11.03.2012 | 1. Petrus 1,13-21 | Okuli

Vielleicht erinnern sich einige von euch noch an das „Wort zum Montag“, das vor einigen Jahrzehnten Otto Waalkes in einer Fernsehsendung darbot. In diesem „Wort zum Montag“ meditierte er die Liedzeile „Theo, wir fahrn nach Lodz“ und  machte dabei auf köstliche Weise das salbungsvolle Gerede von Predigern und Sprechern des Wortes zum Sonntag nach. Wer das „Wort zum Montag“ noch nicht kennt, dem sei verraten, dass man es sich auch auf Youtube im Internet anschauen kann. Einen Spiegel hält Otto Waalkes mit diesem „Wort zum Montag“ dem Bodenpersonal Gottes vor Augen, und zwar so gut, dass man darüber auch als Christ von Herzen lachen kann. Doch nicht immer ist uns nach Lachen zumute, wenn wir etwa miterleben, wie manche Christen in der Öffentlichkeit ihre mitunter sehr schräge Frömmigkeit zur Schau stellen und mit Berufung auf ihr Christsein Thesen vertreten, bei denen man vor Scham am liebsten im Boden versinken möchte, weil sie mit ihrem Auftreten die ganze Innung blamieren. Dass solche Auftritte dann gerade auch für Medienvertreter ein gefundenes Fressen sind, muss ich wohl kaum extra erwähnen.

Doch man muss heutzutage auch in unserem Land als Christ sich gar nicht unbedingt benehmen wie eine Witzfigur oder irgendwelche durchgeknallten Thesen vertreten, um in der Öffentlichkeit lächerlich gemacht zu werden. Wir erleben es zunehmend, wie Christen, die es noch wagen, offen auszusprechen, was die Position der Kirche, ja der Heiligen Schrift zu bestimmten Themen ist, in der medialen Öffentlichkeit sofort in bestimmte Schubladen gesteckt werden, mit Totschlagwörtern gekennzeichnet und mit dem, was sie vertreten, überhaupt nicht ernst genommen werden. Dass sie es wagen, etwas Anderes zu sagen, als was sonst alle sagen, reicht schon, um sie medial irgendwo in eine Ecke zu packen und so zum Schweigen zu bringen. Und das kennen wir im kleineren, persönlichen Rahmen ja auch: Wer den Mut hat, sich als Christ zu outen, muss nicht selten damit rechnen, dass andere auf dieses Outing peinlich berührt oder auch aggressiv reagieren oder vielleicht im besten Fall mit dem zweifelhaften Kompliment antworten: Das hätten wir nicht gedacht; du siehst doch ganz normal aus!

Natürlich wollen wir als Christen dazugehören zu den anderen, wollen ganz normal sein, wollen nicht auffallen und damit womöglich ausgegrenzt werden. Und es ist ja durchaus gut und richtig, wenn wir als Christen mit unserem Verhalten nicht gleich bestimmte Klischees betätigen, als ob Christen immer gleich vor Scham erröten, wenn sie mitbekommen, dass unter ihrem Kopf noch ein Körper hängt, oder als ob Christen immer als fleischgewordene Spaßbremsen durch die Gegend laufen und über die böse Welt von heute jammern. Christ zu sein ist keine neurotische Störung.

Das behauptet auch nicht der heilige Petrus in den Versen unserer heutigen Predigtlesung. Was er hier schreibt, ist jedoch für uns Christen, die wir so gerne uns anpassen an das, was alle anderen auch sagen und tun, schon eine ganz schöne Provokation: Petrus schreibt nicht: Lebt möglichst unauffällig, so, dass keiner auf die Idee kommt, dass ihr Christen seid! Sondern er fordert die Christen allen Ernstes dazu auf, sich nicht anzupassen, anders zu leben als diejenigen, die nicht zu Christus gehören. Und er begründet dies auch in den Worten unserer Predigtlesung. Nein, er begründet es nicht damit, dass wir als Christen am besten immer nur unter uns bleiben und die böse Welt außen vor lassen. Sondern er begründet es damit, dass wir als Christen, ob wir es wahrhaben wollen oder nicht, nun einmal anders sind als diejenigen, die von Christus nichts wissen wollen, und dass sich das dann natürlich auch auswirkt in unserem Leben, in unserem Verhalten. Zweierlei stellt der heilige Petrus den Empfängern seines Briefes und damit auch uns heute vor Augen:
- Ihr seid freigekauft.
- Ihr seid Ausländer.

