13.06.2012 | 2. Timotheus 3,14-17 | Mi. nach dem 1. Sonntag nach Trinitatis

Neulich haben mir meine Eltern eine Münzzähl- und Sortiermaschine geschenkt. Damit bleibt es nun in Zukunft hoffentlich Herrn Tschirsch und mir erspart, bei unseren Kollektenabrechnungen jeweils Berge von Münzen zu sortieren und durchzuzählen – ein echter Zeitgewinn. Die Maschine arbeitet gut. Ich hätte sie allerdings nicht in Gebrauch nehmen können, wenn ihr nicht eine Bedienungsanleitung beigefügt gewesen wäre. Ansonsten hätte ich mit dem Ding wohl nicht viel anfangen können.

Für die Heilige Schrift braucht man offenbar auch eine Bedienungsanleitung. Ohne diese Bedienungsanleitung gebraucht man die Heilige Schrift nämlich schnell in einer völlig falschen Weise – als eine Art von frommem Maskottchen beispielsweise, das man sich ins Bücherregal stellt und dort dann auch stehen lässt. Hauptsache, man hat irgendwo im Haus seine Bibel stehen. In sie reinzuschauen braucht man dann gar nicht unbedingt. Oder da gibt es Leute, die gebrauchen die Heilige Schrift als eine Art von frommem Horoskop, stechen irgendwo mit dem Messer oder einer Nadel in die Bibel hinein und denken, dass der Vers, den sie dabei ermitteln, für sie irgendeine besondere Vorhersage für ihre Zukunft enthält. Doch die Heilige Schrift ist weder ein Glücksbringer noch ein Orakelbuch; sie will ganz anders gebraucht werden, so macht es uns der Apostel Paulus in der Predigtlesung des heutigen Abends deutlich, gibt uns hier genau die Bedienungsanleitung an die Hand, die wir benötigen, um mit der Heiligen Schrift in der rechten Weise umzugehen.

Die Heilige Schrift ist von Gott eingegeben, stellt Paulus hier zunächst einmal fest, ist von Gottes Geist gewirkt und durchwirkt. Das sieht man ihr nicht unbedingt an. Sie scheint ein religiöses Buch wie viele andere religiöse Bücher zu sein, sie lässt sich verbrennen, wie man dies zurzeit immer wieder im Iran erleben kann, wo regelmäßig Bibelverbrennungen stattfinden, ihre Seiten lassen sich zur Anfertigung von Zigaretten gebrauchen, wie dies nicht wenige Schüler in deutschen Schulen machen, in denen Bibeln vom sogenannten Gideonbund kostenlos verteilt werden. Ihr Inhalt lässt sich historisch analysieren und einordnen, die verschiedenen menschlichen Verfasser der einzelnen Bücher der Bibel lassen sich mehr oder weniger klar erkennen und in ihren Eigenarten herausarbeiten. Und doch bleibt es dabei: Die Heilige Schrift ist von Gott eingegeben, inspiriert, nicht weniger als Gottes Wort. Gott bindet sich an menschliches Wort, wie er sich im Heiligen Mahl an die ganz irdischen Gestalten von Brot und Wein bindet, dass wir in ihnen den Leib und das Blut des Herrn empfangen. Und so bindet sich Gott mit seinem Heiligen Geist an Menschenwort, hat die Verfasser der Heiligen Schrift so geleitet, dass in ihrem Wort das Wort Gottes vernehmbar wird, ja, dass ihr Wort zugleich Gottes Wort ist.

Denke daran, wenn du mit der Heiligen Schrift umgehst, wenn du sie hoffentlich nicht nur irgendwo bei dir im Bücherregal stehen hast. Denke daran: Wenn du in ihr liest, dann bekommst du es zugleich immer auch mit Gottes Geist zu tun, der in diesem Wort gegenwärtig ist und wirkt. Lies die Heilige Schrift darum immer mit Ehrfurcht, weil du weißt: Hier begegnet mir jetzt der lebendige Gott in seinem Wort. Es ist nicht meine Aufgabe, dieses Wort zu kritisieren, vielleicht gar auszusortieren, was für mich Gottes Wort ist und was nicht. Sondern ich soll damit rechnen, dass dieses Wort mich und meine Vorstellungen kritisiert, in Frage stellt, mir neue Perspektiven für meinen Glauben, für mein Leben eröffnet. Wie gut, dass Paulus uns dies in seiner Gebrauchsanleitung so deutlich macht!

