird, gar nicht aufhalten können, selbst wenn wir es wollten. Gott geb’s, dass wir uns gegen diese Bewegung, die Jesus Christus damals in Gang gesetzt hat und die er auch heute bei uns in Gang gesetzt hat, niemals sträuben, dass wir sie nicht als Problem oder Belastung ansehen, sondern als Glaubensstärkung für uns: Ja, genau das möchte Jesus auch bei uns erreichen, dass wir wieder neu wahrnehmen, wie gut wir es haben, dort zu sein, wo Jesus ist, kommen zu dürfen, sehen zu dürfen: „Meine Augen haben deinen Heiland gesehen!“ Ja, genau das möchte Jesus auch bei uns erreichen, dass auch uns die Freude ergreift, die damals Andreas und den anderen Jünger ergriffen hat und die so viele unserer Brüder und Schwestern hier in unserer Gemeinde auch ergriffen hat. Ja, genau das möchte Jesus erreichen, dass dann auch durch uns Menschen die wichtigste Botschaft der Welt erfahren: Wir haben ihn gefunden, ihn, Jesus, den Retter, ihn, der die Sünde der Welt trägt! Halleluja! Amen.