08.02.2012 | St. Matthäus 10,40-42 | Mittwoch nach Septuagesimae

In den E-Mails, die ich bekomme, finde ich ganz regelmäßig höchst verlockende Angebote: Irgendwelche schwerkranken Generäle oder Manager aus Afrika oder Witwen mit einem millionenschweren Erbe schreiben mir, dass sie aus bestimmten persönlichen Umständen ihren Millionenbesitz nicht für sich behalten können, sondern ihn möglichst schnell loswerden wollen, bevor er ihnen weggenommen wird. Und da haben sie sich nun überlegt, wo es hier auf Erden noch einen anständigen, vertrauenswürdigen Menschen gibt und sind dabei nach einigem Nachdenken auf mich gestoßen. Und so bieten sie mir an, eine größere Millionensumme auf mein Konto zu überweisen, wenn ich ihnen dafür nur meine Einwilligung erteile und ihnen meine Kontodaten durchgebe. Das klingt natürlich wunderbar; dann müssten wir uns um unsere Gemeindefinanzen vorläufig auch keine Sorgen mehr machen, wenn erst einmal die zehn Millionen Dollar aus Schwarzafrika auf meinem Privatkonto eingetroffen sind. Doch stattdessen lasse ich solche E-Mails immer wieder sehr schnell in meinem Spam-Ordner verschwinden, denn ich weiß: Solche rührenden Stories gibt es in Wirklichkeit gar nicht. Ob da jemand nur an meine Bankdaten will, ob das Ganze bloß ein blöder Scherz ist oder ob, beinahe noch schlimmer, das Geld tatsächlich auf meinem Konto landet und dazu dient, irgendwelche Gewinne aus Drogengeschäften reinzuwaschen – für all das stehe ich nicht zur Verfügung. Ich weiß nur: Dass Menschen Millionen zu verschenken haben und dabei nun ausgerechnet an mich denken, ist so weit weg von der Wirklichkeit; darüber brauche ich mir keine weiteren Gedanken zu machen.

Eine scheinbar ähnlich absurde Geschichte wird uns in der Predigtlesung des heutigen Abends erzählt. Da verschenkt einer nicht bloß ein paar Millionen Euro, sondern nicht weniger als den Himmel, verschenkt ihn ohne erkennbare Gegenleistung: Dafür, dass jemand einen Boten Christi bei sich übernachten lässt, weil er ein Bote Christi ist, ja, dafür, dass jemand einem Christen, weil er ein Christ ist, einen Becher mit kaltem Wasser reicht, bekommt er den Lohn eines Christen, also nicht weniger als das ewige Leben. Das klingt zunächst völlig durchgeknallt: So einfach kann das mit dem Himmel, mit dem ewigen Leben doch nun wirklich nicht sein! So einfach kann man doch nicht die Plätze im Himmel verschleudern, statt die entsprechende Gegenleistung dafür zu verlangen! Doch der, der diese Worte, die wir eben gehört haben, äußert, ist eben nicht irgendein Trickbetrüger, kein Drogendealer, keiner, der uns mit seinem Angebot aufs Kreuz legen und letztlich nur seinen eigenen Vorteil haben will. Der diese Worte äußert, der hat tatsächlich die Vollmacht, Menschen Anteil am ewigen Leben zu geben, wie er will. Und so verschenkt er hier kräftig, weil das nun mal seine Art ist.

Absurd klingt das, was wir hier gehört haben, und wenn wir uns damit näher beschäftigen, mögen wir uns ganz schnell in der Rolle der Arbeiter im Weinberg wiederfinden, die den ganzen Tag im Weinberg geschuftet haben und nun feststellen müssen, dass der Herr des Weinbergs auch Leuten, die erst kurz vor Toresschluss im Weinberg eingetroffen waren und vor dem Schichtende kaum eine Harke in die Hand genommen hatten, denselben Lohn zahlt wie ihnen: Was mühen wir uns hier ab, wenn man doch auch praktisch ohne Arbeit den Lohn bekommt, der das Leben sichert! Ja, so ähnlich mag es uns auch bei der Geschichte gehen, die Jesus hier erzählt: Da rennen wir jeden Sonntag in die Kirche, drücken jede Menge Geld für die Kirche ab, setzen uns hier Woche für Woche ein – und dann verschenkt Jesus den Himmel an einen, der mal einen Pastor bei sich im Gästezimmer übernachten lässt!