I.
Das Klischee hält sich ja hartnäckig, wonach der christliche Glaube Menschen in ihrer Freiheit einschränkt: Da werden einem als Christ tausend Sachen verboten, um die sich jemand, der kein Christ ist, keinen Kopf machen muss. Doch in Wirklichkeit verhält es sich genau umgekehrt, so macht St. Petrus es uns hier deutlich: Wir Menschen sind nicht von Natur aus frei und werden dann von irgendwelchen Glaubenslehren in unserer Freiheit eingeschränkt. Im Gegenteil: Wir Menschen werden immer von etwas beherrscht, sind immer von etwas abhängig – es kommt nur darauf an, wovon, von wem wir abhängig sind, wer oder was unser Leben bestimmt. Das können erst einmal ganz elementar unsere Triebe sein, die uns bestimmen und beherrschen, so sagt es Petrus hier. Dass die eine starke Kraft haben und sind in unserem Leben – wer wollte dies in Frage stellen? Und doch müssen wir uns nicht zwangsläufig von ihnen bestimmen lassen, geschweige denn, dass unsere Freiheit genau darin bestünde, dass wir uns nur von unseren Trieben steuern lassen. Dann müsste man ja einem Wildschwein ein höheres Maß an Freiheit zubilligen als den allermeisten Menschen. Im Gegenteil: Wer sich hemmungslos nur von seinen Trieben bestimmen lässt, ist vielmehr ein unfreier Mensch, der die Konsequenzen seiner Unfreiheit oft genug auch schon im menschlichen Zusammenleben zu spüren bekommt. Geistlich betrachtet liegt die Unfreiheit des Menschen aber noch tiefer: Er lässt sich in seinem Leben und Handeln immer wieder bestimmen vom Kreisen um sich selbst und von dem, was alle anderen auch machen – wobei das natürlich auch wieder was mit Trieben zu tun hat. Jedenfalls ist auch dieses Kreisen um sich selbst, diese Orientierung daran, immer mit dem Strom zu schwimmen, ebenfalls Ausdruck von Unfreiheit; wer so lebt, führt ein hohles Leben, so formuliert es St. Petrus hier. Ja, mehr noch, der Strom, in dem wir Menschen uns einfach dahintreiben lassen, der führt uns am Ende nicht in die ewige Freiheit, sondern bringt uns am Ende das Urteil ein, dass wir unser Leben verfehlt haben, auch wenn wir es als noch so nett und vergnüglich empfunden haben mögen.

Selber können wir aus diesem Strom nicht aussteigen; selber können wir uns nicht aus dieser Unfreiheit befreien, in die wir schon hineingeboren werden. Da musste schon einer kommen und uns da rausholen, uns freikaufen von diesen Mächten, die uns ins Verderben ziehen.

Lösegeldzahlungen sind teuer, die kosten die, die sie leisten, eine ganze Menge. Doch aus Liebe zu dem, der dadurch freikommt, sind Menschen zu solchen Zahlungen bereit. Und genau das gilt eben auch für den, der uns freigekauft hat, gilt für ihn, Jesus Christus. Natürlich hinkt das Bild mit dem Lösegeld, das auch Petrus hier gebraucht, wie auch schon Jesus selber, immer ein bisschen: Jesus Christus ist nicht das Opfer einer Erpressung geworden, und es wird im Neuen Testament auch nirgendwo gesagt, an wen das Lösegeld eigentlich gezahlt wird. Aber die Sache ist klar: Da opfert einer nicht bloß ein paar Millionen von seinem Bankkonto, nicht bloß Gold oder Silber, sondern nicht weniger als sein Leben, opfert es unter brutalsten Umständen, nur um die, die er liebt, zu befreien aus der Gewalt todbringender Mächte. Ja, genau das bist du, genau das bin ich, genau das sind wir alle miteinander seit dem Tag unserer heiligen Taufe: Freie Menschen, die sich nicht mehr bestimmen lassen müssen von ihren Trieben, die sich nicht mehr bestimmen lassen müssen vom Kreisen um sich selbst, davon, was alle anderen machen, freie Menschen, die nicht mit dem Strom dem Tod entgegentreiben, sondern gegen den Strom schwimmen können – dem Leben entgegen. Wiedergeboren sind wir in der Taufe zu einem neuen Leben, denn nur lebendige Fische schwimmen gegen den Strom. Freigekauft sind wir von Christus durch seinen Tod am Kreuz – so kostbar sind wir in seinen Augen. Wie sollte sich das nicht auswirken in unserem Leben, dass wir befreite Menschen sind, Menschen, die darum wissen, wie kostbar sie in Gottes Augen sind, so sehr von ihm geliebt? Nein, Gott nimmt uns im Glauben nicht unsere Freiheit, sondern schenkt uns die Kraft, gerade nicht tun zu müssen, was die anderen alle tun. Ja, wir haben es als Christen gut.

II.
Christen sind Ausländer – das ist das Zweite, was St. Petrus den Empfängern seines Briefes hier sehr deutlich vor Augen stellt. Ja, wir sind Ausländer; unsere Heimat ist nicht Deutschland, auch nicht Russland oder der Iran. Sondern wir haben als Christen eine ganz andere Staatsbürgerschaft: Wir sind durch die Taufe im Himmel eingebürgert worden, haben da unser wahres Zuhause.