Ein zweites stellt uns St. Paulus hier vor Augen: Die Heilige Schrift kann uns unterweisen zur Seligkeit durch den Glauben an Jesus Christus. Wenn wir die Heilige Schrift lesen, dann sollte dies immer wieder neu unsere Frage sein: Was hat das, was ich da jetzt gerade gelesen habe, mit Jesus Christus zu tun, wie hilft mir das Gelesene, Jesus Christus besser zu erkennen? Zeigt das Wort, das ich gelesen habe, wie sehr wir auf Christus und seine Erlösung angewiesen sind? Macht es uns deutlich, dass wir auf keinen anderen hoffen können als auf ihn? Oder stellt es uns ganz direkt vor Augen, wie Gott uns durch Jesus Christus beschenkt? Welche Bezüge auch immer wir auf Christus herstellen können: Wir haben die Worte der Heiligen Schrift so lange noch nicht recht verstanden, wie wir sie losgelöst von Christus zu verstehen versuchen. Denn die Heilige Schrift soll uns doch zur Seligkeit unterweisen – und die haben wir nur durch den Glauben an Jesus Christus. Wir glauben als Christen eben nicht an die Bibel. Sondern wir glauben an Jesus Christus, den die Heilige Schrift verkündigt und der der Schlüssel zur Heiligen Schrift ist, der uns den Zugang zu ihr eröffnet. Im Unterschied zum Koran hat die Heilige Schrift ein ganz klares Gefälle, das sie auch selber markiert – und dieses Gefälle ist eben der Bezug zu Jesus Christus, zu ihm, der das Ende des Gesetzes, der das A und das O, der Anfang und das Ende ist.

Und von diesem Bezug auf Christus her erweist sich dann die ganze Heilige Schrift als nützlich, fährt der Apostel Paulus fort. Sie nützt uns, weil sie der Maßstab aller christlichen Lehre, aller christlichen Verkündigung ist, weil die Lehre der Kirche ihr entnommen und aus ihr geschöpft sein muss. Die Heilige Schrift nützt uns, weil sie uns zur Zurechtweisung und Besserung dient, weil sie Schuld aufdeckt und deutlich macht, dass gesellschaftliche Normen nicht unbedingt die Normen sein müssen, die Gott an unser Leben anlegt. Helfen will uns die Heilige Schrift, im Glauben zu wachsen und damit auch in unserem Leben als Christen, dass uns unser Gewissen geschärft wird und uns zugleich immer klarer wird, was Gottes Wille für unser Leben ist.

Eine Gebrauchsanleitung für die Heilige Schrift gibt uns der Apostel Paulus hier. Aber eine Gebrauchsanleitung soll eben nicht die Benutzung selber ersetzen. Wenn ich nur die Bedienungsanleitung der Münzzählmaschine durchlesen würde und die Maschine selber im Karton stehen ließe, dann würde mir die Bedienungsanleitung auch nichts nützen. Wenn wir in der Kirche davon reden, wie wichtig es ist, auf die Heilige Schrift zu hören, dann nützt es uns doch gar nichts, wenn wir dieses Hören nicht auch immer wieder einüben. Das geschieht natürlich zunächst und vor allem im Gottesdienst, in diesem Kraftfeld des Heiligen Geistes. Aber vom Gottesdienst her tun wir dann gut daran, uns auch täglich mit der Heiligen Schrift zu beschäftigen. Andachtsbücher wie etwa der Feste-Burg-Kalender können uns dazu eine wichtige Hilfe sein, die uns dann hoffentlich Lust macht auf mehr. Denn alles soll doch dazu dienen, dass wir bei dem bleiben, was wir gelernt haben, so betont es St. Paulus hier. Mit so vielen verschiedenen Botschaften werden wir tagtäglich ganz offen oder subtil verborgen konfrontiert. Wenn wir nicht in der biblischen Botschaft zu Hause sind und bleiben, wenn uns die Heilige Schrift nicht vertraut ist, dann stehen wir in der Gefahr, diesen anderen Botschaften bewusst oder unbewusst zu folgen, von dem abzukommen, was uns Gott in seiner Kirche ans Herz gelegt hat.

Ja, bleibt bei dem, was ihr gelernt habt – im Konfirmandenunterricht, im Taufunterricht, im Gottesdienst, in der Beichte und in der Predigt, im seelsorgerlichen Gespräch. Lasst euch immer wieder zum Gebrauch der Heiligen Schrift anleiten, dass euer Glaube an Christus vertieft wird. Denn durch diesen Glauben, der am Wort Gottes hängt, werdet auch ihr selig werden. Amen.