Ja, Jesus stellt hier unser ganzes Lohndenken, das der alte Adam und die alte Eva in uns so wunderbar immer noch beherrschen, in der Tat auf den Kopf. Er lässt Leute in den Himmel, die das überhaupt nicht verdient haben, die für den Himmel so gut wie nichts getan haben. Wer immer noch glaubt, er habe als anständiger Christ vielleicht doch eher einen Anspruch auf einen Platz im Himmel als andere, der wird hier in der Tat von Christus enttäuscht.

Doch in Wirklichkeit enthält unsere heutige Predigtlesung gleich eine doppelte wunderbare Botschaft: Die eine Botschaft lautet: Der Himmel ist wirklich ein Geschenk. Jesus macht es uns tatsächlich kinderleicht, in den Himmel zu kommen. Dafür hat er am Kreuz gehangen, dass wir uns den Himmel nicht erst noch mühsam verdienen müssen. Dir hat er den Himmel doch auch schon längst versprochen, als du getauft wurdest. Da musstest du auch gar nichts tun, und eben darum hast du wirklich keinen Grund, dich darüber zu ärgern, wenn Jesus Menschen in den Himmel lässt, die nicht so einsatzbereit waren und sind wie du.

Und die andere Botschaft lautet: Schau her, wie wichtig du in Gottes Augen bist. Wenn du dich als Christ outest, dann darfst du gewiss sein: Du gehst deinen Weg nicht allein; du bringst, so schwach und mickrig dein Glaube auch sein mag, immer wieder Christus zu den Menschen. Wenn Menschen auf dich als Christ reagieren – sei es ablehnend oder aber mit Sympathie, dann reagieren sie in Wirklichkeit auf Christus selber, den du repräsentierst, einfach und allein schon deshalb, weil du als Christ seinen Namen trägst. Gewiss, die, die in der Nachfolge der Apostel die Gemeinde Gottes leiten und weiden, repräsentieren Christus auch und gerade in diesem besonderen Dienst, der ihnen anvertraut ist. Ich weiß bei jedem Gemeindebesuch, den ich mache: Ich komme jetzt nicht als Privatperson, sondern ich bringe immer Christus mit, und wenn ich nur kurz vorbeischaue und mich erkundige, ob bei dem Gemeindeglied alles in Ordnung ist. Ich weiß: Ich bringe Christus mit, wenn ich mit Menschen rede, die noch nicht zur Gemeinde gehören, ja, den bringe ich auch da schon mit, wo wir nicht schon über das Thema „Glauben“ angefangen haben zu reden. Der andere, die andere weiß, in wessen Auftrag ich stehe, und nicht zuletzt deshalb ziehe ich mich eben auch in meinem Dienst nicht an wie ein Versicherungsvertreter der Hamburg-Mannheimer oder ein Mallorca-Urlauber. Die anderen sollen es auch schon an meinem Äußeren erkennen können, dass ich im Auftrag des Herrn unterwegs bin. Doch Christus gibt diese Verheißung nicht nur den Pastoren, die gibt er auch dir, und wenn du meinst, das könne doch wirklich nur für irgendwelche besonders frommen Christen gelten, dass sie Christus repräsentieren, dann höre, von wem Christus hier spricht: Er spricht von einem dieser Geringen. Bist du ein Geringer, ein Kleiner, einer der andere scheinbar nicht sonderlich zu beeindrucken vermag? Dann gelten diese Worte Christi auch für dich: Du bringst Christus mit zu den Leuten, die dich als Christen wahrnehmen und erkennen, und wenn Menschen dir eben darum, weil du ein Christ bist, etwas Gutes tun, dann hilfst du auf deine Weise mit, dass dieser Mensch in den Himmel kommt. Solch eine Würde spricht Christus dir hier zu, zu solch einem wichtigen Werkzeug will er dich machen. Nein, du brauchst gar nichts zu leisten, erst recht nicht, um in den Himmel zu kommen. Du brauchst einfach nur da zu sein, brauchst dich einfach nur an ihn, Christus, zu halten, und sei es auch nur, dass es auffällt, dass du dich sonntags immer auf den Weg in die Kirche begibst. Das macht dich zu einem Repräsentanten deines Herrn, zu einem Instrument, durch das Christus Menschen sein Heil schenken will.

Liebe Schwester, lieber Bruder, packe diese Nachricht nicht in deinen Spam-Ordner, klicke sie nicht weg! Es ist eine wunderbare, tröstliche Botschaft: So freigiebig und so besorgt um dich ist er, dein Herr, so wichtig bist du in seinen Augen. Ganz echt! Amen.