01.04.2012 | Jesaja 50,4-9 | Palmarum

Würdest du dich für deinen Glauben an Jesus Christus ins Gesicht schlagen lassen? Würdest du dich für deinen Glauben an Jesus Christus foltern lassen? Würdest du dich für dein Bekenntnis zu Jesus Christus zum Tode verurteilen lassen? Schwestern und Brüder: Diese Fragen scheinen uns erst einmal so fern zu liegen, dass wir uns schwer damit tun, uns ernsthaft in solch eine Situation hineinzuversetzen. Gewalt, Folter, Todesurteile gegen Menschen, deren einziges Verbrechen darin besteht, an Jesus Christus als Gottes Sohn zu glauben – das klingt ja auch erst einmal völlig absurd. Doch wir haben heute bei uns im Gottesdienst Menschen in unserer Mitte, für die diese Fragen überhaupt nicht völlig abgehoben sind, sondern denen sich diese Fragen in der Tat ganz konkret stellen. Menschen haben wir unter uns, die schon am eigenen Leibe erfahren haben, was es heißt, um Christi willen misshandelt zu werden, was es heißt, gefoltert zu werden. Und wenn nun eben Petrus und Matthias hier in unserer Kirche die Heilige Taufe empfangen haben, dann wussten sie und wissen sie, dass sie dafür in ihrer Heimat im Iran zum Tode verurteilt werden können. Ob sie hier in Deutschland bleiben können oder wieder zurückgeschickt werden, wissen sie nicht. Und doch haben sie sich heute Morgen taufen lassen, haben damit zugleich zum Ausdruck gebracht, was Christus und der Glaube an ihn ihnen bedeutet.

Würdest du dich für deinen Glauben an Jesus Christus ins Gesicht schlagen lassen, ja foltern und töten lassen? Schwestern und Brüder: So spannend diese Frage auch ist – wir können sie jetzt, während wir ruhig und sicher in unserer Kirchenbank sitzen, ohnehin nicht beantworten. Keiner von uns weiß, wie er oder sie reagieren würde, wenn wir wirklich gefordert wären – und wir kommen der Antwort eben auch nicht dadurch näher, dass wir ganz tief in uns hineinhorchen, auf uns und unsere Kräfte, auf unsere Glaubensstärke schauen. Genau zum Gegenteil leitet uns die alttestamentliche Lesung des heutigen Palmsonntags an: Sie lenkt unseren Blick ganz weg von uns, von unserer Leidensbereitschaft, von unserer Standhaftigkeit hin auf einen anderen, der Furchtbares erträgt und durchmacht, auf den Knecht Gottes, wie er im Buch des Propheten Jesaja genannt wird, auf den Knecht Gottes, in dem wir Christen die Gestalt unseres Herrn und Heilands Jesus Christus so deutlich und klar abgebildet finden.

Scheinbar ganz harmlos beginnt das, was der Knecht Gottes hier über sein Tun und Erleben zu berichten weiß: Er befindet sich in einem ganz engen Verhältnis zu Gott dem Herrn, hört genau auf das, was er sagt, und wird so dazu angeleitet, die rechten Worte für Menschen zu finden, die einfach nicht mehr können, die mit ihren eigenen Kräften am Ende sind. Was für eine schöne, was für eine erfreuliche Tätigkeit, möchte man meinen. Wer sollte dagegen schon etwas einzuwenden haben? Doch der Knecht Gottes macht ganz andere Erfahrungen: Er wird auf den Rücken geprügelt, und man schlägt ihm ins Angesicht, ja spuckt ihm ins Gesicht. Was für eine unfassbare Aggressivität gegenüber einem, der nichts Anderes gemacht hat, als auf Gott zu hören und andere zu trösten! Doch der Knecht Gottes stellt klar: Er ist in all dem, was ihm da nun widerfährt, nicht ein hilfloser Spielball anderer Mächte und Kräfte, sondern er lässt diese Aggression ganz bewusst zu, entzieht sich ihr nicht, setzt sich ihr im Gegenteil ganz bewusst aus. Dazu hat er die Kraft, weil er weiß: Er steht dieser irrsinnigen Anfeindung nicht allein gegenüber. Gott selber steht ihm bei, ja, er wird ihm einmal endgültig Recht geben. All diejenigen, die jetzt meinen, ihre Machtposition gegen ihn einsetzen zu können, werden es einmal erfahren, wie kurzsichtig sie waren, gegen diesen Gottesknecht vorzugehen, werden einmal ihre eigene Ohnmacht deutlich zu spüren bekommen.