Doch noch können wir dort nicht hin; noch müssen wir warten, bis wir in die Heimat gelangen können. Uns allen geht es da nicht anders als den Brüdern und Schwestern in unserer Mitte, die hier in Deutschland einen Antrag auf Asyl gestellt haben: Wie gerne würden sie in ihre irdische Heimat, in den Iran, zurückkehren! Aber sie können es nicht, solange die Zustände dort so sind, wie sie sind, müssten sonst dort um ihre Gesundheit, ja ihr Leben fürchten. Dass wir noch nicht in unsere himmlische Heimat reisen können, hat natürlich andere Gründe; das liegt nicht daran, dass dort ein fürchterlicher Despot regieren würde und sich die Verhältnisse dort erst mal ändern müssten, bevor wir dorthin kommen können. Aber auch für uns heißt es als Christen: auszuhalten in der Fremde, wie es St. Petrus hier formuliert, und dabei die eigentliche Heimat doch niemals zu vergessen.

Ja, natürlich sollen wir uns der Fremde, in der wir hier auf Erden leben, nicht völlig verweigern. Dass wir uns hier in dieser Welt integrieren, ist durchaus angemessen auch für himmlische Ausländer. Doch selbst wenn wir uns hier noch so gut integrieren, noch so gut mitmachen in dieser Welt: Diejenigen, die unsere Heimat nicht selber kennen, die werden uns als Christen immer nur sehr begrenzt verstehen können, werden niemals so ganz nachvollziehen können, was uns als Staatsangehörige der Welt Gottes bewegt, was uns wichtig ist. Die können nicht verstehen, dass der Richtpunkt unseres Lebens nicht darin besteht, Karriere zu machen, Geld zu verdienen und das eine oder andere Hobby zu pflegen, sondern dass der Richtpunkt unseres Lebens für uns der wiederkommende Christus ist, dass unser Leben geprägt ist von der Vorfreude auf die Begegnung mit ihm. Die, die unsere Heimat nicht selber kennen, können nicht verstehen, warum uns der Gottesdienst so wichtig ist, warum uns das Heilige Abendmahl so wichtig ist, warum uns das so wichtig ist, selig, gerettet zu werden. Die, die unsere Heimat nicht kennen, können nicht verstehen, warum es uns wichtiger ist, was Gottes Wort sagt, als was die Mehrheit der Menschen um uns herum denkt. Ja, die, die unsere Heimat nicht kennen, mögen nur Hohn und Spott dafür übrig haben, dass es uns ein Anliegen ist, heilig zu leben, so zu leben, dass Menschen an uns, an unserem Leben etwas von Gottes Art, von seiner Liebe zu uns wahrnehmen können. Heilig zu leben, bedeutet ja gerade nicht, dass wir uns einbilden, wir seien sündlos, wir seien bessere Menschen als andere. Heilig zu leben heißt zunächst und vor allem, aus Gottes Vergebung zu leben. Aber es heißt zugleich eben auch: zu leben in dem Wissen, dass wir Gott gehören, dass er unser Vater ist, dass er einen Anspruch auf unser Leben, ja auch auf unseren Gehorsam hat. Kein Wunder, dass wir als Christen da für viele als Ausländer wirken, dass wir schlicht und einfach dadurch, dass wir anders sind, dass wir eine andere Lebensausrichtung haben, auch andere provozieren.

Einen Mutmachbrief schreibt der heilige Petrus hier an seine Gemeinden und damit auch an uns. Denn diese Ermutigung, die haben wir tatsächlich dringend nötig: „Vater werden ist nicht schwer, Vater sein dagegen sehr“, heißt es bei Wilhelm Busch. So ähnlich ist das auch mit der Taufe: Sich taufen zu lassen, ja, auch noch sich konfirmieren zu lassen, ist gar nicht so schwer. Aber das dann weiter durchzuhalten im Leben, sich nicht einfach anzupassen und den christlichen Glauben zum Hobby verkümmern zu lassen, sondern immer wieder bewusst als Christ auch gegen den Strom zu schwimmen, als jemand zu leben, der hier auf Erden nicht sein eigentliches Zuhause hat, das erfordert Mut, das erfordert Ausdauer. Doch genau diesen Mut und diese Ausdauer will uns Christus immer wieder schenken in seinem Wort, in seinem Heiligen Mahl, will uns immer wieder die Augen öffnen, wie gut wir es doch als Christen haben: Wir sind freie Menschen, von Christus zum Leben befreit, und wir sind Menschen, die ein Lebensziel haben, das viel großartiger ist, als alle Ziele, die wir uns selber hier auf Erden erarbeiten könnten. Gott geb’s, dass wir in unserer Umgebung mit unserer Lebensausrichtung auffallen, dass dadurch auch andere Menschen ins Fragen kommen und sich mit uns auf den Weg zu Christus machen – auch gegen den Strom. Amen.