Schwestern und Brüder: In diesen Worten des Propheten Jesaja steht uns Christus, unser Herr, ganz klar und eindeutig vor Augen. Aufs engste verbunden ist er mit Gott, seinem Vater, hört auf ihn, ist ihm gehorsam. So innig ist sein Hören auf das Wort des Vaters, dass sein Wort und das Wort des Vaters eins sind: Wer ihn, Christus, hört, der hört in seinem Wort zugleich die Stimme Gottes des Vaters. Jeden Morgen neu hört Christus auf die Stimme seines Vaters. Wir denken daran, dass die Evangelien schildern, wie Jesus sich früh am Morgen in die Einsamkeit zurückzog, um dort mit seinem Vater in Ruhe sprechen zu können, ja, auf ihn hören zu können. Und aus dem Hören kommt dann das Reden, die Zuwendung zu den Menschen in ihrer Not, einzeln oder auch in großer Menge: „Sei getrost, mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben.“ „Sei getrost, meine Tochter, dein Glaube hat dir geholfen.“ „In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“ Worte, geredet zu den Müden zur rechten Zeit.

Doch dann geschieht das Unfassliche: Er wird verhaftet, misshandelt und für sein Bekenntnis, dass er Gottes Sohn ist, zum Tode verurteilt. Gegeißelt wird er, bis ihm die Haut in Fetzen vom Leibe hängt, ins Gesicht geschlagen wird er, ja, es bleibt ihm auch nicht erspart, angespuckt und zur Witzfigur gemacht zu werden. Und doch wehrt er sich nicht, so berichten es die Evangelien übereinstimmend. Keinen Versuch unternimmt er, sich dem grausamen Leiden, das ihm bevorsteht, zu entziehen, keinen Versuch unternimmt er, sich zu verteidigen oder um Gnade zu flehen. Ganz bewusst geht er diesen Leidensweg immer weiter, lässt sich von dem Hass, der ihm entgegenschlägt, nicht dazu veranlassen, Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Nur ahnen können wir es, was es für ihn bedeutet hat zu wissen, dass er diesen Weg im Auftrag Gottes geht, ja mehr noch: dass Gott ihm am Ende doch einmal Recht geben wird. Ganz tief nach unten führt ihn sein Weg schließlich; am Karfreitag werden wir die Fortsetzung dessen hören, was uns bei Jesaja hier geschildert wird: „Er war der Allerverachtetste und Unwerteste, voller Schmerzen und Krankheit.“ Aber schon in einer Woche werden wir es zugleich jubelnd feiern, dass Gott diesem gekreuzigten Gottesknecht doch Recht gegeben hat, dass er ihn von den Toten auferweckt und damit bestätigt hat, dass er seinen Weg tatsächlich im Auftrag Gottes gegangen ist, uns zugut.

Würdest du dich für deinen Glauben an Jesus Christus ins Gesicht schlagen lassen? Nein, schau nicht auf dich, auf das, was du kannst. Blicke allein auf Christus, deinen Herrn. Für dich hat er all dies durchlitten, für dich ist er so standhaft geblieben, hat sich nicht weggeduckt, sondern sein Angesicht hart wie einen Kieselstein gemacht. Für dich hat er sich foltern, für dich hat er sich töten lassen, damit deine Sünde und Schuld, ja auch deine Feigheit, deine Leidensscheu, dein Mangel an Vertrauen auf Gott, deinen Herrn, dich nicht für immer von Gott trennen. „Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt.“ Blicke auf ihn, Christus, jeden Tag aufs Neue, lass dir seine Liebe immer tiefer ins Herz prägen, seinen Trost, den wirklich nur er allein zu spenden vermag. Was er für dich durchgemacht hat, das gilt dir, das wird dich einmal retten und selig machen.

Und wenn dir das vor Augen steht, dann kannst du zugleich auch anfangen, von ihm, Christus, dem Knecht Gottes, zu lernen. Hören darfst du auf ihn, wie er selber auf Gott, seinen Vater, gehört hat, hören darfst auch du, wie ein Jünger hört. Und du tust gut daran, in der Tat auf ihn wie ein Jünger zu hören. Das gilt nicht nur für die Brüder und Schwestern in unserer Mitte, die für ihren Glauben an Jesus Christus noch ganz Anderes riskiert haben und riskieren als die meisten Übrigen unter uns. Das gilt für uns alle. Rechnen müssen wir alle miteinander damit, dass wir um unseres Glaubens willen angefeindet werden, dass Menschen sich schon allein dadurch provoziert fühlen, dass wir uns zu Jesus Christus bekennen. Und da ist es dann ganz wichtig, dass wir bei Christus, in seinem Wort, zu Hause sind, dass dieses Wort für uns so vertraut ist, dass wir, wenn es darauf ankommt, reden können, dass wir eine Zunge haben, wie sie Jünger haben, wie Jesaja es hier formuliert. Genau das wollen unsere persischen Brüder und Schwestern, so erlebe ich es immer wieder in den Gesprächen mit ihnen; sie wollen hören, wie Jünger hören, wollen immer mehr von Christus, von seinem Wort erfahren. Ja, da können wir oftmals so satten einheimischen Christen, die wir so schnell denken, wir wüssten eigentlich genug, uns von diesen Schwestern und Brüdern gerne die eine oder andere Scheibe abschneiden.

Wozu sollen wir das, was wir gehört haben, einsetzen? Nicht um andere fertig zu machen, nicht um sie mit ätzender Kritik zur Strecke zu bringen, sie zu dissen, wie es heute so schön auf Neudeutsch heißt. Sondern wer auf Christi tröstendes Wort hört, wer sich von ihm prägen lässt, dem wird es dann auch geschenkt, den rechten Zeitpunkt zu erkennen, in dem er andere trösten und aufbauen kann. Daran soll man uns als Christen erkennen, dass wir mit den Müden zur rechten Zeit reden können, dass wir gerade nicht einfach immer mit Bibelzitaten um uns schlagen, sondern wahrnehmen, wann die Zeit gekommen ist, einem anderen die Wahrheit der Heiligen Schrift zu sagen, so, dass sie aufbaut, dass sie tröstet, dass sie stärkt.

Doch wenn Menschen dann ganz anders reagieren, als wir es erhofft haben, muss das nicht daran liegen, dass wir versagt haben. Das liegt in der Natur der Sache, dass es uns in der Nachfolge unseres Herrn nicht anders ergeht als ihm, dass auch wir angegriffen werden, selbst wenn uns von unserer Seite jeder Angriff fern lag. Erinnern sollen wir uns dann immer wieder daran: Wir stehen hier nicht bloß als Privatpersonen; wir stehen hier, weil Menschen uns als Vertreter Jesu wahrnehmen, weil ihre Ablehnung, ihre Aggression letztlich ihm, Jesus selber, gilt.

Ja, sei gewiss: Was für Angriffe du auch um deines Glaubens willen erlebst: Gott der Herr hilft dir, Christus, dein Heiland, der für dich am Kreuz gestorben ist, der hilft dir, der lässt dich nicht fallen. Er gibt dir Recht, auch wo andere dich ins Unrecht zu setzen versuchen, dir Dummheit, Naivität, Weltfremdheit vorwerfen. Ja, lass das alles von dir abprallen. Dein Wert, deine Würde liegen nicht in dem, was andere über dich denken. Im Gegenteil, so haben wir es eben in der Epistel dieses Sonntags gehört: Am Ende werden auch all diejenigen, die dich jetzt noch angreifen oder belächeln wegen deines Glaubens, werden auch die alle vor Christus niedersinken und ihn anbeten. Auch ein Ayatollah Khamenei und ein Mahmud Ahmadinedschad werden einmal vor Christus auf die Knie sinken, werden schon zuvor erfahren müssen, dass sie und ihre Herrschaft zerfallen werden wie Kleider, die die Motten fressen.

Was du auch in deinem Leben erfahren magst, ob du ganz unangefochten dein Christsein leben kannst oder ob dich dein Bekenntnis zu Christus tatsächlich einmal in ganz tiefes Leid führt: Gott wird dich nicht fallen lassen. Er wird dir das Leid nicht unbedingt ersparen; aber was du auch durchleiden musst: Nichts kann dich verdammen, nichts kann dich von der Liebe deines Herrn trennen. Auch dein Leben wird einmal enden in der ewigen Gemeinschaft mit Christus, deinem Erlöser; auch über deinem Leben leuchtet schon das helle Licht von Ostern seit dem Tag deiner Heiligen Taufe. Denn was auch in Zukunft geschehen mag: Es ist nahe, der dich gerecht spricht – so nahe, dass er sich dir in deinen Mund legen lässt in den Gestalten von Brot und Wein. Er lebt in dir, dein Herr, der für dich gelitten hat – und er wird dir dann, wenn du einmal gefordert wirst, auch die Kraft schenken, die du brauchst. Mach dir keine Sorgen, schau nicht auf dich. Schau allein auf Christus, deinen Herrn, der hilft dir, ja der umgibt dich wie ein schützendes Kleid. Darum hat er sich doch misshandeln lassen – für dich! Amen.